Lexikon
Ägypten
Der politische Umsturz 2011 und die Folgen
Proteste und Massendemonstrationen gegen das Regime lösten im Januar 2011 eine schwere innenpolitische Krise aus. Mubarak bildete die Regierung um und ernannte mit Omar Suleiman (* 1936), dem Chef des Geheimdienstes, erstmals während seiner Amtszeit einen Vizepräsidenten. Trotzdem gingen die Unruhen weiter. Dabei wurde der Kairoer Tahrir-Platz zum zentralen Protestort der Demokratiebewegung. Über 800 Menschen kamen bei den Anti-Mubarak-Protesten ums Leben. Am 11. 2. 2011 trat Mubarak schließlich zurück. Seine Amtsgeschäfte übernahm ein Oberster Militärrat unter Führung von Mohammed Hussein Tantawi (* 1935). Dieser setzte die Verfassung außer Kraft und löste das Parlament auf, um die Grundlagen für Neuwahlen zu schaffen. Essam Sharaf (* 1952) wurde mit Zustimmung der Opposition zum Interimsregierungschef ernannt. Am 19. 3. 2011 stimmte die Bevölkerung in einem Referendum einer Verfassungsrevision zu. Mubarak und zwei seiner Söhne wurden am 13. 4. 2011 u. a. wegen Machtmissbrauchs und der Verantwortung für den Tod von Demonstranten in Untersuchungshaft genommen. Blutige Auseinandersetzungen zwischen Kopten, radikalen Muslimen und Sicherheitskräften im Oktober 2011 in Assuan belasteten die innenpolitische Entwicklung. Am 18. 11. 2011 kam es auf dem Tahrir-Platz in Kairo sowie in andereren ägyptischen Städten zu Massendemonstrationen gegen den herrschenden Obersten Militärrat. Bei blutigen Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften verloren in mindestens 33 Menschen ihr Leben. Als Reaktion auf die Unruhen wurde am 7. 12. 2011 eine neue Regierung unter Führung von Kamal Ahmad al-Ganzuri (* 1933), der bereits 1996–99 Ministerpräsident war, ernannt. Trotz der krisenhaften Umstände fanden im Dezember/Januar 2011/12 Wahlen zur Volksversammlung statt, bei denen die islamistischen Kräfte mehr als Zweidrittel der Mandate gewinnen konnten. Stärkste politische Kraft wurde die mit den Muslimbrüdern verbundene Partei Freiheit und Gerechtigkeit vor der radikal-islamistischen Partei des Lichts. Aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 23./24. 5. 2012 ging mit Muhammed Mursi (* 1951) der Kandidat der Muslimbrüder als Sieger hervor. Den zweiten Platz belegte der ehemalige General und Regierungschef A. Schafiq, dessen Kandidatur auf Grund seiner Nähe zum alten Regime rechtlich und politisch umstritten blieb. Am 2. 6. 2012 wurde Mubarak wegen seiner Verantwortung für den Tod von Demonstranten zu lebenslanger Haft verurteilt. Am 14. 6. 2012 erklärte das Verfassungsgericht das Gesetz zur Parlamentswahl in Teilen für ungültig und damit die Zusammensetzung der Volksvertretung für illegal. Gleichzeitig bestätigten die Richter die Rechtmäßigkeit der Kandidatur Schafiqs. Der Oberste Militärrat löste daraufhin das Parlament auf und übernahm die Gesetzgebungshoheit. In der Stichwahl um das Präsidentenamt am 16./17. 6. 2012 konnte sich M. Mursi mit 51,7 % der Stimmen knapp gegen Schafiq behaupten.
Im Vorfeld der Bekanntgabe der Ergebnisse kam es zu Protestdemonstrationen gegen den Militärrat. Am 30. 6. 2012 erfolgte die Vereidigung Mursis im Präsidentenamt. Das Amt des Regierungschefs übernahm am 2. 8. 2012 Hisham Qandil (* 1962). Am 5. 8. 2012 verloren bei einem terroristischen Anschlag militanter Islamisten auf einen Sinai-Grenzposten 16 ägyptische Soldaten ihr Leben. Vor diesem Hintergrund wechselte Präsident Mursi am 12. 8. 2012 die Armeespitze aus und annullierte die im Juni 2012 vom Obersten Militärrat erlassenen Verfügungen, die die Macht des Staatsoberhauptes eingeschränkt hatten. Nach weiteren Attacken auf Sicherheitskräfte ging das ägyptisch Militär mit Kampfflugzeugen und Panzer gegen Stützpunkte der Extremisten auf der Sinai-Halbinsel vor. Am 22. 11. 2012 festigte Mursi seine Macht durch ein Verfassungsdekret, das seine Entscheidungen vor rechtlicher Anfechtung bewahrte und die von den Islamisten beherrschte Verfassungskommission, deren Legitimität von den säkularen Gruppen in Zweifel gezogen wurde, vor einer gerichtlichen Auflösung schützte. Gleichzeitig berief Mursi einen neuen Generalstaatsanwalt. Das Vorgehen des Präsidenten löste Demonstrationen und Proteste aus. Am 30. 11. 2012 verabschiedete die Verfassungskommision den Entwurf für die neue Verfassung. Nachdem die Proteste anhielten, nahm Mursi sein umstrittenes Dekret wieder zurück. Die neue Verfassung erhielt in einem Referendum am 15./22. 12. 2012 eine Zustimmung von 63,8 % der Stimmen. Gleichwohl blieb die innenpolitische Situation kritisch, der politische Widerstand gegen den Präsidenten und die mit ihm verbundene Muslimbruderschaft verstärkte sich. So sammelte die am 28. 4. 2013 gebildete Protestbewegung Tamarod (»Rebellion«) über 22 Millionen Unterschriften, um Mursi zum Rücktritt zu bewegen und damit Neuwahlen für das Präsidentenamt zu erreichen. Das Verfassungsgericht erklärte am 2. 6. 2013 die 2012 erfolgte Wahl des Schura-Rates für unrechtmäßig. Zum Jahrestag der Amtsübernahme Mursis am 30. 6. 2013 kam es in Kairo und anderen Städten zu von Gewalttaten überschatteten Massendemonstrationen, die Tote und Verletzte forderten. In Kairo wurde die Zentrale der Muslimbruderschaft verwüstet. Angesichts der Eskalation stellte Armeechef Abd al-Fattah as-Sisi (* 1954) am 1. 7. 2013 allen politischen Gruppierungen ein Ultimatum, sich zu einigen und die Krise innerhalb von 48 Stunden zu beizulegen. Nachdem der Präsident sich gegen das Ultimatum gestellt hatte, setzte ihn die Armee am 3. 7. 2013 ab. Gleichzeitig wurde die Verfassung außer Kraft gesetzt.
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