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Zwischen Komik und Tragik
Mit Anton Pawlowitsch Tschechow hat am 29. Januar 1860 einer der wichtigsten russischen Erzähler und Dramatiker des ausgehenden 19. Jahrhunderts die Weltbühne betreten. In diesen Tagen jährt sich der Geburtstag von Čẹchov, so die russische Schreibweise, zum 150. Mal.
Der Erzähler der Kleinform
Der in Taganrog geboren Tschechow kam 18-jährig nach Moskau, war Arzt und Mitarbeiter von Zeitungen und Zeitschriften. 1890 unternahm er eine Informationsreise zur Strafkolonie auf Sachalin (Schrift "Ostrov Sachalin", 1893, als Buch 1895; deutsch "Die Insel Sachalin"). Ab 1898 lebte er, an Tuberkulose erkrankt, im wärmeren Südrussland und in westeuropäischen Kurorten, 1901 heiratete er die Schauspielerin Olga L. Knipper.
Tschechow, der seine literarische Laufbahn mit kurzen, humoristischen Prosaskizzen begann, bevorzugte als Erzähler die Kleinform. Längere Erzählungen wie "Step'" (1888; deutsch "Die Steppe") bildeten die Ausnahme. Zwar bezeugt auch sein reifes Erzählwerk den Sinn für Humor, aber die anfangs direkte Komik und Satire weicht hier einer teils heiteren, teils melancholischen Ironie, die auch die tragischen Aspekte menschlichen Zusammen- und Alleinseins zur Geltung bringt.
Die Illusion einer besseren Welt
Die Schilderungen der zeitgenössischen russischen Gesellschaft, des sich auflösenden Gutsadels, des neu entstandenen Kleinbürgertums und der "Intelligenzija" setzten einerseits durch die liebevolle, aber unbestechliche Analyse menschlichen Verhaltens und sozialer Missstände die Tradition des kritischen Realismus fort; andererseits waren sie in der subtilen Darstellung und Deutung seelischer Zustände und nuancierter Stimmungen dem europäischen Impressionismus und Symbolismus verbunden (Klangwiederholungen, Iterationen von thematischen und formalen Motiven). Ein immer wiederkehrendes Motiv ist die Vorstellung einer besseren Welt, die sich meist als Illusion entpuppt.