wissen.de Artikel
Frankfurter Buchmesse 2017 - Gegenwartsphänomene und Frankreich im Fokus
Schon im vergangenen Jahr gab sich die Frankfurter Buchmesse betont politisch. Unter der Überschrift Europa rückten die Veranstalter Themen in den Mittelpunkt, die die Gesellschaft bewegten – von der Brexit-Diskussion, über die Flüchtlingspolitik bis hin zur Frage nach der europäischen Identität. Diese politische Ausrichtung soll auch dieses Mal bewusst beibehalten werden: Die Buchmesse versteht sich mehr denn je als Seismograph für globalgesellschaftliche Entwicklungen.
"Wo das politische Weltgeschehen unübersichtlich wird, tiefe Risse nahezu alle Gesellschaften prägen und Fake News die journalistische Berichterstattung herausfordern, wächst der Wunsch nach verlässlichen Informationsquellen, nach fundiertem Wissen und gut recherchierten Nachrichten", sagt der Direktor der Frankfurter Buchmesse, Juergen Boos. Der Blick in die Programmvorschau zeige, dass die Verlage diesem Bedürfnis nachkommen, indem sie in einer schnelllebigen Zeit auf Qualität setzen: auf die sorgfältige Auswertung von Informationen und die differenzierte Einordnung von Sachverhalten.
Ausgezeichneter EU-Roman
Im Vorfeld der Buchmesse wurde mit Robert Menasse am Montagabend bereits ein Autor mit dem Deutschen Buchpreis geehrt, dessen Roman "Die Hauptstadt" den Wunsch der Leser nach Einordnung bestens erfüllt. In seinem Werk wirft Menasse, der sich immer wieder in Essays und Vorträgen zu politischen Fragen äußert, einen tiefgründigen Blick auf die Welt der Europäischen Union – eine Welt, die vielen Bürgern fremd erscheint, obwohl sie ihr Leben doch entscheidend mitprägt.
Für "Die Hauptstadt" hat Menasse vier Jahre lang in Brüssel recherchiert. Mit seinem Werk sei der Anspruch verwirklicht, den der Autor an sich selbst gestellt habe, heißt es in der Begründung der Jury: "Zeitgenossenschaft ist darin literarisch so realisiert, dass sich Zeitgenossen im Werk wiedererkennen und Nachgeborene diese Zeit besser verstehen werden."
Fake News, Krisen und Co
Gesellschaftliche Phänomene beleuchten und einordnen – das ist auch das Anliegen des Weltempfangs, der kulturpolitischen Plattform der Frankfurter Buchmesse. Unter dem Motto "Krise-Ordnung-Gestaltung" werden an den fünf Messetagen in mehr als 40 Veranstaltungen aktuelle Konfliktfelder thematisiert. Zur Diskussion stehen unter anderem die europäische Verständigung, die Lage in Teilen Afrikas, des Maghreb und des Balkans sowie die politischen Entwicklungen in Indonesien, auf den Philippinen und in der arabischen Welt.
"In Krisenzeiten verhärten die Fronten, Gespräche geraten ins Stocken oder kommen ganz zum Erliegen. Im Weltempfang wollen wir Diskussionen anstoßen und neue Perspektiven beleuchten", sagt Tobias Voss, Geschäftsleitung Internationale Beziehungen bei der Buchmesse. "Chancen, die sich durch Krisen auftun können, werden ebenso ein zentraler Aspekt der Diskussionen sein wie die Frage, welche Rolle die Kultur einnehmen kann – in Krisen und insbesondere, wenn es um Vorschläge für Neuordnung und Neugestaltung geht."
Ergänzt wird die Veranstaltungsreihe durch das neue Format Weltempfang Satelliten: Von Mittwoch bis Freitag wird sich Messedirektor Boos mit bekannten Persönlichkeiten und Schriftstellern über Gegenwartsphänomene austauschen. Über den Einfluss von Fake News spricht er mit Kriegsberichterstatterin Åsne Seierstad und dem investigativen Journalisten Hans Leyendecker. Leben und Schreiben im Exil sind Gegenstand des Gesprächs mit dem türkischen Publizisten Can Dündar und Autor Burhan Sönmez. Dem Phänomen der Neuen Rechten schließlich widmet sich Boos gemeinsam mit Thomas Wagner und Gerald Hensel.