Lexikon

Märchen

[
mittelhochdeutsch mære, „Kunde, Erzählung“
]
eine kurze, mündlich oder schriftlich verbreitete Prosaerzählung, die von fantastischen Zuständen und Vorgängen berichtet. In einer zeitlich und räumlich nicht festgelegten Sphäre greifen übernatürliche Mächte in die Alltagswelt ein: Tiere oder Pflanzen nehmen menschenähnliche Gestalt an und können sprechen; Menschen werden zu Tieren oder Pflanzen verwandelt; Zauberer, Hexen, Riesen, Zwerge, Drachen und Feen beschützen oder gefährden den Menschen. Die einem Märchen zugrunde liegende Weltordnung ist immer einfach: Der Gute wird letztlich belohnt, der Böse bestraft. Die Gestalten des Märchens sind meist typisiert: ein König, ein Fischer, ein armes Mädchen u. Ä.
Märchenhafte Motive und Erzählformen finden sich zu allen Zeiten und in allen Regionen der Welt. Vorformen existieren etwa im Gilgamesch-Epos, in der indischen Fabelsammlung Pañcatantra (vor 500 n. Chr.) oder in der christlich-mittelalterlichen Gesta Romanorum. Die ersten Märchensammlungen stammen aus Italien (u. a. G. Basiles „Pentameron“ 16341636); zum Ende des 17. Jahrhunderts brachten besonders französische Autoren wie C. Perrault oder M. C. dAulnoy Märchenstoffe in eine verbindliche Form. Übertragungen ins Deutsche durch C. M. Wieland und J. K. A. Musäus machten die Erzählform im 18. Jahrhundert auch in Deutschland populär. Zum Gattungsbegriff wurde das Märchen jedoch erst mit der Sammlung der „Kinder- und Hausmärchen“ (1812/1814) der Brüder J. Grimm und W. Grimm.
Märchen waren ursprünglich für Erwachsene gedacht, erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts. wurden sie wegen ihrer vermeintlichen Irrationalität der Kinderliteratur zugeordnet. Die Bezeichnung Volksmärchen spiegelt die in der Romantik geprägte Annahme wider, es handele sich hierbei um „im einfachen Volk“ entstandene und nur mündlich weitergegebene Texte. Die heutige Forschung hat jedoch erwiesen, dass fast immer eine schriftliche Vermittlung zugrunde liegt, und definiert Märchen damit als eine Erzählform, deren Autor sowie Entstehungszeit und -ort unbekannt ist. Das Kunstmärchen als wichtige Gattung der Romantik übernimmt Motive und Erzähltechniken des Volksmärchens, ist jedoch das Werk eines bestimmten Dichters. Die bekanntesten Kunstmärchen schrieben L. Tieck, J. W. Goethe, C. Brentano, E. T. A. Hoffmann, W. Hauff, E. Mörike, T. Storm und H. C. Andersen. Im Kunstmärchen ist hinter der vom Volksmärchen übernommenen Naivität eine nur symbolisch angedeutete Welt- oder Kunstanschauung verborgen, die den einzelnen Figuren und Begebenheiten eine tiefere Bedeutung verleiht und die diese Gattung daher auch für das erwachsene Lesepublikum unserer Zeit attraktiv macht (A. de Saint-Exupéry).
Manche Babys müssen direkt nach der Geburt auf eine pädiatrische Intensivstation verlegt werden.
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