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Jobverlust durch Künstliche Intelligenz

In den letzten Jahren hat die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz und insbesondere der Generativen Künstlichen Intelligenz die Arbeitswelt grundlegend verändert. Von der Automatisierung einfacher Aufgaben bis hin zur Übernahme komplexer Tätigkeiten – KI hat das Potenzial, zahlreiche Jobs zu ersetzen. Doch welche Berufe sind betroffen? Wissen die Angestellten um ihr Schicksal? Und wie geht man am besten dagegen vor?
THE, 24.05.2024
Android an Bildschirmarbeitsplatz, dahinter weibliche Angestellte, die irhen Arbeitsplatz räumt

© demaerre, iStock.com

Besonders seit der Veröffentlichung des generativen Sprachmodells ChatGPT im November 2022 explodiert der KI-Markt förmlich: Von generierter Spracherkennung über künstlichen Video-Content bis zur Simulation von Stimmen, regelmäßig erreichen die Programme einen neuen Meilenstein des zuvor unmöglich geglaubten. Die Systeme erledigen all diese Aufgaben außerdem präzise und extrem schnell. Aus diesem Grund befürchten viele Angestellte, dass KI bald der bessere Arbeitnehmer sein wird – und bangen um ihren Job.

Fällt fast ein Drittel aller Jobs weg?

So sind laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens Deloitte Schweiz 43 Prozent der knapp tausend Befragten im kleinen mehrsprachigen Land besorgt, dass sie ihren Job wegen des zunehmenden Einsatzes von KI-Programmen in den kommenden fünf Jahren verlieren könnten. Besonders interessant dabei: Angestellte, die diese Programme bereits sehr stark in ihrem Berufsalltag verwenden, sind mit 69 Prozent weitaus besorgter um ihre berufliche Zukunft.

Die meisten Forscher sehen die Lage ähnlich pessimistisch – so auch die Analysten der Investmentbank Goldman Sachs. „Insgesamt deuten unsere Schätzungen darauf hin, dass ein großer Teil der Beschäftigung und Arbeit zumindest teilweise durch KI wegautomatisiert wird“, erklären der Ökonom Jan Hatzius und sein Team. „Unsere Szenarioanalyse deutet darauf hin, dass der endgültige Anteil der Arbeit, die der Automatisierung ausgesetzt ist, zwischen 15 und 35 Prozent liegen könnte.“ Eine Schätzung, die sie sogar selbst noch als konservativ beschreiben.

Doch einige wenige, wie etwa Yasmin Fahimi, die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes, halten die KI-bedingte Zukunftsangst der Angestellten für unrealistisch. „Seit vielen Jahren wird beschworen, dass uns mit der Digitalisierung die Arbeit ausgeht“, sagte gegenüber dem Handelsblatt. „Das ist offensichtlich Quatsch“. Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD aus dem Jahr 2023 stellte ebenfalls bis dato noch keine Anzeichen vom prognostizierten Jobkahlschlag wegen KI-Einsatz fest, hält dies zukünftig allerdings trotzdem für wahrscheinlich.

Schlechte Nachrichten für Administratoren und Journalisten

Besonders gefährdet seien administrative Aufgaben, wie etwa Datenverwaltung, Terminplanung oder Buchhaltung. Derartige repetitive Aufgaben lassen sich durch KI leicht wegautomatisieren, da sie auf einfachen Entscheidungsalgorithmen basieren. Das könnte sich bald ändern. „Bislang machte Automatisierung vor allem Stellen mit geringem Qualifikationsprofil und hohem Anteil an Routine-Tätigkeiten überflüssig. Doch mit ChatGPT und Co. könnte es nun vor allem die hochqualifizierten Angestellten treffen“, erklären die Forscher der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Laut einer Studie des ChatGPT-Erfinders OpenAI selbst seien künftig vor allem die Jobs von Mathematikern, Journalisten und Autoren, Webdesignern, Datenmanagern und Analysten bedroht. Der Grund: Generative KI kann eigenständig Content erstellen und schneller und effizienter als jeder Mensch komplexe Datenmengen ordnen und logische Schlüsse ziehen.

Ganz so einfach ist das aber nicht, zumindest dann nicht, wenn man dem Job-Futuromat des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vertraut. Dieser soll die Automatisierbarkeit eines Jobs prognostizieren: Trägt man in das entsprechende Suchfeld etwa „Journalist“ oder „Lehrer“ ein, spuckt der automatisierte Helfer eine Übersicht der berufsbedingten Kernaufgaben, sowie deren individuelle Automatisierbarkeit aus. Bei vielen der oben genannten Jobs wären laut Futuromat nur ein Bruchteil der Aufgabengebiete automatisierbar – wesentlich wahrscheinlicher als ein Komplettersatz scheint dementsprechend in vielen Berufen eine Unterstützung durch KI.

Über die Hälfte nutzt schon jetzt ChatGPT

Und tatsächlich nehmen viele Angestellte laut der Deloitte-Umfrage bereits die Leistungen ihrer vermeintlichen KI-Konkurrenz in Anspruch, indem sie beispielsweise eine wichtige E-Mail oder die Zusammenfassung des Geschäftsberichts von ChatGPT verfassen lassen. Von den etwa tausend Befragten nutzen offenbar sechs von zehn in ihrem Berufsalltag Generative KI-Programme. Etwa die Hälfte der digitalaffinen Arbeitnehmer nutzt dabei Textprogramme, knapp ein Viertel auch Bild- sowie Code-Programme.

Laut Marc Beierschoder von Deloitte Schweiz könnte so auch die Zukunft aussehen. „In konstruktiv gestalteten KI-Ökosystemen werden Mitarbeitende nicht einfach durch KI-Programme ersetzt. Vielmehr setzen in KI geschulte Fachkräfte ihr Wissen im beruflichen Alltag gezielt ein und tragen so die Zukunftsstrategie des Unternehmens aktiv mit“, sagt der Unternehmensberater.

Die ewige Weiterbildung und neue Jobs

Damit diese Utopie auch Wirklichkeit wird, sieht Beierschoder allerdings die Vorgesetzten in der Verantwortung. „Die Unternehmen stehen ihrerseits jedoch in der Verantwortung, den Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen von KI auf die Jobsicherheit Arbeitsplätze zu begegnen und ihre Mitarbeitenden durch Weiterbildungsmaßnahmen zu schulen“, erklärt der Unternehmensberater. Damit würden sie offene Türen einrennen, denn zumindest die Hälfte der Deloitte-Studienteilnehmer waren bereits überzeugt, dass sie die Nutzung von Generativen KI-Programmen erlernen müssen.

Derartige Weiterbildungen öffnen unterschiedliche mögliche Job-Pfade für die Teilnehmenden: Zum einen könnten Mitarbeiter ihre Fähigkeiten, mit Generativer KI umzugehen, erweitern und so ihren Aufgabenschwerpunkt im Unternehmen verschieben. Zum anderen existieren weiterhin nicht automatisierbare Jobs, in denen schon lange Fachkräftemangel herrscht, etwa im Handwerk oder im sozialen Sektor. Menschen, die ihre Jobs verlieren, können dann durch Weiterbildungsprogramme neue Fähigkeiten erwerben und in andere Branchen wechseln.

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