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Warum bekriegen sich Israelis und Palästinenser?

Im Moment ist der Nahostkonflikt wieder in vollem Gange. Seitdem die radikalislamische Organisation Hamas am 7. Oktober Israel angegriffen hat, herrscht Krieg zwischen Israelis und Palästinensern. Tatsächlich entflammen zwischen beiden Parteien schon seit über 100 Jahren immer wieder Konflikte, doch für Außenstehende ist die politische Lage oft nur schwer zu durchblicken. Warum also bekriegen sich Israel und Palästina? Wer ist die Hamas? Was will sie? Und welche Bedeutung hat der Gazastreifen?
AMA, 18.10.2023
Blick auf Jerusalem
Zankapfel Jerualem: Die aktuell unter israelischer Kontrolle stehende Stadt wird von beiden Seiten beansprucht.

© Wirestock, GettyImages

Seit dem 7. Oktober 2023 herrscht in Israel Ausnahmezustand. In einem überraschenden Großangriff feuerte die radikalislamische Hamas vor über einer Woche zunächst tausende Raketen vom Gazastreifen aus in Richtung Israel und bahnte sich dann ihren Weg durch den Sicherheitszaun, der Gaza und Israel voneinander trennt. Auf der israelischen Seite angekommen, überfielen die Hamas-Terroristen zahlreiche Siedlungen und ein Musikfestival und ermordeten rund 1.300 Israelis. Mehr als 190 weitere Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Aber warum?

Flucht ins gelobte Land

Der Angriff der Hamas entspricht einer neuen Eskalationsstufe im Nahostkonflikt, einem der kompliziertesten Konflikte der Welt. Allgemein gesprochen fasst man darunter die seit Jahrzehnten andauernden Auseinandersetzungen zwischen Israel und den arabischen Staaten, vor allem den Palästinensern, zusammen. Es geht dabei um viele verschiedene Streitpunkte, darunter Religion und Wasserversorgung. Doch Kern des Problems sind meist territoriale Differenzen. Um zu verstehen, wieso das israelische Gebiet und der Gazastreifen derartige Zankäpfel sind, müssen wir jedoch zunächst etwas in der Zeit zurückreisen.

Vor über 100 Jahren lag an der Stelle des heutigen jüdischen Israel noch das arabisch-muslimische Land Palästina. Es war so groß wie Mecklenburg-Vorpommern und vor allem von arabischen Bauern und Hirten bewohnt. Doch zu Beginn des 19. Jahrhunderts bekamen diese unerwartet Gesellschaft. Denn als damals Juden in vielen Ländern der Welt verfolgt und vertrieben wurden, suchten sie Zuflucht in Palästina, dem „gelobten Land“ aus der Tora und dem Ursprung des Judentums.

Die zugewanderten Juden kauften in Palästina Land, bauten ganze Städte, gründeten Firmen, Parteien, Gewerkschaften und sogar eine eigene Armee. Vieles davon geschah vor dem Hintergrund, dass Teile der Neuankömmlinge von einem eigenen jüdischen Staat auf palästinensischem Gebiet träumten, in dem sie endlich sicher vor antisemitischen Übergriffen wären. Zwischen 1919 und 1945 stieg der Anteil der Juden an der Bevölkerung Palästinas von zehn auf 33 Prozent. Zweiter Weltkrieg und Nationalsozialismus erhöhten die Zahl jüdischer Einwanderer nochmals.

So begann der Nahostkonflikt

Zahlreiche muslimische Bewohner Palästinas litten unter der zunehmenden jüdischen Besiedlung, denn sie verloren Land und Lebensgrundlage. Immer wieder kam es daher zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen beiden Parteien. Diese wurden nochmals verschärft, als die Vereinten Nationen 1947 beschlossen, Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat zu teilen. Ersterer sollte 56 Prozent des Landes und Letzterer 44 Prozent erhalten. Mit der Aktion wollten die Vereinten Nationen den Juden nach den Gräueln des Zweiten Weltkrieg ein friedliches Flecklein Erde zusichern.

