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Hans Christian Ørsted: Ein Experiment revolutioniert die Elektrizitätslehre
Die verräterische Kompassnadel
Der dänische Physiker, Chemiker und Philosoph Hans Christian Ørsted lebte von 1777 bis 1851. Als Professor lehrte er Physik in Kopenhagen, wo er selbst studiert hatte. Im Jahr 1820 plante er bei einer seiner Vorlesungen, seinen Studenten ein Experiment vorzuführen. Dafür schloss er während der Vorlesung einen Draht an eine Batterie an. Während er auf das Glühen des Drahts wartete, sah er, wie sich eine Kompassnadel plötzlich bewegte, die sich unweit des Drahts befand. Sie neigte zum stromdurchflossenen Draht hin.
Aber warum? Ein Magnet oder potenziell magnetisches Metallstück war nicht in der Nähe, so dass dieser als Ursache ausschied. Der einzige mögliche Einflussfaktor war der stromdurchflossene Draht. Eine andere Ursache für die Bewegung der Nadel war nahezu ausgeschlossen. Ørsted schloss daraus, dass möglicherweise der Stromkreis die Kompassnadel beeinflusste.
Strom erzeugt ein Magnetfeld
Um sicher zu gehen, wiederholte der Physiker das simple Experiment. Und tatsächlich: Immer wieder bewegte sich die Kompassnadel, wenn er den Stromkreis schloss. Sobald er den Strom ausschaltete, drehte sich die Nadel wieder zurück in ihre ursprüngliche Richtung. Zudem stellte Ørsted fest, dass die Kompassnadel umso stärker ausschlug, je größer der Stromfluss durch das Kabel war. Interessant auch: Kehrte der Physiker die Polung seines Stromkreises um, schlug die Nadel in die entgegengesetzte Seite aus.
Damit hatte Ørsted experimentell nachgewiesen, dass Elektrizität ein Magnetfeld erzeugen kann. Elektrizität und Magnetismus sind demnach verknüpft. Die Idee, dass zwischen beiden ein Zusammenhang besteht, war zwar damals nicht neu. Aber frühere Arbeiten dazu waren weitgehend ignoriert worden oder nach kurzer Zeit wieder in Vergessenheit geraten. Erst Ørsteds Veröffentlichung und seine Ausführungen dazu, welche praktische Bedeutung diese Verbindung von Elektrizität und Magnetismus haben könnte, sorgten für den Durchbruch.
Meilenstein der Elektrizitätslehre
Ørsted wurde zum Pionier der Elektrizitätslehre und Elektrotechnik. Von nun an lernten die Schüler, dass der elektrische Strom neben Lichtwirkung und Wärme auch ein Magnetfeld erzeugen kann. Der englische Physiker Michael Faraday baute auf den Erkenntnissen des dänischen Forschers auf, indem er das Experiment einfach umkehrte: Er erzeugte durch ein Magnetfeld Strom. Im Jahr 1832 konnte so die elektromagnetische Induktion nachgewiesen werden.
1864 formulierte dann James Clerk Maxwell den Zusammenhang zwischen Elektrizität und Magnetismus in seinen heute als Maxwellgleichungen bekannten Formeln. Zu Ehren des Pioniers Hans Christian Ørsted, der die Entwicklung angestoßen hatte, wurde später immerhin die Einheit für die magnetische Feldstärke nach ihm benannt (abgekürzt mit Oe).
Denkweise als Philosoph
Die Entdeckung der Magnetwirkung des elektrischen Stroms während Ørsteds Vorlesung war aber wahrscheinlich doch nicht so zufällig, wie es scheint. Denn bereits seit 1807 soll sich der Physiker für den Zusammenhang zwischen Elektrizität und Magnetismus interessiert haben. Dabei kam ihm seine Haltung als Philosoph zugute. Denn er gehörte der Denkschule des Holismus an, demzufolge alle Erscheinungen der Natur und des Lebens ganzheitlich betrachtet werden sollten. Die Annahme, dass Naturerscheinungen ein Ausdruck übergeordnete Gesetze und Prinzipien sind, liegt also nahe.
Ein Zusammenhang zwischen Magnetismus und Elektrizität erschien Ørsted daher vermutlich schon vor 1820 nicht abwegig. Aber es brauchte die Vorlesung im Sommer 1820, um die Magnetwirkung des elektrischen Stroms zu untersuchen und einwandfrei nachzuweisen. Das ist das Verdienst von Hans Christian Ørsted.