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Wie gefährlich ist das Fukushima-Kühlwasser?

Seit Donnerstag, 24. August 2023, leitet Japan aufbereitetes radioaktives Wasser aus dem zerstörten Atomkraftwerk Fukushima ins Meer. Der Beginn der Aktion wurde von zahlreichen Protesten begleitet, die sich um die Gesundheit des Meeres und das Image der Region sorgen. Doch wie gefährlich ist das Kühlwasser tatsächlich? Warum wird es überhaupt abgelassen? Und sind die Fische vor Fukushimas Küste dadurch nun ungenießbar?
AMA, 28.08.2023
Inspektoren der IAEA in Fukushima
Das radioaktiv kontaminierte Kühlwasser der havarierten Reaktoren in Fukushima wird in mehr als tausend Tanks gespeichert.

Vor gut zwölf Jahren, im März 2011, erschütterte ein schweres Seebeben den Meeresboden des Pazifiks. In der Folge überrollte ein riesiger Tsunami die japanische Küste, inklusive des Atomkraftwerks Fukushima Daiichi. Durch das eindringende Meerwasser fiel das Kühlsystem der Anlage aus. Gleich in mehreren Reaktoren kam es zur Kernschmelze und zu Wasserstoffexplosionen. Dabei gelangten erhebliche Mengen radioaktiver Stoffe in die Umwelt, Menschen mussten evakuiert werden. Fukushima gilt seither neben Tschernobyl als schlimmste Nuklearkatastrophe aller Zeiten.

Kühlwasser Marsch

Mehr als ein Jahrzehnt später hat der Betreiber Tepco allerdings ein ganz anderes Problem, nämlich Platzmangel. Da die zerstörten Reaktoren all die Jahre weiter gekühlt werden mussten, haben sich mittlerweile erhebliche Mengen verstrahltes Kühlwasser angesammelt, zusätzlich genährt durch einsickerndes Regen- und Grundwasser. Aktuell sind es 1,3 Millionen Tonnen, die zurzeit in 1.000 Tanks auf dem Gelände lagern. Doch der Platz wird knapp und außerdem behindern die Tanks die endgültige Stilllegung der Atomruine.

Tepco hat sich daher dazu entschieden, das angestaute Wasser Schritt für Schritt in das angrenzende Meer abzuleiten, und tut dies seit vergangenem Donnerstag, 24. August 2023. Begleitet wurde der Start der Aktion allerdings von zahlreichen Protesten. So sorgen sich etwa die Fischer von Fukushima darum, dass unter diesen Umständen niemand mehr ihre Waren kaufen will. Anrainerstaat China, der sich von Japan übergangen fühlt, hat die Einfuhr japanischer Meeresfrüchte bereits gestoppt.

Tanklager auf dem Gelände des Atomkraftwerks Fukushima Daiichi
Tanklager auf dem Gelände des Atomkraftwerks Fukushima Daiichi.

Aktion gilt als sicher

Doch wie gefährlich ist die Ableitung des Kühlwassers unabhängig vom Imageschaden? Bevor das verstrahlte Wasser ins Meer gelangt, bereitet Tepco es zunächst mit dem Reinigungssystem ALPS (Advanced Liquid Processing System) auf. Damit lassen sich insgesamt 62 verschiedene Radionuklide herausfiltern, die somit nicht mit im Pazifik landen. Ein einziges bleibt jedoch übrig und erhitzt aktuell die Gemüter: Tritium. Dabei handelt es sich um ein radioaktives Wasserstoff-Isotop. Es von „normalem“ Wasser zu trennen, ist sehr kompliziert, aufwändig und teuer. Tepco verdünnt das Kühlwasser mit den Tritiumresten daher stattdessen mit Meerwasser und verringert so die Konzentration des Isotops.

Ein Liter abgelassenes Wasser erhält dadurch noch 1.500 Becquerel Tritium. Zum Vergleich: Laut Weltgesundheitsorganisation gilt Trinkwasser bei einer Konzentration von bis zu 10.000 Becquerel pro Liter immer noch als sicher. Wäre es nicht salzig, könnte man das Fukushima-Kühlwasser also theoretisch sogar trinken. Man würde sich damit in etwa derselben Strahlendosis aussetzen wie während einer Stunde im Flugzeug.

Hinzu kommt, dass Tritium als eines der ungefährlicheren Radionuklide gilt und natürlicherweise in Böden, Meeren und Lebewesen vorkommt – auch in uns Menschen. Allein im Pazifik befinden sich schätzungsweise 8.400 Gramm reines Tritium. Indem Fukushima nun über 30 Jahre hinweg sein angestautes Kühlwasser ableiten wird, addiert es jährlich weitere 0,06 Gramm. Die Aktion ist übrigens keineswegs ungewöhnlich. Im Grunde leiten Atomkraftwerke rund um die Uhr Tritium ins Meer, und zwar in der ganzen Welt. Allein die europäischen Anlagen Sellafield und La Hague pumpen pro Jahr das Tausendfache der aktuellen Fukushima-Mengen in den Ozean und das ohne internationalen Aufschrei.

Fische weiterhin genießbar

Aus all diesen Gründen haben sowohl die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) als auch führende Nuklearexperten der Aktion in Fukushima grünes Licht gegeben. Sie schätzen die Ableitung als so sicher ein, dass auch vor Fukushima gefangener Fisch entgegen seinem schlechten Ruf ohne Bedenken weiterhin genießbar ist. Selbst wenn er direkt durch den Ablasskanal schwimmen würde, stehen die Chancen schlecht, dass sich das Tritium in seinem Körper anreichert. Denn es verhält sich wie Wasser und wird in der Regel wieder auf direktem Wege ausgeschieden. Außerdem schwimmen die meisten Fische nicht einmal so nahe am Kanal entlang und setzen sich dadurch deutlich niedrigeren Tritium-Konzentrationen als den 1.500 Becquerel pro Liter aus.

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