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Alexander von Humboldt – der letzte Universalgelehrte
Naturforscher, Weltreisender, Kulturwissenschaftler - auf Alexander von Humboldt passen wohl all diese Beschreibungen. Zeit seines Lebens widmete er sich der Erforschung der unterschiedlichsten Phänomene. Er maß Luft- und Wassertemperatur, untersuchte Vulkane, skizzierte Tiere, beschrieb das Verhalten ganzer Völker, sammelte Pflanzen und bestieg die höchsten Berge.
Die Geschichte dieses wahrscheinlich berühmtesten Universalgelehrten Deutschlands beginnt in Berlin: Alexander von Humboldt wird am 14. September 1769 als Sohn einer französischen Mutter und eines preußischen Kammerherrn geboren. Bei seinen wohlhabenden Eltern genießt er eine gute Bildung und wächst von klein auf zweisprachig auf. Dabei erwachen bei dem Jungen schon früh das Interesse an tropischen Pflanzen und die Sehnsucht nach fernen Welten. Neugierig fragt er sich, was in der Fremde auf ihn wartet.
In die weite Welt hinaus
Doch diese Neugier bleibt zunächst unbefriedigt. Denn auf Wunsch seiner Mutter beginnt Humboldt 1787 ein Studium für Staatswirtschaftslehre an der Viadrina in Frankfurt. Schon nach einem Semester verlässt er die Universität allerdings wieder und widmet sich in Berlin und Göttingen stattdessen seinen wahren Interessen: Studien der Botanik, Chemie, Physik und anderen Naturwissenschaften. Erst später, in Hamburg, setzt er seine Ausbildung in Wirtschaftswissenschaften doch noch fort.
Ein Wendepunkt wird die Begegnung mit Georg Foster - jenem Mann, der James Cook auf seiner zweiten Weltreise begleitet hat. Humboldt lässt sich sofort vom Entdeckergeist Fosters anstecken und unternimmt mit ihm eine Reise nach England. Die nachhaltigsten Eindrücke sammelt er dabei auf dem Rückweg durch das revolutionäre Paris. Freiheit und Gleichheit - diese zwei Gedanken werden Humboldt für den Rest seines Lebens bei seinen Reisen und Begegnungen begleiten.
Karriere im Staatsdienst
Humboldt macht nach Beendigung seines Studiums zunächst Karriere im Staatsdienst und wird unter Tage als Bergmeister angestellt. Auch dort kann er von der Forschung nicht lassen: Er entdeckt und untersucht die sogenannten kryptogamischen Pflanzen, die ohne Licht in der Grube wachsen. Damit wird er zum Begründer der Höhlenbotanik. Als seine Mutter 1796 stirbt, verlässt Humboldt den Staatsdienst: Das Erbe macht ihn finanziell unabhängig, er will sich nun ganz der Forschung widmen.
Die Kombination von Reisen und Forschen stellt für Humboldt eine ideale Verbindung dar: Nach einem Studium der Anatomie in Jena zieht es den vielseitig Interessierten wieder nach Paris, damals die Hauptstadt der Wissenschaften. Dort lernt er auch den späteren Begleiter seiner ersten großen Expedition kennen, den Arzt und Botaniker Aimé Bonpland.
Reise nach Südamerika
Am 5. Juni 1799 brechen Alexander von Humboldt und Aimé Bonpland in Richtung Südamerika in See. Mit im Gepäck: Messinstrumente, Nachschlagewerke und persönliche Vorstudien. In den folgenden Jahren wird Humboldt bis dato unbekannte Pflanzen und Tiere zeichnen, die Elektrizität von Zitteraalen untersuchen, hydrologische Messungen am Orinoco-Strom durchführen, das Lianen-Gift Curare am eigenen Leib testen und vieles mehr.
Im Januar 1802 bricht das Reisgespann nach Ecuador auf. "Die hohen schneebedeckten Gipfel, die tätigen Vulkane und schrecklichen Erdbeben, ihre Vegetation und die Sitten ihrer Bewohner machen die Gegend zu der interessantesten der Welt", schreibt der Forscher in einem Brief an seinen Bruder. Es sind vor allem die Vulkane, denen der Naturforscher in Ecuador einen Großteil seiner Zeit widmet. Unter anderem besteigt er mehrmals den Chimborazo, der mit seinen 6.310 Metern damals als höchster Berg der Welt gilt.
