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Typisch Waldorf-Eltern
Waldorfschulen gehören zu den sogenannten Freien Schulen und fußen auf der Reformpädagogik ihres Gründers Rudolf Steiner. Das bedeutet unter anderem, dass in diesen Bildungseinrichtungen in der Regel keine Zensuren verteilt, handwerklich-künstlerische Fertigkeiten stark gefördert und Fächer wie Eurythmie und Bewegungskunst unterrichtet werden.
Hier lernen Kinder zwar ihre Namen zu tanzen, auf die Anforderungen unserer Leistungsgesellschaft werden sie dagegen nicht vorbereitet: So lauten die gängigen Vorurteile, mit denen sich Waldorfschüler bisweilen konfrontiert sehen. Auch über die Eltern dieser Kinder gibt es eine Reihe von Klischees - doch wie viel Wahrheit steckt darin?
Keine Besserverdiener
Engagierte Eltern sind eine tragende Säule von Waldorfschulen. Sie gründen und verwalten die Schulen und zahlen außerdem für die Bildung ihrer Kinder. Was für Menschen diese Eltern sind, haben Wissenschaftler um Lars Petersen von der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn nun erstmals in einer repräsentativen Untersuchung erforscht. Etwa 3.500 Elternteile von 117 Waldorfschulen gaben dafür bundesweit per Fragebogen Auskunft über ihre sozioökonomischen Verhältnisse sowie über Werte, Motive und Einstellungen.
Eine zentrale Erkenntnis der Auswertung: Entgegen landläufiger Meinung sind Waldorf-Eltern keine Besserverdiener. So zeigen die Ergebnisse, dass die Einkommenssituation dieser Gruppe von Eltern verglichen mit dem Bundesdurchschnitt nicht auffällig anders ist. Allerdings sind die Waldorf-Eltern überdurchschnittlich gut ausgebildet, wie die Forscher berichten.
Ehrenamtlich engagiert
Dass dieser höhere Bildungsabschluss nicht mit einem höheren Einkommen einhergeht, führt die Studienautoren zu folgendem Fazit: "Vermutlich ist ihnen eine sie erfüllende berufliche Tätigkeit wichtiger als ein hohes Einkommen." In dieses Bild passt auch ein weiteres Resultat der Untersuchung: Waldorf-Eltern engagieren sich häufiger ehrenamtlich in der Gesellschaft als der Bundesdurchschnitt. Dies spricht dafür, dass ihnen sinnstiftende Tätigkeiten mehr bedeuten als die Höhe der finanziellen Entlohnung.
Insgesamt zeichnete sich bei den Auswertungen allerdings auch ab, dass es die typischen Waldorf-Eltern gar nicht gibt. Demnach ist die Elternschaft an Waldorf-Schulen überraschend heterogen, wie Petersen berichtet. Der Studienautor formuliert eine Typologie mit fünf ganz unterschiedlichen Typen: die "Konservativen", die "Zurückhaltenden", die "Überzeugten", die "Begeisterten" und die "Fordernden".
Unterschiedliche Typen
Diese Eltern-Typen unterscheiden sich je nach Betonung unterschiedlicher Werte: Während die "Konservativen" wert auf Macht, Sicherheit, Leistung und Tradition legen und sich damit deutlich von Eltern von Schülern auf staatlichen Schulen abheben, sind den "Überzeugten" vor allem Werte wie Selbstbestimmung, Universalismus und Benevolenz wichtig. Sie sind auch die ehrenamtlich aktivsten Eltern und diejenigen, die der Anthroposophie am nächsten stehen, heißt es in der Untersuchung.