Lexikon

Europạ̈ische Union

Historische Entwicklung

Die institutionelle Entwicklung, die zur Bildung der EU führte, begann mit der 1951 von der BR Deutschland, Frankreich, Italien und den Benelux-Staaten auf Initiative des französischen Außenministers Robert Schuman (Schuman-Plan) gegründeten Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, Montanunion). In der EGKS wurde die kriegswichtige und für die allgemeine Wirtschaftsentwicklung zentrale Kohle- und Stahlproduktion einer gemeinsamen Kontrolle unter einer Hohen Behörde unterstellt. Die BR Deutschland und Frankreich demonstrierten mit der EGKS ihre Bereitschaft, gemeinsam zum Wohle Europas zu wirken und die alte Feindschaft zu überwinden.
Nach dem Scheitern der 1952 beschlossenen Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) als Rahmen für die westdeutsche Wiederbewaffnung wurden die Bemühungen um eine schnelle politische Einigung des Kontinents beendet, die in der an die EVG gekoppelten Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) zum Ausdruck kommen sollten. Die BR Deutschland und Italien traten stattdessen 1955 der NATO bei. Die sechs EGKS-Staaten beschlossen 1955 in Messina, ihre Wirtschaftsintegration zu intensivieren. Mit den 1957 unterzeichneten Römischen Verträgen wurde die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) sowie die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom; EAG) geschaffen. Der EWG-Vertrag (EWGV) bildet die Basis für die heutige, umfassende Integrationsgemeinschaft. Als zentrale ökonomische und politische Aufgaben definiert Art. 2 EWGV (Fassung von 1957), „durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, eine beständige und ausgewogene Wirtschaftsausweitung, eine größere Stabilität, eine beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und engere Beziehungen zwischen den Staaten zu fördern, die in dieser Gemeinschaft zusammengeschlossen sind“. Hierzu sollte ein freier und ungehinderter Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr gewährleistet, alle mengenmäßigen Beschränkungen der Ein- und Ausfuhr aufgehoben sowie alle Zölle abgeschafft werden. Eine gemeinsame Politik legte der Vertrag für die Bereiche Fischerei, Landwirtschaft, Wettbewerb und Verkehr fest.
Im Euratom-Vertrag vereinbarten die sechs EGKS-Mitglieder eine engere Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Die 1958 gegründete Europäische Investitionsbank (EIB) wurde zentrales Kreditinstitut der EWG. 1959 entstand mit dem Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) ein gemeinsamer entwicklungspolitischer Mechanismus, der die im Zuge der Entkolonialisierung unabhängig werdenden überseeischen Gebiete der EWG-Mitglieder unterstützen sollte. Der 1960 gegründete Europäische Sozialfonds (ESF) wurde Basis für Maßnahmen der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. 1962 folgte der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), der sich in der Folgezeit zum Finanzierungsmittel für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EWG entwickelte.
Mit dem Fusionsvertrag von 1967 wurde die EWG zusammen mit der EGKS und Euratom integrierter Bestandteil der Europäischen Gemeinschaften (EG). Bereits 1968 gelang den Mitgliedstaaten mit der Schaffung der Zollunion die Vollendung des Kernstücks des gemeinsamen Marktes ohne Binnenzölle. Mit der Errichtung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) 1970 strebten die EG-Mitglieder eine verstärkte Koordinierung der nationalen Außenpolitiken an. 1973 traten mit Großbritannien, Irland und Dänemark drei EFTA-Staaten der EG bei (der Beitritt Norwegens scheiterte an einem negativen Volksentscheid). Mit den restlichen Mitgliedern der EFTA schloss die EG Freihandelsabkommen ab, die 1977 zur vollständigen Zollfreiheit im Warenhandel führten (außer Agrargüter). Der Versuch von 1973, mit der „europäischen Währungsschlange“ feste Wechselkurse unter den EG-Mitgliedern zu fixieren, scheiterte zwar. Er bildete aber die Grundlagen für eine gemeinsame Wechselkurspolitik, die 1979 zur Schaffung des Europäischen Währungssystems (EWS) führte.
