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Mnemotechniken - Lernen im Gedächtnispalast

Gedächtniskünstler können sich enorme Mengen an Daten merken, aber auch normale Menschen können mit ausgefeilten Lerntechniken ihr Gehirn trainieren. Dafür gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Mnemotechniken, die unterschiedliche Anreize nutzen. So hilft es beispielsweise, die Informationen, die man sich merken will, zu visualisieren und mit bestimmten Orten zu verknüpfen. Schreitet man die Orte dann im Geiste ab, kann man sich besser erinnern.
SRE, 27.02.2020

Lernen ist ein komplexer Prozess, der durch die richtigen Lerntechniken und Rahmenbedingungen unterstützt werden kann.

iStock.com, DrAfter123

Im Leben lernen wir ständig neue Dinge dazu, nicht nur in der Schule oder im Studium, sondern auch im Berufsleben und im Alltag. Einige Menschen lernen im Laufe ihres Lebens neue Fremdsprachen, andere eignen sich Wissen über Kunst und Kultur an. Wir alle müssen uns zudem ständig neue PINs und Passwörter merken. Einigen Leuten fällt dies viel leichter als anderen, aber die physischen Grundlagen des ccccsind bei allen Menschen gleich.

Informationen und Wissen werden an den Schnittstellen zwischen unseren Nervenzellen, den Synapsen, durch elektrische Reize übertragen. Der Reiz wird von Nerv zu Nerv weitergegeben und in einer Art biologischen „Schaltkreis“ gespeichert. Je häufiger diese Verschaltung genutzt wird, desto leichter erinnert man sich an das Gelernte. Mit der Zeit bauen die neuronalen Netzwerke aber ab. Um dies zu verhindern, sollte man seine grauen Zellen regelmäßig mit Denksportaufgaben beschäftigen. Das Gehirn ist wie ein Muskel, der ständig trainiert werden muss.

Gedächtnis-Weltmeisterschaften

Einige Menschen haben dieses Training so auf die Spitze getrieben, dass sie sich enorm viele Daten merken können. Sie machen sogar einen Sport daraus. Mnenotechniker, manchmal auch als Gedächtnissportler oder "Gehirnakrobaten" bezeichnet, nutzen ihr Erinnerungsvermögen im sportlichen Sinne, indem sie sich zum Beispiel möglichst viele Dezimalziffern merken.

Seit 1990 werden vom World Memory Sports Council sogar Gedächtnismeisterschaften ausgetragen. Dabei versuchen die Sportler beispielsweise, sich in einer bestimmten Zeit so viele Ziffern wie möglich zu merken. Der Rekord liegt bei 616 Dezimalziffern in fünf Minuten. Andere wiederum lernen die Reihenfolge ganzer Kartenstapel in weniger als einer Minute auswendig.

Das klingt ziemlich kompliziert, aber sich größere Informationsmengen zu merken, ist kein Hexenwerk. Man braucht nur bestimmte Mnemotechniken dafür und – zugegebenermaßen - ziemlich viel Training. Aber jede Person lernt anders, man sollte also keine Wunder erwarten. Jeder muss unter der Vielzahl an existierenden Techniken die finden, die am besten zu ihm passt. Dann aber können solche Lerntechniken auch dabei helfen, sich Vokabeln oder anderes Wissen besser zu merken.

Ursprung in der Antike

Einige der Methoden kennt man vielleicht noch aus seiner Schulzeit, wie etwa Eselsbrücken. Dabei nutzt man Assoziationen, um Informationen mit der Hilfe von Merksprüchen zu lernen. Beispielsweise lernt man die Reihenfolge der Planeten in unserem Sonnensystem am besten mit dem Merksatz: Mein Vater Erklärt Mir Jeden Sonntag Unseren Nachthimmel. Dabei steht jeder Anfangsbuchstabe des Merksatzes für einen der Planeten. Das M in Mein steht für den Merkur, das V in Vater für die Venus, und der Rest für die restlichen Planeten Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun.

Solche Merksprüche existieren seit der Antike, aus der auch die Bezeichnung „Eselsbrücke“ stammt. Esel sind angeblich sehr störrische und wasserscheue Tiere, die sich beharrlich weigern, selbst kleinste Wasserläufe zu durchwaten, da sie durch die spiegelnde Wasseroberfläche nicht sehen können, wie tief das Wasser ist. Deshalb musste man dem Esel kleine Furten bauen und dafür sorgen, dass er das Wasser nicht sah. Auf ähnliche Weise erreicht man einen Erfolg beim Lernen erst über einen Umweg in Form einer Eselsbrücke.

