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Fußgänger: Ablenkung durch Smartphones nimmt zu
Längst gehört das Smartphone für uns zum Alltag: Im Bus, in der Bahn oder im Café checken wir damit mal eben die Mails, schreiben eine Nachricht oder schauen kurz etwas im Internet nach. Aber wie ist das, wenn wir als Fußgänger durch die Stadt laufen? Wer sich umschaut, sieht auch dabei nicht selten Menschen, die im Gehen tippen oder zumindest konzentriert auf ihren Bildschirm schauen.
Doch genau das birgt enorme Gefahren: "Telefonieren, Musikhören, die Nutzung von Apps oder auch das Tippen von Textnachrichten sorgen im Straßenverkehr für riskante Ablenkung", erklärt Verkehrsexperte Clemens Klinke von der DEKRA. "Viele Fußgänger unterschätzen offenbar die Gefahren, denen sie sich selbst aussetzen, wenn sie ihre Aufmerksamkeit auf solche Art vom Straßenverkehrsgeschehen abwenden."
Blick aufs Handy statt auf die Straße
Wie verbreitet diese Ablenkung durch das Handy bei Fußgängern ist, haben Forscher der DEKRA in den sechs europäischen Hauptstädten Amsterdam, Berlin, Brüssel, Paris, Rom und Stockholm untersucht. Jeweils an drei verschiedenen Stellen in den Innenstädten beobachteten sie insgesamt 14.000 Fußgänger und dokumentierten deren Smartphone-Nutzung.
Das besorgniserregende Ergebnis: Fast 17 Prozent der Fußgänger schauen beim Überqueren einer Straße aufs Handy statt auf den Verkehr. Knapp acht Prozent tippten dabei Text ein, fünf Prozent hörten Musik, 2,6 Prozent telefonierten und 1,5 Prozent tippten und sprachen gleichzeitig, wie die Forscher feststellten.
Am häufigsten durchs Handy abgelenkt waren dabei - wenig überraschend - junge Erwachsene. Dabei fielen Frauen häufiger durch Tippen auf, während Männer öfter per Kopfhörer Musik hörten. Spitzenreiter unter den europäischen Städten ist Stockholm mit gut 23 Prozent abgelenkten Handynutzern, Berlin liegt mit knapp 15 Prozent im Mittelfeld und Amsterdam glänzt mit nur gut acht Prozent Smartphone-Nutzern im Straßenverkehr.
Drastische Szenen
"Unsere Erhebungs-Teams berichteten teils von extremen einzelnen Ablenkungs-Situationen", so DEKRA Vorstand Klinke. "Was immer wieder beobachtet wurde, waren Gruppen von jungen Menschen, die gemeinsam in ein Smartphone schauten, während sie die Straße überquerten. In einem Fall kollidierte sogar die ganze Gruppe mit einem Fahrradfahrer."
Weitere Beispiele: Eine Frau schiebt einen Kinderwagen über den Fußgänger-Überweg an einer Ampelanlage - dabei tippt sie auf ihrem Smartphone, ohne beim weiteren Überqueren auf die Ampel zu achten. Ein Mann schiebt einen Kinderwagen, hat ein Kleinkind an der Hand und überquert die Straße - während er sein Smartphone zwischen Schulter und Ohr eingeklemmt hat. Eine telefonierende Frau rennt - ohne sich umzuschauen - über die Straße, um die Straßenbahn noch zu erreichen.
"Besonders eindrücklich war auch eine Szene in Stockholm: Ein junges Mädchen bleibt mitten auf der Straße stehen, holt ihr Handy heraus und beginnt zu tippen. Erst als ein Busfahrer hupt, wird ihr klar, wo sie steht, und sie geht weiter", berichtet Klinke. "Solche und ähnliche Situationen haben die Teams unserer Unfallforschung bei der Erhebung immer wieder beobachtet."
Die Empfehlung der Verkehrsexperten ist angesichts dieser Szenen eindeutig: "Wenn Sie als Fußgänger im Straßenverkehr unterwegs sind, sollten Sie Ihre Aufmerksamkeit ungeteilt auf den Verkehr richten - im Interesse Ihrer eigenen Sicherheit", so Klinke. "Denn gerade als ungeschützter Verkehrsteilnehmer sind Sie bei einem Unfall überdurchschnittlich stark gefährdet. Und die Ablenkung durch die Nutzung des Smartphones ist auf keinen Fall zu unterschätzen."
Der Blick in die Unfallstatistik zeigt: Immerhin 22 Prozent aller Verkehrstoten in der EU sind Fußgänger. Und etwa jeder zehnte Todesfall auf deutschen Straßen wird durch falsches Verhalten von Fußgängern verursacht. In etwa der Hälfte dieser Fälle besteht das Fehlverhalten von Fußgängern darin, dass sie nicht auf den Fahrzeugverkehr achten.