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Flug zur Sonne: Solar Orbiter auf dem Weg zu den solaren Polen
Obwohl unsere Sonne unser Heimatstern ist, birgt sie noch viele Geheimnisse. So ist noch unklar, weshalb ihre Aktivität ausgerechnet in einem elfjährigen Zyklus schwankt. In dieser Zeit wechselt die Sonne vom solaren Maximum mit vielen Sonnenflecken, solaren Ausbrüchen und Sonnenstürmen zum Minimum mit relativ schwacher Aktivität. "Wir verstehen aber noch nicht, warum es gerade elf Jahre sind und warum einige Maxima stärker sind als andere", erklärt Holly Gilbert von der NASA.
Ebenfalls noch unbekannt ist der Mechanismus, der das solare Magnetfeld antreibt und durch den sich dieses Feld regelmäßig umkehrt. "Aber um das Weltraumwetter vorhersagen zu können, müssen wir ein möglichst akkurates Modell des Magnetfelds der Sonne haben", sagt Gilbert. "Die Pole sind in diesem Zusammenhang besonders wichtig für uns, denn sie könnten die Antworten liefern."
Doch bisherige Sonnenmissionen, darunter auch die im Sommer 2018 gestartete Raumsonde Solar Parker Probe, sehen unseren Stern nur von der Seite – sie umkreisen die Sonne auf der äquatorialen Ebene. Dadurch sind die Vorgänge an den solaren Polen für sie weitgehend unsichtbar. " Es ist quasi eine Terra incognita", sagt Daniel Müller von der europäischen Weltraumagentur ESA.
Start zur Sonne
Das wird sich nun ändern. Denn die ESA-Raumsonde Solar Orbiter soll die Sonne erstmals auf einer polaren Umlaufbahn umkreisen. Am 10. Februar 2020 um 05:03 Uhr unserer Zeit ist die Sonde in Cape Canaveral an Bord einer Atlas V Trägerrakete gestartet. Die ESA meldet, dass sich die Raumsonde seither schon erfolgreich von der Rakete getrennt und ihre Solarsegel ausgebreitet hat. Auch die Kommunikation zum Solar Orbiter ist bereits hergestellt.
Um in eine polare Umlaufbahn um die Sonne einschwenken zu können, wird der Solar Orbiter zunächst Schwung an Erde und Venus holen und sich der Sonne bis Anfang 2021 immer weiter annähern. Dann beginnt die Sonde mit Hilfe von weiteren Venus-Swing-Bys, ihre Flugbahn in elliptische, immer stärker polwärts geneigte Orbits zu wandeln. An ihrem sonnennächsten Punkt wird sie nur noch 42 Millionen Kilometer von der Sonnenoberfläche entfernt sein und in einer um 33 Grad gegen den Äquator geneigten Umlaufbahn kreisen.
"Wir werden erstmals von oben auf die Sonne herabsehen können", sagt Russell Howard vom Naval Research Laboratory in Washington DC. Damit betrete man echtes Neuland. Günther Hasinger, wissenschaftlicher Leiter der ESA, ergänzt: "Am Ende der Solar Orbiter Mission werden wir mehr über die verborgenen Kräfte wissen, die das wechselnde Verhalten der Sonne und ihren Einfluss auf unseren Heimatplaneten bestimmen."
Instrumente hinterm Hitzeschild
Für ihre wissenschaftliche Arbeit trägt der Solar Orbiter zehn Instrumente mit sich – vier davon sind sogenannte in situ-Instrumente, die den Sonnenwind und das Magnetfeld vor Ort messen. Sechs weitere Instrumente sind Fernerkundungs-Sensoren, darunter Kameras, die direkt auf die Sonne und ihre Korona blicken. "Dies wird uns beispiellose Einblicke darin geben, wie unser Heimatstern funktioniert", sagt ESA-Teammitglied Daniel Müller.
Zum Schutz vor der extremen Hitze in Sonnennähe schirmt ein Hitzeschild aus Titan mit Calciumphosphatbeschichtung die Instrumente ab. Diese spähen nur durch kleine Öffnungen in Richtung Stern oder ragen - im Falle der in-situ-Instrumente – seitwärts heraus.
"Eine Raumsonde so nah an der Sonne zu betreiben, ist eine enorme Herausforderung", sagt Sylvain Lodiot, ESA-Operationsmanager für den Solar Orbiter. "Unser Team muss sicherstellen, dass der Hitzeschild ständig genau auf die Sonne ausgerichtet ist, um Schäden durch die Sonnenstrahlung und Hitze zu vermeiden."
Teamwork mit der Solar Parker Probe
Der Solar Orbiter ist die zweite Raumsonde, die zurzeit in der Nähe der Sonne unterwegs ist. Ihre Daten sollen die Arbeit der bereits 2018 gestarteten NASA-Raumsonde Solar Parker Probe unterstützen und ergänzen. Während die Parker Probe der Sonne weit näher kommt und in die Korona eintaucht, wird der Solar Orbiter zwar weiter entfernt bleiben, dafür aber die Sonne mit mehr Instrumenten und aus seinem speziellen polaren Blickwinkel beobachten.
"In Kombination mit der NASA-Mission werden wir so nie zuvor dagewesenes Wissen über unseren Stern gewinnen", sagt Thomas Zurbuchen von der NASA.