"The Temple of Time", 1846 von der US-amerikanischen Pädagogik-Pionierin Emma Hart Willard in Anlehnung an die Gedächtnistheater der Renaissance konzipiert, um Geschichtsdaten zu lernen.

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Die Route für Ciceros Reden

Doch nicht nur in der Mathematik, sondern auch in anderen Disziplinen verwendeten die alten Griechen und Römer ausgeklügelte Merktechniken. Eine der bekannteren Methoden, die Cicero beim Schreiben seiner Reden verwendete, ist die sogenannte Loci-Methode. Dabei werden die Informationen, die man sich merken möchte, mit bestimmten Orten verknüpft. Schreitet man die Orte dann entlang einer fiktiven Route ab, fällt es sehr viel leichter, sich an die Informationen in der entsprechenden Reihenfolge zu erinnern.

Bei der Loci-Methode und auch bei anderen Methoden ist es hilfreich, sich die Information zu visualisieren und mit einem Bild zu verknüpfen, denn Bilder merkt man sich sehr viel leichter als abstrakte Informationen. Es ist beispielsweise leichter, sich ein Bild vorzustellen als eine Zahl, aber auch andere Sinnesreize können die Nervenzellen beim Lernen anregen. Auch Cicero versah seine Reden mit starken visuellen Zusammenhängen und Schlüsselbegriffen. Indem er seine gedankliche Route abschritt, gelangte er von Schlüsselthema zu Schlüsselthema bis zum Ende seiner Rede.

Lernstoff in Geschichten einbauen

Fortgeschrittene können die Loci-Methode auch zu einer komplexeren Lerneinheit weiterentwickeln, dem sogenannten Gedächtnispalast. Auch diese Methode ist theoretisch einfach zu erlernen, denn man muss sich nur einen imaginären Palast aufbauen, indem man die verbildlichten Informationen ablegt. Indem man von einem fiktiven Zimmer ins nächste geht, ruft man seine im Palast gespeicherten Erinnerungen ab.

Daneben können auch noch weitere Reize verwendet werden, um die grauen Zellen zu aktivieren. Um sich komplexere Dinge zu merken, kann man die Assoziationsfähigkeit seines Gehirns nutzen und die Objekte, die man sich merken will, in eine Geschichte einbauen. Diese Technik funktioniert auch dann, wenn die Assoziationen nicht spontan entstehen, sondern künstlich hergestellt werden. Entscheidend ist, dass die Geschichte, mit der man sich die Fakten merken will, stimmig ist.

Bewusstes Lesen

Lerntechniken helfen aber nicht nur beim sturen Auswendiglernen von Fakten, auch die Informationsaufnahme kann man mit Techniken verbessern und sich dabei angewöhnen, Sachtexte aufmerksam zu lesen. Eine Methode dafür ist das SQ3R. Diese Abkürzung steht für das englische Survey, Question, Read, Recite, Review – also für Überblick gewinnen, Fragen, Lesen, Wiedergeben und Rückblicken.

Im ersten Schritt der Methode sollte man sich als Leser einen Gesamtüberblick verschaffen und einen groben Rahmen für die Thematik entwickeln. Anschließend fragt man sich, worum es in den einzelnen Abschnitten des Buches geht, und weckt dadurch seine Motivation, Antworten zu finden. Dann erst wird der Text gelesen und im Idealfall auch verstanden. Zusammenhänge und Schlüsselwörter sollten hervorgehoben werden. Nach jeden Abschnitt sollte dieser kurz wiedergegeben und rekapituliert werden. Am Ende ordnet man die Abschnitte rückblickend in den Gesamtrahmen ein.

Die SQ3R-Methode gilt als sehr zeitaufwendig, allerdings ist das durch verstehendes Lesen erworbene Wissen wesentlich besser im Gedächtnis verankert. Andere Methoden kosten nicht ganz so viel Zeit. Aber jeder sollte selbst ausprobieren, ob er durch Visualisierungen, Assoziationen oder die Platzierung der Informationen an fiktiven Orten besser lernen kann. Manchmal hilft auch die Kombination verschiedener Methoden wie Assoziation und Visualisierung in Form von Mind Maps. Aber am Ende gilt, dass jeder die Lernmethode finden muss, die für ihn am besten funktioniert.

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