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Warum macht uns Kaffee wach?

"Don't talk to me until I've had my coffee" ist ein beliebter Spruch auf Kaffeetassen und beschreibt damit treffend unser Verhältnis zu Kaffee. Wir trinken ihn jeden Morgen, machen mit ihm gerne Pause und die meisten würden wohl unterschreiben, dass sie morgens nicht ohne Kaffee aus dem Haus kämen. Aber wie genau macht uns das schwarze Gebräu wach?
JFL, 28.01.2022

Vor der ersten Tasse Kaffee des Tages geht für viele Menschen körperlich und geistig überhaupt nichts

Gettyimages, Михаил Руденко

Der Ursprung des Kaffees ist einer Legende nach im Äthiopien des neunten Jahrhunderts zu finden: Dort bemerkte ein Hirte, dass seine Ziegen nach dem Verzehr von Steinfrüchten der Kaffeepflanze auch nachts noch wild herumsprangen und nicht müde wurden. Nachdem er sie selber probierte, erlebte auch er die stimulierende Wirkung der roten Kaffeefrüchte.

Wegen ihrer im reifen Zustand roten Farbe werden die Früchte der Kaffeepflanze auch als Kirschen bezeichnet. Im Inneren der Früchte befinden sich meist zwei Steine: Die uns bekannten Kaffeebohnen. Aber was ist nun das Geheimnis der Kaffeebohnen, die den Hirten vor tausenden von Jahren so eine Überraschung bescherten?

Koffein überwindet Blut-Hirn-Schranke

Koffein, der Wirkstoff in der Kaffeebohne, wird innerhalb einer halben Stunde von Magen und Dünndarm aufgenommen und über die Blutbahnen im Rest des Körpers verteilt. Die Blut-Hirn-Schranke – eine Barriere, die unser Gehirn vor schädlichen Stoffen und Erregern schützt – überwinden die Koffeinmoleküle dabei fast mühelos und können dort ihre stimulierende Wirkung entfalten.

Allgemein wirkt Koffein indem es die Nervenweiterleitung im Gehirn beschleunigt, was unsere Denkfähigkeit anregt und uns wacher macht. Dies funktioniert, indem das Koffein ein Molekül im Gehirn verdrängt, das uns ausbremst: den "Müdemacher" Adenosin.

Koffeinwirkung auf zellulärer Ebene

Adenosin ist eine Art Abfallprodukt das entsteht, wenn Nervenzellen im Gehirn Informationen austauschen und dabei Energie verbrauchen. Je mehr Energie das Gehirn verbraucht, desto mehr Adenosin lagert sich an spezielle Andockstellen der Nervenzellen an und signalisiert: "Hey, Energie ist gleich aufgebraucht, mach mal langsam!" 

Die Struktur der Koffeinmoleküle ähnelt stark der des Adenosins, sodass das Koffein an die Adenosin-Rezeptoren andocken und sie damit besetzen kann. Wenn sich nun aber das Koffein in Scharen anlagert, ist kein Platz mehr für den Gegenspieler und das Koffein verhindert so die drosselnde Wirkung des Adenosins auf die Nervenzellweiterleitung: Die Nervenzellen arbeiten fleißig weiter und wir werden nicht müde.

Aber das ist nicht der einzige Grund fürs Wachmachen: Bei der Bindung des Koffeinmoleküls werden außerdem Signalkaskaden aktiviert, die den Blutdruck erhöhen und den Fettstoffwechsel unseres Körpers ankurbeln.  Eine Studie von Neurowissenschaftlern der John Hopkins University in den USA konnte sogar zeigen, dass Koffein das Gedächtnis bis zu 24 Stunden nach dem Kaffeetrinken verbessern kann und damit auch einen positiven Effekt auf das Langzeitgedächtnis hat.

Bei übermäßigen Kaffeetrinkern gehts es oft weniger um den Genuss als um ein reines Bedürfnis.

GettyImages, kjekol

Es ist eine Sucht

Unser Gehirn lässt sich natürlich nicht lange veräppeln: Bei regelmäßigem Kaffeekonsum entwickeln wir tatsächlich eine gewisse Toleranz. Unsere Nervenzellen bilden einfach weitere Adenosin-Rezeptoren aus und es ist wieder genug Platz für die Adenosin-Moleküle, die den Nervenzellen signalisieren, langsamer zu arbeiten.

Wer bereits kurze Zeit nach dem Aufwachen Kopfschmerzen verspürt, die nur durch eine Tasse Kaffee verschwinden, muss sich wohl oder übel eine Kaffeesucht eingestehen: Entzugserscheinungen wie Kopfschmerzen, Erschöpfung, depressive Verstimmung und Konzentrationsstörungen können bereits zwölf Stunden nach der letzten Tasse Kaffee eintreten. Die Symptome dauern dann etwa zwei bis neun Tage an.

Kaffee – schädlich oder gesund?

Lange Zeit galt Kaffee als gesundheitsgefährdend und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte Koffein sogar noch bis 2016 als möglicherweise krebserregend ein. Doch eine Auswertung von mehr als 1.000 Studien zeigte Krebsforschenden, dass es keine ausreichenden Beweise dafür gibt, Kaffee als Krebsauslöser einzustufen. Auch der Mythos von der dehydrierenden Wirkung des Kaffees hält sich hartnäckig – ist aber längst widerlegt. Kaffee trägt stattdessen durchaus dazu bei, unseren täglichen Bedarf an Flüssigkeit zu decken.

Während Wissenschaftler früher vor Kaffeekonsum warnten, schwingt also heutzutage ein deutlich positiverer Ton mit und Kaffeesüchtige scheinen nichts mehr befürchten zu müssen.

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