Der Tiger war einst der unangefochtene Herrscher Asiens: Sein Reich erstreckte sich von Anatolien bis nach Südostasien. Heute jedoch kämpft die größte Raubkatze der Erde ums Überleben. Tiger werden gejagt als Lieferanten für Potenzmittel, verdrängt durch Siedlungen und Felder und als Menschenfresser getötet. Ihre Zahl schrumpft immer weiter. Der Tag des Tigers am 29. Juli soll den Überlebenskampf der letzten Tiger der Erde in Erinnerung bringen.
Der Tiger ist die Raubkatze, die fast jedes kleine Kind schon kennt. Denn seine Fellzeichnung ist auffällig und einzigartig: Keine andere Großkatze hat so ausgeprägte Streifen wie er – und das noch dazu in vielfältigsten Farbschattierungen: Das Spektrum reicht vom den hellen, braun oder grau gestreiften Bengaltigern über die berühmtem Weißen Tiger mit fast schwarzen Streifen auf weißlichem Fell bis zu den dunkel goldbraun gefärbten Tigern Indonesiens.
Aber eindrucksvoll ist der Tiger auch durch seine Größe: Mit Schwanz wird er bis zu drei Meter lang, seine Schulterhöhe kann bis zu gut einen Meter erreichen. Er ist damit die größte lebende Katze der Erde. Trotz seines großen Gewichts von bis zu 250 Kilogramm aber wirkt dieses Raubtier keineswegs plump, wohl aber muskulös und durchaus Achtung gebietend.
Großer Jäger mit großem Gehirn
Und selbst das Gehirn des Tigers ist ungewöhnlich groß: Forscher haben erst vor kurzen herausgefunden, dass er in puncto Denkorgan Löwen, Leoparden und Jaguare deutlich übertrifft – selbst wenn man die unterschiedliche Körpergröße mit berücksichtigt. Durchschnittlich um 16 Prozent ist das Tigergehirn größer. Erstaunlich ist dies auch deshalb, weil man bis dahin glaubte, dass sozial lebende Tiere per se ein größeres Gehirn besitzen. Denn, so die Theorie, die komplexen Interaktionen innerhalb eines Rudels stellt deutlich größere Anforderungen an die Gehirnleistung als das Umherstreifen als Einzeltier.
Der Tiger aber widerlegt diese Theorie: Er ist im Gegensatz zum Löwen ausgeprägter Einzelgänger, und jagt auch seine Beute allein. Meist lauert die Raubkatze im Gebüsch oder Unterholz auf ihre Beute. Er erlegt vor allem Hirscharten und Wildschweine, aber gelegentlich auch Elche und Nutztiere wie Rinder, Wasserbüffel oder Schafe. Kommt ihm dabei ein Hund in die Quere, greift er auch diesen an.
Jagdtrophäe, Potenzmittel und Opfer der Verdrängung
Seine eindrucksvolle Gestalt und sein Appetit auf Nutztiere aber wird dem König des Dschungels immer mehr zum Verhängnis. Denn schon seit Jahrhunderten wird er vom Menschen gejagt. Seine Felle waren als Trophäen beliebt, seine Klauen und seine Genitalien gelten als Potenzmittel und seine Knochen gelten als Allheilmittel. Noch heute sorgen Wilderer dafür, dass immer wieder Tiger trotz ihres geschützten Status getötet und ihre Überreste nach China und in andere Länder verschoben werden.
Die größte Gefahr für den einstigen König des Dschungels aber ist der Verlust seines Lebensraums: Durch Abholzung, Landwirtschaft und Verstädterung hat er heute bereits 93 Prozent seiner einstigen Habitate verloren. Auch der Klimawandel trägt dazu bei, dem Tiger die letzten Rückzugsgebiete zu nehmen. So lebt eine der größten noch existierenden Tigerpopulationen in den Sundurban-Mangrovenwäldern Indiens und Bangladeschs. Doch der steigende Meeresspiegel sorgt hier immer häufiger für Überschwemmungen. In vielen Gebieten dringt zudem der Mensch immer weiter in die Territorien der Tiger ein – und die Raubkatze zieht dabei meist den Kürzeren. Denn wehrt er sich oder greift – in die Enge gedrängt – Menschen oder Nutztiere an, wird er als Menschenfresser oder "Problemfall" gejagt und getötet.
In fünf Jahren komplett ausgestorben?
Kein Wunder also, dass die Zahl der wilden Tiger immer weiter schwindet: Vor 100 Jahren gab es noch rund 100.000 dieser Raubkatzen in Asien. Heute sind es gerade einmal 3.000 – Tendenz weiter fallend. Drei Tigerarten sind bereits ausgestorben: Der Balitiger wurde in den 1940er Jahren ausgerottet - als Folge von Jagd und Habitatzerstörung. In den 1970er Jahren verschwanden der Javatiger und der Kaspische Tiger.
Der internationale Tag des Tigers soll auf die Bedrohung der größten Raubkatze der Erde aufmerksam machen. Experten warnen: Wenn nichts unternommen wird, könnte der Tiger in fünf Jahren komplett ausgestorben sein. Schon jetzt gibt es mehr Tiger in Zoos und Wildparks als in freier Wildbahn.
Immerhin gibt es aber auch einige positive Beispiele: In Thailands Wildschutzgebiet Huai Kha Khaeng haben scharfe Kontrollen gegen Wilderer dafür gesorgt, dass sich der Tigerbestand in den letzten 20 Jahren verdreifacht hat. Und in Nepal schützen lokale Anti-Wilderer-Patrouillen dafür, dass weder die Raubkatzen selbst noch ihre Beute illegal abgeschossen werden. Auch dort hat sich der Bestand seither erholt. Aber: Diese Schutzbemühungen reichen bisher nicht aus, um den Gesamtbestand der Tiger zu erhalten. Seit dem letzten Jahr hat die Zahl der Tiger noch einmal um 200 Tiere abgenommen.
Offizielle Website des International Tiger Day