wissen.de Artikel

Alterung: Das Geheimnis der Telomere

Wir Menschen altern mit jeder Sekunde unseres Lebens. Es betrifft jeden einzelnen von uns, ist unaufhaltbar und beschäftigt die Forschung schon seit Jahrzehnten. Die meisten wissen, dass im Alter bestimmte Organe und körperliche Mechanismen in ihrer Funktion eingeschränkt sind. Aber welche molekularen und zellulären Prozesse stecken dahinter? Wie altern wir?
JFR, 14.03.2023
Symbolbild Altern

GettyImages, wundervisuals

Wenn wir älter werden, zeigt sich das unter anderem dadurch, dass unsere Haare grau werden. Dies liegt daran, dass im Alter die Aktivität der Melanin-produzierenden Zellen nachlässt. Der Pigmentstoff Melanin, der den Haaren normalerweise ihre Farbe verleiht, wird nicht mehr produziert und die Haare ergrauen. Auch Hautzellen werden im Alter immer weniger aktiv und bilden weniger Kollagen und Elastin. Daraufhin wird die Haut instabiler und weniger dehnbar: Es bilden sich Falten. Beide Symptome des Alterns sind also auf eine zunehmende Inaktivität der Zellen zurückzuführen. Was aber steckt dahinter?

Telomere schützen unser Erbgut

Eine der Grundlagen unseres Lebens ist die Zellteilung. Sie ermöglicht unser Wachstum und regeneriert im Laufe unseres Lebens immer wieder unsere Organe oder verletztes Gewebe. Jede Zelle enthält dabei unser Erbgut in Form von Chromosomen, welches Informationen für Proteine codiert. Diese Biomoleküle wiederum erlauben es der Zelle, ihre Funktionen zu erfüllen.

Damit sich eine Ursprungszelle teilen kann, muss ihr Chromosomensatz zunächst verdoppelt werden, um anschließend auf die beiden Tochterzellen verteilt werden zu können. Bei jeder Erstellung einer Chromosomen-Kopie geht jedoch ein kleiner Teil DNA verloren. Dieser Schwund kann aber gut verkraftet werden, denn die wichtigen Abschnitte unseres Erbguts werden durch die sogenannten Telomere vor dem Abbau geschützt.

Diese bestehen aus kurzen, sich wiederholenden Abschnitten von DNA, die nicht für Proteine codieren und wie eine Art Schutzkappen auf den Enden der Chromosomen sitzen. Somit verhindern sie, ähnlich wie die Plastikkappen auf Schnürsenkeln, dass unser Erbgut am Ende ausfranst oder gar abgebaut wird.

Menschliche Chromosomen (grau) mit weiß markierten Telomeren an den Enden.
Menschliche Chromosomen (grau) mit weiß markierten Telomeren an den Enden.

U.S. Department of Energy Human Genome Program

Wenn Zellen an ihr Limit geraten

Doch mit jeder Zellteilung werden auch die Telomere ein Stückchen kürzer, sodass nach einer bestimmten Anzahl an Teilungen die Telomere "aufgebraucht" sind und die Enden der Chromosomen freiliegen. Bereits in den 1960er Jahren entdeckte der US-amerikanische Altersforscher Leonard Hayflick, dass sich Zellen nur etwa 50-Mal teilen können. Hat die Zelle dann ihr sogenanntes Hayflick-Limit erreicht, senden die nun ungeschützten Chromosomen-Enden Signale aus, die bewirken, dass sich die Zelle nicht weiter teilt.

Je älter wir werden, desto mehr dieser sogenannten seneszenten Zellen sammeln sich in unserem Körper an. Diese können einerseits Entzündungen auslösen, aber verhindern auch, dass sich bestimmtes Gewebe regenerieren kann. Damit häufen sich Gewebeverluste, Organe funktionieren nicht mehr so gut und die Entwicklung bestimmter Krankheiten wird begünstigt: Wir altern.

Allerdings ist das nur ein Teil des komplexen und vielschichten Prozesses, der unsere Alterung bewirkt. Denn unsere Zellen werden im Laufe des Lebens durch viele weitere Faktoren wie beispielsweise aggressive Sauerstoffverbindungen, UV-Strahlung oder Anhäufung von Mutationen geschädigt. Daher stirbt niemand direkt an zu kurzen Telomeren, aber ihr Schrumpfen und die damit verbundene Alterung der Zellen kann Krankheiten verursachen und damit den Alterungsprozess beschleunigen.

Telomerlänge verrät biologisches Alter

Auch der Lebensstil kann die Verkürzung der Telomere beschleunigen. So haben Forschende beispielsweise Stress, Rauchen, Ernährung oder Bewegungsmangel als negative Einflussfaktoren ausgemacht. Somit können Menschen, die exakt das gleiche chronologische Alter haben, dennoch unterschiedlich gealtert sein. Die Telomerlänge gilt dabei als Marker für das biologische Alter.

Tatsächlich gibt es auch ein Enzym, das die Enden der Chromosomen wieder verlängern kann. Diese sogenannte Telomerase ist im erwachsenen Menschen allerdings nur in Stammzellen und Keimzellen aktiv, während sie in normalen Körperzellen nach der Kindheit meist vollständig inaktiviert ist. Doch es gibt eine Ausnahme: Krebszellen. In diesen Zellen ist die Telomerase meist durch eine Mutation wieder aktiviert und sorgt dafür, dass sich Zellen unendlich teilen und Zellhaufen unkontrolliert im Körper wuchern können.

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus dem Wahrig Synonymwörterbuch

Weitere Artikel aus dem Wahrig Fremdwörterlexikon

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch