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Wie sich unser Klima verändert hat – und warum
Der neue Weltklimabericht könnte kaum zu einer passenderen Zeit kommen. Denn gerade in diesem Jahr häufen sich weltweit die Wetterextreme – schon wieder. Im Mittelmeerraum brennen großflächig die Wälder, ebenso im Westen Nordamerikas und in Sibirien. Im Westen Deutschlands mussten die Menschen vor kurzem mit ansehen, wie ihre Dörfer nach einem extremen Starkregen buchstäblich weggeschwemmt wurden, mehr als hundert Menschen starben in den Fluten.
Diese Ereignisse werfen die Frage auf: Ist das noch "normal" oder macht sich hier schon der Klimawandel bemerkbar? Genau um diese Frage und auch, welchen Anteil wir Menschen an den heute messbaren Klimaveränderungen haben, geht es im aktuellen, sechsten Weltklimabericht des Weltklimarats IPCC.
Wer steckt hinter dem Weltklimabericht?
Federführend für die Weltklimaberichte ist der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) – der Weltklimarat. Diese 1988 von der Weltwetterorganisation WMO und dem UN-Umweltprogramm UNEP gegründete Institution ist wissenschaftliches Gremium und zwischenstaatlicher Ausschuss zugleich. Der IPCC forscht nicht selbst, stattdessen ist es seine Aufgabe, das aktuelle Wissen zum Klimawandel zusammenzutragen und damit den Regierungen eine wissenschaftliche Basis für ihre klimapolitischen Entscheidungen zu liefern
Die Weltklimaberichte sind daher nicht das Werk einzelner Regierungen, Forschungseinrichtungen oder Interessengruppen, sondern beruhen auf der Arbeit von tausenden Wissenschaftlern aus der ganzen Welt. Für die Berichte werden zehntausende von Fachveröffentlichungen ausgewertet, analysiert und zusammengefasst. An einem Berichtsband arbeiten in der Regel 100 bis 250 Forschende aus verschiedendsten Ländern als Leitautoren, dazu kommen weitere Experten für spezifische Einzelfragen.
Was sagt der Bricht über unser aktuelles Klima?
"Der Klimawandel ist längst deutlich sichtbar. Wir müssen den Leuten inzwischen nicht mehr sagen, dass er existiert", sagt Petteri Taalas, Generalsekretär der Meteorological Organization WMO. Dennoch tut dies der Weltklimabericht noch einmal sehr deutlich. So bestätigt der Bericht, dass die sich die Erde im Vergleich zu den präindustriellen Werten bereits um 1,1 Grad erwärmt hat. Ab 1,5 Grad, so sagen des die Modelle der Klimaforscher voraus, bewegen wir uns in einem Bereich, ab dem die Klimafolgen in vielen Gebieten schwerwiegend und teuer werden.
Schon jetzt haben Wetterextreme signifikant zugenommen. Laut Bericht sind beispielsweise Hitze-Extreme, darunter auch Hitzewellen seit den 1950er Jahren über den meisten Landflächen häufiger und intensiver geworden. Ähnliches gilt für Starkregen-Ereignisse. Stark erhöht hat sich auch die Häufigkeit von Kombinationen gleich mehrerer Wetterextreme, beispielsweise von Hitze und Dürre, von Wetterbedingungen, die starke Brände begünstigen oder Überflutungen, so der IPCC.
Beispiellos sind laut Bericht das Ausmaß und das Tempo, mit dem sich das Klima in den letzten Jahrzehnten verändert hat. „Das Ausmaß der jüngsten Veränderungen im gesamten Klimasystem und der gegenwärtige Zustand vieler Aspekte des Klimasystems sind seit vielen Jahrhunderten bis Jahrtausenden beispiellos“, so der IPCC-Bericht. So war es zuletzt vor 125.000 Jahren so warm wie heute und der CO2-Gehalt der Atmosphäre ist aktuell höher als je zuvor in den letzten gut zwei Millionen Jahren. Das Tempo der Veränderungen ist ebenfalls seit tausenden von Jahren einzigartig.
Und wie groß ist der Einfluss des Menschen?
Dank der verfeinerten und immer besser mit Daten unterfütterten Klimamodelle lässt sich der "menschliche Fingerabdruck" im Erdklima inzwischen deutlicher ausmachen als bei früheren Weltklimaberichten. Demnach haben natürliche Klimaschwankungen nur einen Anteil von rund 0,2 Grad an den beobachteten Veränderungen, der Rest von fast einem Grad Erwärmung geht auf anthropogene Einflüsse zurück, so der IPCC. Dies wird unter anderem daran deutlich, dass die Klimamodelle den jetzigen Klimazustand nur dann korrekt nachbilden können, wenn der anthropogene Einfluss mit einbezogen wird.
Gestützt wird diese Zuordnung von besseren Belegen dafür, in welchem Maße der CO2-Gehalt der Atmosphäre die Erwärmung vorantreibt. „Jede 1.000 Gigatonnen CO2 der kumulativen CO2-Emissionen verursachen einen Anstieg der globalen Oberflächentemperaturen um 0,27 bis 0,63 Grad, im Mittel von 0,45 Grad“, heißt es im Bericht. Würde sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre verdoppeln, hätte dies eine Erwärmung um 2,5 bis vier Grad zur Folge.
Und wie sehen die Prognosen aus?
Auf den ersten Blick sieht die Zukunft eher düster aus: Dem Klimabericht zufolge ist schon jetzt klar, dass die Erwärmung bis zum Jahr 2040 in jedem Falle mindestens 1,5 Grad erreichen wird – egal wir gut und schnell unsere Klimaschutzbemühungen ab jetzt ausfallen. Das liegt unter anderem daran, dass das Klimasystem erst mit Verzögerung auf unser Handeln reagiert. So dauert es etwa fünf bis zehn Jahre, bis sich eine Reduktion der CO2-Emissionen auch im CO2-Gehalt der Atmosphäre bemerkbar macht. Erst 20 Jahre später wirkt sich dies auf die Temperaturen aus.
Andererseits zeigen die aktuellen Prognosen aber, dass die Einhaltung des 1,5 Grad-Klimaschutzziels noch nicht ganz verbaut ist. Allerdings müssen wir dafür sofort handeln: „Wir müssen, um die Begrenzung auf 1,5 Grad Erwärmung zu erreichen, bis Mitte des Jahrhunderts die CO2-Emissionen auf Netto-Null reduziert haben“, erklärt Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie, einer der Leitautoren des Weltklimaberichts. Um die Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, müsste der CO2-Ausstoß etwa bis 2070 auf Netto-Null sinken.
Netto-Null bedeutet in diesem Zusammenhang, dass zwar noch CO2 freigesetzt werden kann, dies aber an anderer Stelle, etwa durch Aufforstung von Wäldern, wieder aus der Atmosphäre entfernt werden muss. Der Bericht beziffert auch das CO2-Budget, das der Menschheit noch bleibt, wenn die Klimaschutzziele eingehalten werden sollen. Demnach dürften die Menschheit nur noch 300 Gigatonnen CO2 freisetzen, wenn das 1,5-Grad-Ziel mit 83-prozentiger Wahrscheinlichkeit eingehalten werden soll. Für das Zwei-Grad-Ziel bleiben uns noch 900 Gigatonnen CO2.
„Dieser Bericht ist ein Realitäts-Check. Wir haben nun ein weit klareres Bild des vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Klimas“, konstatiert Valérie Masson-Delmotte, eine der am Bericht beteiligten Wissenschaftlerinnen. „Das ist existenziell, um zu verstehen, wohin wir steuern, was getan werden kann und wie wir uns vorbereiten können.“