Lexikon

 

schottische Literatur

das in Schottland entstandene Schrifttum in englischer und gälischer Sprache.
In Englisch:
Eine in den in Süd-, Mittel- und Nordostschottland gesprochenen nordenglischen Dialekten abgefasste schottische Literatur ist seit dem 13. Jahrhundert nachweisbar; sie wurde mit dem 14. Jahrhundert Ausdruck des nationalen Selbstbehauptungswillens gegenüber England; erhalten sind Epen („The Bruce“ von J. Barbour) und Reimchroniken. Im 15. und 16. Jahrhundert war die englische Hofpoesie maßgeblich für die schottische Literatur, während die Tradition der Volksballade („Judas“, überliefert seit dem 13. Jahrhundert; „Eduard“; „Chevy Chase“) weiterhin Bestand hatte. D. Lindsay war mit allegorischen Moralitäten Vorläufer der Reformation. Diese begünstigte die Entfaltung einer publizistischen Prosa, hemmte aber die weitere Entwicklung der schottischen Literatur (Einführung der englischen Bibel- und Altarsprache, Vorrang der lateinischen Sprache). Durch Sammlung und Veröffentlichung älterer schottischer Lieder erreichte A. Ramsay im 18. Jahrhundert wieder größere Anteilnahme an der schottischen Literatur; mit satirischer Prosa, Verserzählungen und volksliedartigen Liedern gelangte R. Burns zu literarischen Höhen. Sentimentale, moralisierende Romane schrieb H. Mackenzie, Bauerndichter war J. Hogg, Dramatiker J. Home. Auch W. Scotts Volksliedsammlung (1802/03) bewirkte, dass die Mundartdichtung bis in die Gegenwart lebendig blieb. Gälische Tradition und vielfache Wechselbeziehungen mit England prägen die moderne schottische Literatur; zu nennen sind der Schilderer des schottischen Hochlands N. M. Gunn, der realistische Dramatiker J. Bridie und J. M. Barrie.
In Gälisch:
Im 10.13. Jahrhundert entwickelten sich der irische und der schottische Sprachzweig auseinander. Das erste gälische Dokument überhaupt ist „The Book of Deer“ (Evangelien in lateinischer und gälischer Sprache) aus der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts. Eine gälische literarische Tradition in Nordwestschottland lässt sich in die 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen („Book of the Dean of Lismore“, entstanden zwischen 1512 und 1526). Bis etwa 1710 war das Gälische die Literatursprache des schottischen Hochlands; vor allem Balladen schildern Heldenabenteuer (N. MacVurich); Zauber- und Volkslieder sammelte A. Carmichael in den „Carmina Gadelica“. Die „Fälschungen“ der Gesänge Ossians von J. Macpherson sind in die Weltliteratur eingegangen.
Im 17. Jahrhundert wandte sich die Dichtung anfangs an die gehobenen Stände, später wurde sie volkstümlich. Bedeutendster Repräsentant war der Lyriker A. Macdonald, der auch das erste gälische Wörterbuch verfasste (1741); von ihm beeinflusst war D. Macintyre, Satiriker war R. Mackay, Kirchenlieddichter D. Buchanan.
Der überwiegende Einfluss des Englischen drängte im 19. Jahrhundert die gälische Literatur zurück, nur die Lyriker W. Livingstone, E. MacLachlan, E. Maccoll und der Prosadichter N. Macleod sind von Bedeutung. Die Englisch geschriebenen romantischen Erzählungen W. Sharps (Pseudonym Fiona Macleod) zeigen noch gälische Wesensart, die schottische Dichtung wurde nun identisch mit den Dialekten der „Lowlands“. Am Ende des 20. Jahrhunderts ging mit der Wiederbelebung der gälischen Sprache auch ein Aufleben der Dichtung einher.