Die Staats- und Regierungschefs schufen sich 1974 mit dem Europäischen Rat ein informelles Gremium, das sich zum zentralen Entscheidungsrahmen entwickelte, zunächst aber außerhalb des EWG-Vertrags stand. Als weiteres Instrument zur Regional- und Strukturpolitik wurde 1975 der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gegründet, mit dessen Hilfe wirtschaftliche Ungleichheiten zwischen den verschiedenen EG-Regionen abgebaut werden sollten. Als Kontrollbehörde konstituierte sich 1975 der Europäische Rechnungshof.
1979 fand die erste Direktwahl zum Europäischen Parlament (EP) statt. Die Süderweiterung der EG, deren Ziel die Stabilisierung der jungen Demokratien war, erfolgte durch den Beitritt Griechenlands 1981 sowie Spaniens und Portugals 1986. Mit der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) trat 1987 die erste umfassende Änderung und Erweiterung der Römischen Verträge von 1957 in Kraft. Hauptziel war die Überwindung des integrationspolitischen Stillstands („Eurosklerose“) durch die Vollendung des Europäischen Binnenmarktes (bis zum 31. 12. 1992). Hierzu wurden das Entscheidungsverfahren im Ministerrat durch die Einschränkung des Einstimmigkeitszwangs gestrafft und die Mitwirkungsrechte des Europäischen Parlaments bei der Rechtsetzung erweitert. Neben der erstmaligen Erwähnung des Europäischen Rates und der EPZ in den Verträgen wurden diese u. a. um Zuständigkeiten für eine gemeinsame Forschungs- und Technologie- sowie die Umweltpolitik erweitert.
Mit dem am 7. 2. 1992 in Maastricht unterzeichneten Vertrag über die Europäische Union (EUV) begann „eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas“ (Art. A EUV). Im Unionsvertrag wurden sowohl allgemeine Bestimmungen für alle drei „Säulen“ der EU als auch eine Unionsbürgerschaft sowie die Weiterentwicklung der Sozialpolitik aufgenommen. Unter dem Dach des EUV erfolgte ebenfalls die vertragliche Festlegung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik („2. Säule“) sowie der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres („3. Säule“). Das Kernstück der neu geschaffenen EU bildete der erweiterte EG-Vertrag („1. Säule“), durch den die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) zur Europäischen Gemeinschaft wurde und in dem u. a. die stufenweise Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion (WWU), die Gründung einer Europäischen Zentralbank (EZB) sowie die Einführung einer Gemeinschaftswährung festgeschrieben wurden. Mit der vertraglichen Verankerung der GASP wurden die bisherigen außenpolitischen Koordinierungsanstrengungen durch die EPZ verbindlich geregelt und die Option einer weitergehenden sicherheitspolitischen Rolle der Europäer verankert. Die Schaffung der 3. Säule, in der wie in der 2. die Regierungszusammenarbeit (Einstimmigkeit) ohne wesentliche Rechte der Kommission und des Europäischen Parlaments fixiert war, sollte zu einer schrittweisen Anpassung der Justiz- und der Innenpolitik angesichts der wirtschaftlichen Freiheiten im Binnenmarkt führen. 1992 vereinbarten die EG und die EFTA die Bildung eines Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), um die Vorteile des Binnenmarktes auf die Nachbarstaaten auszuweiten. 1995 traten mit Finnland, Österreich und Schweden drei weitere EFTA-Mitglieder der EU bei (in Norwegen scheiterte der Beitritt erneut an einem Referendum; die Schweiz zog ihren Beitrittsantrag zurück).
Im 1997 unterzeichneten Vertrag von Amsterdam wurde die Möglichkeit einer „verstärkten Zusammenarbeit“ (Flexibilität) für integrationswillige Mitgliedstaaten eingeführt. Weitere institutionelle Reformen der EU führten zu einer gestärkten Position des Europäischen Parlaments im Rechtsetzungsprozess. Fragen der Asyl- und Visa-Politik sowie die Kontrolle der Außengrenzen sollten zukünftig nach dem Gemeinschaftsverfahren des EG-Vertrags entschieden werden und gingen von der 3. in die 1. Säule über. Ergänzend hierzu wurden die Schengener Abkommen aus den Jahren 1985 und 1990 über den freien Grenzverkehr in die Verträge aufgenommen. Darauf aufbauend gelang in den Folgejahren unter der Bezeichnung „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ ein weiterer Integrationsschub. Die GASP erfuhr durch das neu geschaffene Amt eines Hohen Vertreters und die Einigung über die Durchführung eigenständiger Kriseneinsätze („Petersberg-Aufgaben“) eine sichtbare Stärkung. Daran anknüpfend entwickelte sich im Jahr 1999 die Initiative für eine Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). In Amsterdam wurde auch der Stabilitäts- und Wachstumspakt angenommen, der die dauerhafte Einhaltung der Konvergenzkriterien durch die Teilnehmer an der WWU gewährleisten sollte (Überwachung der nationalen Haushaltsdisziplin; Sanktionsverfahren u. a.). 1997 schlug die Europäische Kommission im Hinblick auf die Beitrittsanträge von mittel- und osteuropäischen Reformstaaten sowie mehreren Mittelmeerländern in ihrer Agenda 2000 die Aufnahme von Verhandlungen mit Estland, Polen, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern vor. 1999 kamen in einer zweiten Gruppe Bulgarien, Lettland, Litauen, Malta, Rumänien und die Slowakei hinzu.
