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Lebensbausteine aus dem All

Woher kamen die ersten Bausteine des irdischen Lebens? Könnten Biomoleküle wie DNA, Aminosäuren und Proteine vielleicht sogar aus dem Weltraum auf die Erde gelangt sein? In den letzten Jahren haben Nachweise zahlreicher organischer Verbindungen auf Kometen, in Meteoriten und sogar in interstellaren Gaswolken dieser Idee einiges an Gewicht verliehen. Doch wie könnten die Lebensbausteine im All entstanden sein? Und wie kamen sie dann auf die Erde?
Symbolbild  DNA aus dem Weltall

NASA Goddard / CI Lab, Dan Gallagher

Lange ging man davon aus, dass die wichtigsten molekularen Bausteine des Lebens in irdischen Gefilden gebildet wurden – beispielsweise an unterseeischen Schloten, hydrothermalen Tümpeln oder auch flüssigkeitsgefüllten Poren im Gestein. Dort, so glaubte man, könnten in der Frühzeit unseres Planeten geeignete Bedingungen geherrscht haben, um organische Moleküle wie DNA, Aminosäuren oder ach Bestandteile der Zellmembran zu bilden. Als diese sich dann in der "Ursuppe" zusammenfanden, entstanden daraus die ersten Zellen – und damit das erste Leben auf unserem Planeten.

Kometen und Meteoriten als Lebensbringer?

Doch inzwischen rückt ein etwas anderes Szenario in den Fokus. Nach diesem könnte der Ursprung des Lebens auf der Erde sowohl einen kosmischen als auch einen irdischen Anteil gehabt haben. Organische Moleküle, die sich im Weltraum gebildet haben und auf die Erde gelangten, könnten demnach die ersten organischen Bausteine geliefert haben, die sich dann auf der Erde weiterentwickelten und zur Entstehung der ersten Zellen führten.

Zumindest Transportmöglichkeiten vom All auf die Erde gab es in der Frühzeit unseres Planeten reichlich: Damals wurde die junge Erde von unzähligen Resten der Planetenbildung getroffen, auch Kometen aus den eisigen Außenbereichen des Sonnensystems waren darunter. Hinzu kommt, dass noch heute rund 15.000 Tonnen interplanetarer Staub pro Jahr in die Erdatmosphäre hineinregnen – immerhin rund die Hälfte davon dringt bis zur Erdoberfläche durch, wie Analysen antarktischer Schneeproben im Jahr 2021 nahelegten.

Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko, f19. September 2014
2016 fand die Raumsonde "Rosetta" in der Dunstwolke um den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko unter anderem Glyzin, die einfachste der 23 in Proteinen vorkommenden Aminosäuren. Auch die Vorläufermoleküle Methylamin und Ethylamin, die es zur Entstehung von Glyzin im Eis braucht, konnten nachgewiesen werden.

Bausteine aller drei "Zutaten" des Lebens

Kometen und Meteoriten könnten demnach einst dem Leben nachgeholfen und organische Moleküle auf die Erde gebracht haben. Doch woher kamen diese Moleküle? Erste Antworten darauf liefern Untersuchungen von Meteoriten, aber auch chemische Messdaten von Kometen: In Meteoriten haben Wissenschaftler schon mehrfach DNA-Basen nachgewiesen – die chemischen "Buchstaben" des Erbmoleküls DNA, deren Abfolge den genetischen Code bildet.

Im Eis von Kometen wiederum können unter Weltraumbedingungen auch die Zuckermoleküle entstehen, die das "Rückgrat" der DNA bilden - Ribosen und Desoxyribosen. Noch mehr organische Verbindungen hat die Raumsonde Rosetta gefunden, die vor einigen Jahren den Kometen Churyumov-Gerasimenko besucht hat. Sie wies die Aminosäure Glycin in der Gas- und Staubhülle des Kometen nach – und damit einen der Grundbausteine der zweiten wichtigen Gruppe von Lebensmolekülen, der Proteine.

Und auch eine dritte wichtige Zutat der ersten Zellen haben Wissenschaftler schon im Weltall aufgespürt: In einer interstellaren Molekülwolke wiesen sie mithilfe von spektralen Messungen die Signatur von Ethanolamin nach, einem wichtigen Bestandteil der Zellmembran. Das Molekül bildet den Kopf des einfachsten und zweithäufigsten in Zellmembranen vorkommenden Phospholipids. Damit wurden schon Moleküle aus allen drei wichtigen Klassen von Lebensbausteinen im Weltraum entdeckt: Teile der Erbinformation, der Proteine als der "Arbeitspferde" der Zelle und Bausteine der Zellmembran als Schutzhülle der ersten Lebensformen.

Interstellarer Staub als kosmisches Chemielabor

Doch wo und wie können diese Biomoleküle im Weltraum entstanden sein? In den letzten Jahren mehren sich die Hinweise darauf, dass gerade der Staub von interstellaren Wolken eine besonders produktive "Fabrik" für komplexere organische Moleküle sein könnte. Der Staub und das Gas solcher kalten Molekülwolken gelten als die Kinderstuben neuer Sterne und Planeten. Das Material in diesen Wolken stammt größtenteils aus dem verdichteten Gas, das überall im Kosmos zwischen den Sternen vorkommt. Ein Teil des Staubs wurde aber auch bei Supernovae freigesetzt – den Explosionen massereicher, alter Sterne.

Das Entscheidende jedoch: Die kosmischen Staubkörnchen sind meist von einer Eisschicht umgeben und zu winzigen Klümpchen aus Gesteinsmaterial und Eis verklebt. Gerade die Eisschichten dieser Staubklümpchen sind der Schlüssel zu chemischen Reaktionen, durch die organische Moleküle im All entstehen können. Denn an ihren Oberflächen können Wasser und Kohlenmonoxid, aber auch andere Moleküle "hängenbleiben" und in engen Kontakt miteinander kommen – eng genug, um miteinander zu reagieren. Die Eisschichten werden so zum kosmischen Chemielabor.

Tatsächlich wurden in solchen interstellaren Staubwolken bereits verschiedene komplexe organische Moleküle nachgewiesen. Zudem haben erst kürzlich Laborversuche unter nachgebildeten Weltraumbedingungen ergeben, dass auf den eisbedeckten Staubkörnchen sogar Peptide entstehen können - kurze Ketten aus mehreren Aminosäuren, die die Vorstufe für längeren Ketten der Proteine bilden.

Helfer auch für außerirdisches Leben?

Damit ist zwar nicht eindeutig bewiesen, dass die Bausteine des ersten irdischen Lebens tatsächlich "himmlischen" und vielleicht sogar interstellaren Ursprungs sind. Die bisherigen Forschungen machen es aber zumindest wahrscheinlich. Das wiederum stärkt die Vermutung, dass auf diese Weise auch andere Planeten die molekularen Grundbausteine für eine Lebensentstehung erhalten haben könnten – die Existenz von außerirdischem Leben wird damit noch wahrscheinlicher.

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