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Erschöpft und gestresst im Alltag: Burn-out steigert Arbeitsstress

Das Telefon klingelt ununterbrochen, der Stapel an Formularen auf dem Schreibtisch häuft sich und ständig steht eine neue Konferenz an: Stress und Überlastung am Arbeitsplatz sind längst keine Seltenheit mehr und nehmen weltweit zu. Häufig betrachten wir den Arbeitsstress als Ursache für ein Burn-out – einen Zustand emotionaler und körperlicher Erschöpfung. Aber verschlechtert erhöhter Arbeitsstress tatsächlich unsere Belastbarkeit?
ABO, 09.11.2020

Stress und Überlastung am Arbeitsplatz sind keine Seltenheit und nehmen weltweit zu.

iStock.com, PeopleImages

Erschöpft und ausgebrannt – dieses Gefühl kennen Menschen die unter Burn-out leiden. Typisch für diesen Symptomkomplex ist ein Gefühl der ständigen Erschöpfung und Überforderung.

 „Das wichtigste Burn-out-Symptom ist tatsächlich das Gefühl, erschöpft zu sein und zwar in einem Ausmaß, das sich nicht durch die normalen Erholungsphasen am Abend, am Wochenende oder im Urlaub beheben lässt“, sagt Christian Dormann von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU).

Beeinflusst Arbeitsstress Burn-out?

Zu dieser Erschöpfung kommen häufig Depressionen, Ängste und einer verringerte Leistungsfähigkeit. Schätzungen zufolge könnten bis zu einem Drittel aller Berufstätigen zumindest an einer Vorstufe des Burn-outs leiden. Meist gilt der Arbeitsstress deshalb als eine der Hauptursachen für den Burn-out. Aber ist dies wirklich so?

Dieser Frage ist ein Forscherteam um Dormanns Kollegin Christina Guthier nun auf den Grund gegangen. Dazu werteten die Experten 48 Längsschnittstudien zu Burn-out und Arbeitsstress aus, an denen insgesamt über 26.000 Menschen teilnahmen. Dabei betrug der Altersdurchschnitt bei der Befragung knapp 42 Jahre, 44 Prozent der Probanden waren Männer. Die Studien aus den Jahren 1986 bis 2019 stammten aus verschiedenen Ländern - darunter überwiegend europäische Länder sowie Israel, die USA und Kanada, Mexiko, Südafrika, Australien, China und Taiwan.

Burn-out treibt Arbeitsstress an

Das Ergebnis: Arbeitsstress und Burn-out schaukeln sich gegenseitig hoch - so kann Arbeitsstress das Risiko eines Burn-outs erhöhen und bei vorliegendem Burn-out steigt auch der empfundene Stress bei der Arbeit. Allerdings ist der Effekt von Burn-out auf den Stress dabei weit ausgeprägter als umgekehrt. Wenn man also unter Burn-out leidet, erhöht sich das Stressempfinden am Arbeitsplatz sehr stark: „Je weiter sich Burn-out entwickelt, umso mehr Stress, wie zum Beispiel Zeitdruck, nehmen die Menschen bei der Arbeit wahr“, erklärt Dormann.

Das bedeutet auch, dass Arbeitsstress nicht zwingend die Ursache von Burn-out ist: „Burn-out kann, muss aber nicht von der Arbeitssituation angestoßen werden“, so Dormann weiter. Aber sobald der Zustand der Erschöpfung anfängt, entwickelt er sich schleichend und schaukelt sich allmählich auf. Schließlich führt Burn-out dazu, dass die Arbeit zunehmend als stressig empfunden wird: Zum Beispiel ist die Arbeitsmenge zu viel, die Zeit zu knapp und auch der Arbeitsstress zu groß. „Bei Erschöpfung nimmt die Belastbarkeit für gewöhnlich ab. Dadurch können bereits kleinere Aufgaben als deutlich anstrengender wahrgenommen werden“, erklärt Guthier.

Was hilft dagegen?

Was also tun, wenn diese emotionale und körperliche Erschöpfung das Arbeiten zusätzlich erschwert? Die Experten empfehlen Menschen,  die unter Burn-out leiden, rechtzeitig Unterstützung zu suchen: Um den Effekt, den Burn-out auf den empfundenen Arbeitsstress hat, zu mildern, können Kollegen oder der Vorgesetzte entscheidende Hilfe leisten, indem sie Arbeit abnehmen oder den Arbeitszeitraum weniger starr festlegen. Wenn die Betroffenen nämlich mehr Kontrolle über ihre eigene Arbeit haben, bearbeiten sie diese den Forschern zufolge auch weniger gestresst.

Der Kontakt zu dem Arbeitsumfeld sei dabei enorm wichtig, so Guthier. Wer zu Hause bleibt, bewirke hingegen das Gegenteil: „Das heißt, sich von der Arbeit und den damit verbundenen Personen zu entfremden und zynischer zu werden“, so die Expertin. Statt also gegen die Erschöpfung anzukämpfen, gerät man nur noch tiefer in das Gefühl der Überlastung. Eine Kur oder Psychotherapie kann hingegen in manchen Fällen helfen, um die eingefahrenen Routinen und  Lebensumstände zu verändern und wieder widerstandsfähiger zu werden.

Das neue Wissen über den starken Rückkopplungseffekt von Burn-out auf den Arbeitsstress sollte nach Ansicht der Wissenschaftler auch in Unternehmen verstärkt berücksichtigt werden: Menschen sollten zum Beispiel die Möglichkeit haben, jederzeit Rückmeldung zu ihrem Arbeitsstress zu geben und sich notfalls erholen dürfen.

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