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Endlich Weltkulturerbe - Corvey gelingt der Sprung aufs Treppchen
Unter dem Welterbe versteht man von der UNESCO als schutzwürdig befundene Kultur- und Naturdenkmäler, gemäß dem 1972 in Stockholm verabschiedeten "Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt". Den Anstoß zur Schaffung der Welterbe-Konvention gab der Bau des Assuan-Staudammes, als internationale Unterstützung dabei half, die vom Nil bedrohten Denkmale in Nubien für die Nachwelt zu retten.
Hindernisparcours Aufnahmeverfahren
Bewerber müssen von den Staaten, in denen sie liegen, für den Titel vorgeschlagen werden. In Deutschland erstellt die Kultusministerkonferenz eine Vorschlagsliste anhand von Nominierungen aus den Bundesländern. Die Vorschläge werden von der UNESCO dann auf Herz und Nieren geprüft.
Das Welterbekomitee der UNESCO beschließt dann auf seiner jährlichen Tagung über die Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste. Auf der diesjährigen Tagung in Doha im Golfstaat Katar hatten sich 40 Kultur- und Naturstätten aus aller Welt um einen Platz auf der Liste beworben, die nun 1.001 Stätten in 161 Ländern umfasst.
Zuckerbrot und Peitsche
Die Welterbestätten sind touristische Leuchttürme, von den sich die so Ausgezeichneten eine besondere Anziehungskraft für Gäste aus dem In- und Ausland versprechen. Allerdings ist die Aufnahme in die Liste keine Garantie für die Ewigkeit: Gefährdete Stätten landen auf einer Roten Liste. Werden sie beispielsweise stark verändert oder beschädigt kann der Titel wieder eingezogen werden. Aufsehen erregte in Deutschland der Fall der Kulturlandschaft Dresdner Elbtal, der 2009 wegen des Baus der Waldschlößchenbrücke der Titel aberkannt wurde.
Corvey: Vom Reichskloster zum Schloss
Die ehemalige Benediktinerabtei Corvey war eines der einflussreichsten Klöster im mittelalterlichen Frankenreich und wurde im Jahr 822 von Ludwig dem Frommen, Sohn von Kaiser Karl dem Großen, gegründet. Man wollte nach der Eroberung Sachsens die Christianisierung in dem neu gewonnenen Gebiet fördern und festigen. Die ersten Mönche kamen aus Corbie in Nordostfrankreich, die der Neugründung den Namen Nova Corbeia (neues Corbie) gaben. Daraus wurde im Laufe der Zeit das heute gebräuchliche Corvey. Im 10. Jahrhundert erlebte das Kloster eine Blütezeit als eines der wichtigsten politischen und geistlichen Zentren des Frankenreiches. Nachdem das Kloster lange das Zentrum eines unabhängigen kleinen Fürstentums mit dem Abt als Herrscher war, verlor der Ort im Spätmittelalter an Bedeutung und ging nach der Säkularisierung in Privatbesitz über.
Ein Westwerk, kein Turm
Von herausragender baugeschichtlicher Bedeutung ist heute vor allem das älteste und einzige fast vollständig erhaltene karolingische Westwerk der Welt. Westwerke wurden im Mittelalter als der Kirche westlich vorgesetzte, gesonderte Kirchenräume errichtet. Nach außen erscheinen sie als breiter Turm, häufig mit seitlichen Treppentürmen. Ihre Räume waren den reisenden Herrschern und ihrem Gefolge vorbehalten und dienten für die Dauer des Aufenthaltes als Kanzlei oder Gerichtsort. Von einer Empore aus, die sich zum Kirchenraum öffnete, konnten die Angehörigen des Hofes zudem aus einer erhöhten Position an den Gottesdiensten teilnehmen. Bereits unter den auf die Karolinger folgenden ottonischen Herrschern wurde der Bautyp mit anderen Fassadenformen vermischt - es entstanden keine reinen Westwerke mehr.
Barocke Zutaten und ein berühmter Bibliothekar
Die an das Westwerk anschließende Kirche ist ein Neubau aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg und zeigt eine prachtvolle Barockausstattung. Aus der Barockzeit stammen auch die schlichten Abteigebäude, die heute das Schloss bilden.
Einen Prominenten aus neuerer Zeit hat Corvey auch zu bieten: 1860 trat der Dichter des Deutschlandliedes, August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, seinen Dienst als Bibliothekar in Corvey an. Nach seinem Tode 1874 wurde er neben seiner Frau Ida auf dem Friedhof neben der Abteikirche beigesetzt.
Das Weltnaturerbe Wattenmeer ist endlich komplett
Auch für die Wattenmeerfreunde gab es frohe Kunde aus Doha. Dänemark, Deutschland und die Niederlande hatten die Erweiterung des grenzüberschreitenden Weltnaturerbes Wattenmeer beantragt. Damit rannte man offene Türen ein: Die UNESCO hatte bereits 2009, als das deutsch-niederländische Wattenmeer Welterbe wurde, einen Zusammenschluss mit dem dänischen Teil des Wattenmeeres gefordert. Mit dem neu hinzugekommenen dänischen Nationalpark Vadehavet umfasst das gesamte Welterbegebiet nun 11.500 Quadratkilometer.
Auf der deutschen Warteliste stehen jetzt noch so unterschiedliche Objekte wie die Speicherstadt in Hamburg, der Naumburger Dom und die Denkmäler und Stätten der Wikinger in Schleswig-Holstein.