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Interview mit Steve Foley

Steve Foley ist Mineraloge an der Universität Greifswald. Er und seine Mitarbeiter Thomas Platz und Sebastian Tappe untersuchen chemische Besonderheiten der Lava vergangener Ausbrüche des Vulkans Nyiragongo, um die Bildung der Schmelzen in etwa hundert Kilometer Tiefe im Erdmantel erklären zu können.
Der Vulkan Nyiragongo gehört zum Vulkanfeld Virunga im Dreiländereck Kongo, Uganda und Ruanda am Ostafrikanischen Graben. Er liegt etwa 15 Kilometer nördlich der Stadt Goma am Kivusee und gehört zu den gefährlichsten Feuerbergen Afrikas, wie der Ausbruch im Januar 2002 erneut bewies. 300.000 Menschen mussten vor den Lavamassen fliehen, die Goma heimsuchten. 1977 starben bei einem ähnlichen Ausbruch 2000 Menschen. Wie durch ein Wunder waren es im Januar 2002 bedeutend weniger.

Auf der Spur der Lava

UNI GREIFSWALD. PROF. STEVE FOLEY

Herr Foley, was genau untersuchen sie und Ihre Mitarbeiter?

Wir erforschen die Lavaproben mehrerer Ausbrüche aus den letzten hundert Jahren des Vulkans. Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem Museum für Zentralafrika im belgischen Tervuren analysieren wir deren chemische Zusammensetzung, die uns Auskunft über die Bildung und die physikalischen Eigenschaften der Schmelzen gibt. Damit können wir abschätzen, wie dünnflüssig die Lava war, und wie sie sich in vergangenen Ausbrüchen an der Erdoberfläche verhalten hat. Der Gehalt an flüchtigen Elementen wie Wasser und Kohlendioxid sagt zum Beispiel etwas über die Explosivität des Vulkans aus.

Was unterscheidet dünnflüssige von zäher Lava?

Die chemische Zusammensetzung. Viel Natrium und Kalium und wenig Silizium wie in der Lava des Nyiragongo bedeuten geringe Viskosität, dass heißt wenig Zähigkeit. Außerdem sind in dünnflüssiger Lava nicht so viele Kristalle oder Gasblasen vorhanden, das würde die Viskosität wieder erhöhen.

Was macht dünnflüssige Lava so gefährlich?

Sie fließt schnell und kann so Menschen überraschen. Es ist wie bei Wasser und Honig: Was wird wohl schneller den Hang herunter kommen? Die Gefährlichkeit dieser Art von Lava liegt in der Fließgeschwindigkeit, nicht in der Explosivität wie etwa bei der Lava des Mount St.Helen. Dafür enthält sie meist auch nicht so große Mengen giftiger Gase wie die zähflüssige Variante.

Waren Sie oder einer Ihrer Mitarbeiter während des Ausbruchs im Januar 2002 vor Ort?

Nein, wir haben unsere Proben bereits gesammelt. Am Tag des Ausbruchs untersuchten wir in unseren Labors gerade Gesteine des ostafrikanischen Rifts, zu denen auch der Nyiragongo gehört. Wir hatten gerade auch einen Vortrag darüber gehalten. Zwei Tage später hätte es sicherlich mehr Zuhörer gegeben!

Was interessiert den Mineralogen an einem solchen Ausbruch?

Obwohl ein einzelner Ausbruch aus geologischer und vor allem aus vulkanologischer Sicht sehr interessant ist, stellt er für uns doch nur einen Datenpunkt in der zeitlichen Entwicklung des Vulkans dar. Man muss bedenken, dass die Dauer eines Menschenlebens dem Bruchteil einer Sekunde im Leben eines Vulkans gleichkommt. Wenn Sie ein Vulkanleben mit der Länge eines Menschenlebens vergleichen, dann lebt der Mensch nur etwa drei "Vulkantage". Deshalb ist es für Menschen schwer, die zeitliche Entwicklung eines Vulkans zu verstehen. Erst mehrere Ausbrüche über lange Zeiträume hinweg betrachtet geben uns Mineralogen die Möglichkeit, den Vulkan kennen zu lernen.

