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Islamischer Staat: Was wollen die Terroristen wirklich?
In einer Twitter-Meldung nach der Bombenexplosion im tunesischen Sousse am 21. November 2015 erklärte der IS Europa und allen gemäßigten Staaten Nordafrikas sogar mehr oder weniger offen den Krieg. Es hieß, die Opfer der Anschläge seien Bürger von Staaten der Koalition, "die mit dem Kalifat im Krieg steht". Was aber sind die Motive dahinter? Ist es wirklich religiöser Eifer? Oder werden diese grausamen Aktionen von politischem Machtwillen und Vergeltung getrieben?
Um das zu klären, haben Johannes Siebert von der Universität Bayreuth und seine Kollegen die Ziele des IS erstmals systematisch analysiert. Sie werteten dafür sowohl Interview mit Experten für islamistischen Terror, den Nahen Osten und den Terrorismus aus, analysierten aber auch zwölf Reden der prominentesten IS-Führungspersonen. Sie wollten dabei unter anderem herausfinden, ob und wie sich die Ziele von IS-Führung und Anhängern unterscheiden.
Erst Territorium, dann weltweiter Dschihad
Die IS-Führung verfolgt demnach strategische Ziele, die sowohl religiös als auch militärisch ausgerichtet sind. "In den Anfängen des IS standen eher die militärisch ausgerichteten Ziele im Vordergrund, die mit der Einrichtung und Kontrolle eines Kalifats zusammenhingen“, erklärt Siebert. Um diese Absicht zu verwirklichen, wollte und will die IS-Führung die bestehenden Regierungen im Irak und an der Levante eliminieren, das eigene Territorium unter Kontrolle halten und stetig ausweiten sowie die Zahl der Kämpfer und Anhänger steigern.
"Weil der IS sehr stark an der eigenen Staatlichkeit im Nahen Osten interessiert war, schien es zunächst einen klaren Unterschied zu Al-Qaida zu geben", sagt Siebert. "Denn zu den Kernzielen Al-Qaidas zählte schon immer der Angriff auf Menschen und Institutionen im Ausland." Doch in jüngster Zeit scheint sich der IS in dieser Hinsicht Al-Quaida angenähert zu haben und die religiös-dschihadistischen Züge gewinnen stärkeres Gewicht.