1998 beschloss der Europäische Rat den Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion mit 11 von 15 Staaten (Dänemark, Griechenland, Großbritannien und Schweden nahmen zunächst nicht teil) und die Einführung des Euro als gemeinsame Währung zum 1. 1. 1999. 2001 trat auch Griechenland der Eurozone bei. Am 1. 1. 2002 wurde der Euro in den 12 Teilnehmerländern zum einzig gültigen Zahlungsmittel anstelle der nationalen Währungen.
Der am 26. 2. 2001 unterzeichnete Vertrag von Nizza, in dem eine neuerliche Ausweitung der qualifizierten Mehrheitsentscheidungen im Rat gelang, schuf die institutionellen Rahmenbedingungen für die Aufnahme neuer Mitglieder nur in unzureichendem Maße. Die Berechnung der Stimmengewichte im Rat konnte nicht vereinfacht werden. Als Erfolg wurden die Erleichterung einer flexiblen Zusammenarbeit, die erneute Vertiefung der Innen- und Justizpolitik sowie die Institutionalisierung der ESVP gewertet. Trotz der fehlenden grundlegenden institutionellen Reformen traten Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern am 1. 5. 2004 der EU bei. 2007 folgten Bulgarien und Rumänien. Im Jahr 2005 begannen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und Kroatien (EU-Mitglied ab 1. 7. 2013). Weitere Beitrittskandidaten sind Makedonien (seit 2005), Island (seit 2010), Montenegro (seit 2010) und Serbien (seit 2012). 2007 führte Slowenien den Euro ein, 2008 traten Malta sowie Zypern der Eurozone bei, 2009 folgte die Slowakei, 2011 Estland.
Parallel zur Endphase der Verhandlungen um die EU-Osterweiterung nahm 2002 ein Konvent zur Zukunft Europas, bestehend aus den EU-Mitgliedern und den Beitrittskandidaten, seine Arbeit auf. Ziel war die Ausarbeitung eines Vertrags über eine Verfassung für Europa, mit dem die Vertragsstruktur und Entscheidungsverfahren gestrafft, verständlicher und transparenter gemacht sowie die Handlungsfähigkeit und Effizienz der Union erhöht werden sollte. Der Konventsvorschlag, den die Staats- und Regierungschefs der EU 2004 annahmen, sah u. a. die Auflösung der Säulenstruktur zugunsten eines einheitlichen Vertragstextes, eine Neuordnung der Institutionen, die Einführung der Ämter eines Präsidenten des Europäischen Rates und eines EU-Außenministers sowie die Aufnahme der EU-Grundrechtecharta vor. 2005 sprachen sich die Bevölkerungen Frankreichs und der Niederlande in Referenden gegen den EU-Verfassungsvertrag aus, was zu einer Blockade des Reformprozesses führte. Mit der Unterzeichnung des Vertrages von Lissabon 2007 konnte diese Blockade zunächst aufgehoben werden. Die Ablehnung dieses Vertragswerkes durch die irische Bevölkerung in einem Referendum am 12. 6. 2008 stürzte die EU aber erneut in eine institutionelle Krise. Schließlich wurde 2009 in Irland ein zweites Referendum durchgeführt, in dem die Iren dem Vertrag von Lissabon mit großer Mehrheit zustimmten. Er trat am 1. 12. 2009 in Kraft.
  1. Einleitung
  2. Historische Entwicklung
  3. Organe der EU
  4. Tätigkeitsfelder
  5. EU-Perspektive
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