USGS. AUSBRUCH DES NYIRAGONGO

Hat der Nyiragongo die Wissenschaftler überrascht?

Ja und nein. Dass eine Eruption kommen würde, war aus geologischer Sicht zu erwarten. Der Nyiragongo bricht alle zehn bis fünfzig Jahre aus. Nur den genauen Zeitpunkt konnte niemand vorhersagen.

Und die Menschen, die in Goma leben?

Einen so gewaltigen Lavastrom hat wohl niemand erwartet. Die Menschen in Goma hatten sich wohl an eine Gefahr im Hintergrund gewöhnt, aber die Erinnerung an einen so großen Ausbruch war nicht mehr präsent. Es gab mehrmals kleinere Lavaströme in den letzten 35 Jahren und im Krater war ein Lavasee entstanden. Außerdem hatte es die Katastrophe von 1977 gegeben, von der Goma aber nicht unmittelbar betroffen war. Der letzte Lavastrom floss zwar auch in Richtung der Stadt, aber erstarrte unterwegs, weil er zu wenig Volumen hatte.

Wieso hat es nach so vielen Jahren Goma im Januar 2002 doch so katastrophal getroffen? Es galt bis dahin als sicher.

Das Gefühl von Sicherheit hat mehr mit den unterschiedlichen Zeitmaßstäben zu tun, mit denen man Menschenleben und Vulkane misst. Wenn es in den letzten zwei Generationen keinen gewaltigen Lavastrom gegeben hat, dann betrachten die Menschen dort den Vulkan als nicht mehr so gefährlich. Für den Vulkan sind hundert Jahre wie für uns einige Wochen. Er weiß nichts davon, dass er als ungefährlich eingestuft wurde.

Es soll bereits zwei Jahre zuvor erste Hinweise auf einen bevorstehenden größeren Ausbruch gegeben haben, aber die angespannte politische Situation habe angemessene Vorbereitungen verhindert. Stimmt das?

Der Vulkankrater hatte sich in den letzten Jahren mit Lava gefüllt. Das kann gefährlich werden, wenn immer mehr hinein fließt - es kommt jedoch auch vor, dass die Lava wieder abfließt. Im Frühjahr 2001 stand die Lava hundertzwanzig Meter unterhalb der Gefahrengrenze. Es wäre sicherlich einfacher, ein Frühwarnsystem aufzubauen, wenn die politische Lage wesentlich entspannter wäre.

Es war also reines Glück, dass diesmal nicht so viele Menschen durch den Vulkan zu Tode kamen wie etwa 1977?

Ja, ich glaube, das war eher Glücksache.

Können Sie durch die Analyse der historischen Lavaströme einen Beitrag dazu leisten, künftig Ausbrüche genauer vorher zu sagen?

Unsere Ergebnisse dienen letztendlich der Vorhersage der physikalischen Eigenschaften der Lava und damit, wie sie sich während einer Eruption verhalten wird. Diese Kenntnisse müssen mit einem seismologischen Frühwarnsystem kombiniert werden. Hierzu braucht man vor Ort Messinstrumente, die erste Anzeichen für Erdbeben registrieren. Ein großes Erdbeben kommt selten allein. Es wird von kleineren Vorbeben angekündigt. Schließlich muss die Bevölkerung aufgeklärt werden, welche Regionen am meisten bzw. am wenigsten vor einer Eruption gefährdet sind, zum Beispiel indem man diese Gebiete in entsprechenden Karten verzeichnet.
Wir können die Gefahren nicht bannen, sondern nur versuchen, sie zu erkennen und die Leute zu informieren. Dabei kann das Ziel allerdings nicht sein, dass niemand mehr in der Nähe von Vulkanen leben will. Dann werden wir sicher keinen Erfolg haben.

Die Fragen stellte Marcus Anhäuser.

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