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Willy Brandt

Biografie:

Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Willy Brandt (*18.12. 1913 Lübeck, 8.10.1992 Unkel) hieß ursprünglich Herbert Ernst Karl Frahm.

Schon während der Gymnasialzeit politisch aktiv in der Sozialistischen Arbeiterjugend, der SPD und der 1931 von ihr abgesplitterten Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) emigrierte Brandt 1933 nach Norwegen, von dort 1940 nach Schweden. Er arbeitete in der Exil-SAP und als politischer Journalist (u. a. unter dem Namen Willy Brandt). Nach der Ausbürgerung durch das nationalsozialistische Deutschland 1938 war er 1940-1948 norwegischer Staatsbürger.

Nach Kriegsende kehrte Brandt als Berichterstatter skandinavischer Zeitungen nach Deutschland zurück; 1947 war er norwegischer Presseattaché in Berlin. 1948 ließ er sich wieder einbürgern (formelle Namensänderung 1949), vertrat den SPD-Parteivorstand in Berlin. Weitere Stationen: 1950-1957 Mitglied des Westberliner Abgeordnetenhauses, dessen Präsident 1955 bis 1957; 1957-1966 Regierender Bürgermeister von Berlin (West); 1958-1962 Vorsitzender der Berliner SPD; 1964-1987 Parteivorsitzender, seit 1987 Ehrenvorsitzender der SPD; 1961 und 1965 nominierte ihn die SPD zum Kanzlerkandidaten bei den Bundestagswahlen; 1966-1969 Bundesminister des Auswärtigen und Vizekanzler in der Regierung der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD im Kabinett Kurt Georg Kiesinger; 1969-1974 Bundeskanzler einer von SPD und FDP getragenen Koalitionsregierung; 1976-1992 Präsident der Sozialistischen Internationale; 1977-1979 Vorsitzender der Unabhängigen Kommission für internationale Entwicklungsfragen (Nord-Süd-Kommission).

In der Nachfolge Otto Suhrs (1955-1957) Regierender Bürgermeister von Berlin, setzte sich Brandt auf internationaler Ebene wirkungsvoll für die Freiheit der Westberliner und die Lebensfähigkeit der Stadt insbesondere nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 ein und erreichte 1963 das Passierscheinabkommen mit der DDR. Mit seiner von ihm als Außenminister vorsichtig eingeleiteten neuen Ostpolitik unter dem Motto "Wandel durch Annäherung" betrieb er im Rahmen der von ihm aktiv mitbeförderten Entspannungspolitik der Großmächte besonders die Verbesserung des Verhältnisses zu den östlichen Nachbarn (1967 diplomatische Beziehungen mit Rumänien, 1968 Wiederaufnahme der Beziehungen zu Jugoslawien).

Als Bundeskanzler intensivierte Brandt mit Unterstützung von Außenminister Walter Scheel (FDP) diese Ostpolitik (1970 Verträge mit der Sowjetunion und Polen, 1973 mit der Tschechoslowakei). Damit ermöglichte er den Abschluss des Berlin-Abkommens von 1971. Im Verhältnis zur DDR suchte Brandt ein "geregeltes Nebeneinander" herbeizuführen (1970 Treffen mit Ministerpräsident Willi Stoph in Erfurt und Kassel, 1972 Grundlagenvertrag). Für seine "Politik der Versöhnung zwischen alten Feindbildern" erhielt er 1971 als erster Deutscher nach dem 2. Weltkrieg den Friedensnobelpreis. Seine Entspannungspolitik ermöglichte das Zustandekommen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE, 1972-1974). Vorrangig außenpolitisch engagiert leitete Brandt auch mehrere gesellschaftspolitische Reformen ein, die von den Konservativen bekämpft, von der Linken als nicht ausreichend kritisiert wurden. Im Zuge der Terrorismusbekämpfung konterkarierte er mit dem Radikalenerlass gegen vermutete linke Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst seinen Anspruch, "mehr Demokratie zu wagen."

Nachdem 1972 die knappe Mehrheit der sozialliberalen Koalition durch Fraktionsaustritte von Abgeordneten verloren gegangen war, überstand Brandt das von der CDU/CSU beantragte konstruktive Misstrauensvotum und gewann in vorgezogenen Neuwahlen eine sichere Mehrheit für die Koalition.

1974 übernahm er für das Eindringen des DDR-Spions Günter Guillaume in den Kreis seiner engsten Mitarbeiter die politische Verantwortung und trat als Bundeskanzler zurück.

In der Folge näherte sich Brandt der "Friedensbewegung" und dem linken Parteiflügel. Sicherheitspolitisch geriet er in Gegensatz zu seinem Amtsnachfolger Helmut Schmidt. Unter Revision früherer Äußerungen begrüßte Brandt uneingeschränkt die Wiedervereinigung Deutschlands ("Es wächst zusammen, was zusammenwachsen muss"). Er war Alterspräsident des ersten gesamtdeutschen Bundestages.

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