Lexikon
Klassizịsmus
[
lateinisch
]im weiteren Sinne Sammelbezeichnung für künstlerische Richtungen, die sich bewusst auf antike Vorbilder berufen. Sie sind im Allgemeinen eher durch eine idealisierende Ästhetik als durch avantgardistische Experimentierfreudigkeit oder Originalität gekennzeichnet und betonen besonders Klarheit und Formstrenge (z. B. barocker Klassizismus); im engeren Sinn Stilrichtung des ausgehenden 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.
Bildende Kunst und Architektur
Als Gegenbewegung zum Rokoko verzichtete der Klassizismus auf dessen Verspieltheit. Im Gegensatz zu den vorherigen Stilrichtungen kommt mit und seit dem Klassizismus der Kunsttheorie eine entscheidende Bedeutung zu. Das allmähliche Entstehen einer exakteren Archäologie und deren Publikation, die Aufklärung und das mit ihr einhergehende historische Bewusstsein sowie die Schriften von G. E. Lessing, J. J. Winckelmann und J.-W. von Goethe führten zu einer bis dahin unbekannten Reflexivität in Kunst und Architektur. In der Architektur dominierten an antike Tempel angelehnte, klar gegliederte Bauten mit einfachen Raumformen (J.-A. Gabriel, C. G. Langhans, F. Klenze, F. W. von Erdmannsdorff, G. Semper, J. Kornhäusel), wie sie sich in der französischen Revolutionsarchitektur vorformuliert fanden (C.-N. Ledoux). Neben den römischen wurden verstärkt auch griechische, vereinzelt zudem ägyptische Detailformen rezipiert. Häufig kam die dorische Säulenordnung (Paestum) zur Anwendung. Wie die Architektur konzentrierte sich auch die Skulptur auf eine Hauptansichtseite; Malerei und Skulptur bevorzugten die Frontalansicht und das Profil und vermieden sich überschneidende Linien. Während die Skulptur sich meist weißen Marmors bediente (A. Canova, J. G. Schadow), wandte sich die Malerei einem scharf umrissenen, akkuraten Farbauftrag mit reinen oder erdigen Farben zu (A. R. Mengs, J.-L. David). Das historische und archäologische Interesse des Klassizismus führte in der Spätphase zu einer Vermischung mit der stilgeschichtlich folgenden Romantik (K. F. Schinkel, J. A. Koch).
Literatur
im Allgemeinen jede antikisierende oder an eine klassische Literatur anknüpfende Stilrichtung. Sie ist im Unterschied zur Klassik weniger eigenschöpferisch und zeigt eine mehr epigonenhafte, systematisch-rationale Bindung an die überlieferten und als „richtig“ angesehenen Geschmacksnormen. Die formstrenge Nachahmung der antiken Dichter wurde insbesondere in der italienischen Renaissance gepflegt. In Frankreich prägte der Klassizismus die französische Klassik unter Ludwig XIV. (N. Boileau-Despréaux, J. B. Racine, P. Corneille, Molière). Von dort breitete sich der Klassizismus über ganz Europa aus und beeinflusste vor allem England (J. Dryden, A. Pope) und Deutschland. Hier umfasste er die gesamte Literatur der Aufklärung bis hin zu J. C. Gottsched und bereitete durch höchstes Formbewusstsein und Formstrenge die Klassik vor.
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