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Karol Wojtyla – Kindheit in der Provinz

Als drittes Kind einer Soldatenfamilie wird Karol Wojtyla am 18. Mai 1920 in der polnischen Kleinstadt Wadowice geboren. Seine Jugend ist vom Sport, der Schule und der Religion geprägt, aber auch vom frühen Tod seiner geliebten Mutter Emilia und seines Bruders Edmund.

Chronik Bildbiografie Papst Johannes Paul II.

Familie Wojtyla

Schon von weitem kann man den kleinen schwarzen Zwiebelturm der Basilika sehen, einer Pfarrkirche, deren Ursprung in das 14. Jahrhundert zurückgeht. Sie ist der Mittelpunkt von Wadowice, einem polnischen Ort etwa 40 Kilometer südwestlich von Krakau. Im Jahr 1920 leben hier rund 8000 Katholiken und 2000 Juden einträchtig nebeneinander. Die Bewohner sind kleine Geschäftsleute, Anwälte, Händler, Bauern und Beamte der örtlichen Provinzverwaltung. Man verdient sein Geld auf den Feldern und Höfen oder in den kleinen Fabriken in der Stadt. Hier werden Zwieback und Stahlteile hergestellt. Es gibt eine Druckerei, eine dampfbetriebene Sägemühle, eine Papiermühle und eine Fabrik, die mit Hilfe von Schwefelsäure aus Tierknochen Dünger produziert. Auf den holperigen Straßen fährt nur ein halbes Dutzend Autos. Pferdekutschen und Bauern in ihrer traditionell bunten Tracht bestimmen das Ortsbild. Aber trotzdem ist Wadowice kein verschlafenes Provinzkaff, es gibt ein reges Kulturleben, man besucht Konzerte, Lesungen und Theateraufführungen.

Nachdem Polen seine Unabhängigkeit wiedergewonnen hat, ziehen die Soldaten des neuen 12. Infanterieregiments der polnischen Armee in die österreichische Kaserne im Ort ein. Die Regimentsoffiziere spielen im gesellschaftlichen Leben von Wadowice eine wichtige Rolle. Einer von ihnen ist auch Karol Wojtyla, Reserveoffizier im 56. Infanterieregiment der österreichisch-ungarischen Armee. Er lebt hier gemeinsam mit seiner Ehefrau Emilia, das Paar hat 1904 geheiratet. Am 27. August 1906 wird dann das erste Kind der Familie geboren. Ein Sohn mit Namen Edmund, den die Eltern „Mundek" nennen. Der Junge bleibt den Nachbarn als hübscher Knabe mit außergewöhnlichem Charme in Erinnerung. Er ist ein ausgezeichneter Sportler, studiert von 1924 bis 1929 an der Jagelionischen Universität in Krakau und macht dort 1930 seinen Doktor in Medizin.

Einige Jahre nach Edmund wird noch eine Tochter geboren, die nur wenige Wochen später stirbt. Weder über ihre Geburt und Taufe noch über ihren frühen Tod gibt es irgendwelche Aufzeichnungen. Sie wurde wahrscheinlich auf dem örtlichen Friedhof begraben, ganz ohne Grabstein, wie es zu dieser Zeit üblich war.

Das Ehepaar Wojtyla und ihr Sohn Edmund wohnen ab 1919 im Haus Rynekstraße 2, die Adresse heißt heute Koscielnastraße 7. Es ist ein solider Backsteinbau mit Stuckverzierung, der um einen großzügigen Innenhof herum gebaut wurde. Das bürgerliche Wohnhaus steht gleich gegenüber der Marienkirche.

Am 18. Mai 1920 wird in dieser Wohnung das dritte Kind geboren: Karol Józef Wojtyla, der später als Papst Johannes Paul II. in die Geschichte eingehen wird.

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