Doch das Gegenteil war der Fall. Durch den Teilungsplan entbrach ein Bürgerkrieg zwischen arabischen Palästinensern, die sich aus ihrem eigenen Land vertrieben fühlten, und Juden. Nur einen Tag nachdem am 14. Mai 1948 offiziell der jüdische Staat Israel ausgerufen wurde, marschierten arabische Truppen ein, um die Teilung zu verhindern. Unterstützung erhielten die Palästinenser dabei von Ägypten, dem Libanon, Jordanien und Syrien. Doch die israelischen Streitkräfte gewannen die Auseinandersetzung und die Teilung wurde offiziell, wobei Israel nun sogar deutlich mehr Land unter seiner Herrschaft hatte als ursprünglich von den Vereinten Nationen zugesagt.

Israelische Sperranlagen zum Westjordanland
Aufwendige Sperranlagen trennen das Westjordanland, hier ein Abschnitt bei Jersualem, und den Gazastreifen vom israelischen Territorium.

© ronib1979, GettyImages

Leben in Krieg und Terrorismus

Während des Krieges flohen viele Palästinenser in arabische Nachbarländer, sowie die den  Palästinensern zugesprochenen Gebiete Gaza und Westjordanland. Eigentlich planten sie, später wieder in ihre Heimat zurückzukehren, doch Israel verhindert dieses Vorhaben bis heute. Daher leben im Gazastreifen und Westjordanland immer noch Nachfahren der arabischen Palästinenser. Und viele von ihnen hegen den Wunsch, ihre angestammte Heimat zurückzuerobern. 1964 gründete sich daher die Palästinensische Befreiungsorganisation (kurz PLO), die damals als offizielle Vertretung des verbliebenen palästinensischen Volkes anerkannt wurde.

In den folgenden Jahrzehnten entbrannten acht arabisch-israelische Kriege, in denen unzählige Menschen starben und mehrere Gebiete den Besitzer wechselten. Zu den blutigen Auseinandersetzungen zählte etwa der Sechs-Tage-Krieg im Jahr 1964, nach dessen Ende Israel den Gazastreifen und das Westjordanland besetzt hielt. Neben offiziellen kriegerischen Akten kam es auch immer wieder zu terroristischen Handlungen palästinensischer Widerständler, in deren Folge Israel sich mit einem Schutzzaun vom Gazastreifen und dem Westjordanland abschottete.

Kann es Frieden geben?

Bisher sind alle Friedensbemühungen gescheitert. Selbst als der israelische Premierminister Jitzhak Rabin und der PLO-Vorsitzende Jassir Arafat im Jahr 1993 gemeinsam das Osloer Friedensabkommen unterzeichneten und sich versprachen, innerhalb von fünf Jahren zu einer friedlichen Konfliktlösung zu kommen, führte das nicht zu einem Ende des Konflikts. Verschärft wurde dies in neuerer Zeit dadurch, dass israelische Siedler, gefördert von der rechtskonservativen Regierung Israels, immer mehr befestigte Ortschaften im Westjordanland errichteten. Dies führt dazu, dass die Palästinenser auch dort, in dem ihnen ursprünglich zugesprochene Teil Palästinas, immer mehr an Land und Einfluss verlieren.

Zudem wird eine Zwei-Staaten-Lösung damit erschwert und nahezu unmöglich gemacht. Sie sieht vor, dass auf dem Gebiet des ehemaligen Palästina wie ursprünglich geplant zwei Staaten entstehen: ein jüdisch-israelischer und ein muslimisch-palästinensischer. Die Stadt Jerusalem, das religiöse Zentrum beider Religionen, wäre dann eine Art doppelte Hauptstadt für beide.

Der palästinensische Verdruss ist dadurch im Laufe der Zeit immer weiter gewachsen und führte 2006 schließlich dazu, dass die radikalislamische Hamas die palästinensischen Parlamentswahlen im Gazastreifen gewann. Die als terroristisch eingestufte Organisation hat das erklärte Ziel, Israel zu zerstören und an seiner Stelle wieder einen islamischen Staat Palästina errichten. Mit welchen Mitteln das gelingen soll, demonstrierte die Hamas am 7. Oktober 2023 recht eindrücklich. Vor diesem Hintergrund und vor der angesammelten „Altlast“ beider Konfliktparteien rückt eine Lösung des Konflikts – zum Beispiel in Form der Zwei-Staaten-Lösung – in immer weitere Ferne.

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