Dabei zeichnet Humboldt detailliert auf, welche Pflanzen auf welcher Höhe und unter welchen Bedingungen wachsen. Seine Beobachtungen führen zu der berühmten Abbildung "Naturgemälde der Anden", das die Vegetationsstufen im Andengebirge zeigt. Viele Schüler kennen solche Abbildungen heute aus dem Erdkundeunterricht. Sie zeigen die Höhenstufen des Gebirges - für die Anden gehen sie auf Humboldt zurück.
Die zweite große Expedition
Die zweite große Expedition seines Lebens führt Alexander von Humboldt nach Zentralasien: Anders als bei seiner Südamerika-Reise ist er jedoch nicht als freier Forscher unterwegs, sondern im Auftrag der russischen Regierung. Gemeinsam mit dem Mineralogen Gustav Rose und dem Mediziner und Zoologen Christian Gottfried Ehrenberg reist der mittlerweile 60-Jährige von Moskau, über den Ural bis an die chinesische Grenze.
Auf Wunsch des Zaren sucht Humboldt im Ural vor allem nach Diamantenvorkommen. Seine landschaftlichen Beobachtungen und Gesteinsanalysen führen 1829 in der Goldmine Krestowosdwischenskoje im Gebiet Perm zum ersten Diamantenfund außerhalb der Tropen. Gleichzeitig stellt Humboldt in Asien Untersuchungen zu Erdmagnetismus und Klima an.
Ein Pionier auf vielen Gebieten
Zwar sind viele seiner wissenschaftlichen Einzelbeobachtungen im Laufe der Jahre von anderen Forschern korrigiert worden. Trotzdem hat Alexander von Humboldt durch sein Wirken Pionierarbeit in zahlreichen Wissenschaftsbereichen geleistet: Allein in der Botanik bestimmte er über 6.000 zuvor unbekannte Pflanzen und auch die Zoologie verdankt ihm einige neue Arten.
Als Entdecker tilgte er mehr als einen weißen Fleck auf der Landkarte und gemeinsam mit Carl Friedrich Gauß legte er den Grundstein für dessen Koordinatensystem. Auch zur modernen Vulkanismus-Forschung, der Meteorologie und der Klimatologie trug der Forscher maßgeblich bei. So gehen beispielsweise die von Wetterkarten bekannten Isothermen auf ihn zurück.
Natur und Kultur im Wechselspiel
Doch es waren nicht nur die Natur und ihre Gesetzmäßigkeiten, die Humboldt faszinierten. Von Anfang an bezog er in seine Überlegungen immer auch den Menschen und seine Kulturen mit ein. Die Erde war für den Forscher eine Summe aus den Wechselspielen zwischen Mensch und Natur. Er hatte damit eine Auffassung von Ökologie, die ihrer Zeit weit voraus war.
Auf seinen Reisen untersucht der Forscher zum Beispiel die Kulturen der Indianerstämme, erforscht wie die Menschen in Ecuador mit der ständigen Bedrohung durch die Vulkane leben und beäugt kritisch, wie Sklaven in Kuba Zuckerrohr und Tabak anbauen. "Alle sind gleichmäßig zur Freiheit bestimmt", schreibt er in seinen Aufzeichnungen.
Ein Brückenbauer
Durch seine weltoffene Art gelingt es Humboldt, die Kommunikation zwischen fremden Kulturen zu fördern und Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen miteinander zu vernetzen. Als Wissenschaftler sieht er sich zudem in der Verantwortung, die Öffentlichkeit auf komplexe Probleme aufmerksam zu machen. Dabei setzt er sich unter anderem für den öffentlichen Zugang von Bildung für die Bürger aller Stände ein.
Alexander von Humboldt stirbt am 6. Mai 1859 in seiner Wohnung in Berlin. Bis zuletzt arbeitet er an seinem Lebenswerk, dem "Kosmos", in dem er alles vereinen will: das gesamte Wissen über die Welt und ihre komplexen Zusammenhänge. Dem vom König angeordneten Staatsbegräbnis folgen tausende von Politikern, Wissenschaftlern, Studenten und Bürgern. In diesem Jahr hätte der Universalgelehrte seinen 250. Geburtstag gefeiert.