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Japanische Schriftzeichen und das Kanji des Jahres

In Deutschland werden jedes Jahr Wort, Unwort und Jugendwort des Jahres gewählt. Aber auch andere Länder haben so eine Tradition. In Japan wird für jedes Jahr ein Schriftzeichen festgelegt, das das vergangene Jahr besonders gut beschreiben soll. Doch was gibt es in Japan überhaupt für Schriftzeichen? Und welches beschreibt das Jahr 2021?
JFL, 16.12.2021

Kanji des Jahres

GettyImages, stock-tonko

Das deutsche Alphabet umfasst 26 Buchstaben, plus drei Umlaute und Eszett. Im Japanischen ist das schon etwas komplizierter. Es gibt drei verschiedene Schriften: Kanji, Hiragana und Katakana. Die letzten beiden sind verhältnismäßig einfache Silbenschriften. Sie haben jeweils 50 Zeichen, die für einzelne Silben, also eine Kombination aus einem Konsonanten und einem Vokal, stehen.

Hiragana- und Katakana-Schriftzeichen werden hauptsächlich dort genutzt, wo Vereinfachungen nötig sind. Sie werden zum Beispiel Kindern und Japanisch-Anfängern beigebracht. Außerdem werden sie für ausländische Lehnwörter verwendet, für die kein eigenes Kanji-Zeichen existiert.

Was ist ein Kanji?

Die Kanji sind die am häufigsten verwendeten Schriftzeichen in Japan. Sie stammen ursprünglich aus der chinesischen Schrift und wurden vor rund 1.500 Jahren von den Japanern übernommen. Im Gegensatz zu den beiden Silbenschriften steht ein einzelnes Kanji meist für ein komplettes Wort. Es setzt sich mosaikartig aus einzelnen Schriftelementen zusammen und ist dementsprechend auch deutlich komplizierter als ein Hiragana- oder Katakana-Zeichen.

Insgesamt gibt es über 50.000 Kanji – Schätzungen zufolge werden rund 6.000 davon aktiv genutzt. Bis zum Abitur bekommen Japaner knapp über 2.000 davon beigebracht, der Rest muss im Alltag erlernt werden. Wer seine Schriftkenntnisse unter Beweis stellen möchte, kann am sogenannten Kanji-Kentei-Test teilnehmen. Der Test wird von der japanischen Regierung und der Kanji-Eignungstest-Stiftung veranstaltet. Diese Stiftung hält auch seit 1995 die Wahl zum Kanji des Jahres ab.

Japanbesuchern dürfte die dort zumindest in größeren Städten übliche Mischung aus Kanji, Kana und lateinischer Schrift bekannt sein. Um fremdsprachige Lehnwörter darzustellen oder auch nur um die Lesbarkeit zu verbessern, werden die komplexen Kanji-Schriftzeichen oft durch die Silbenschrift Katakana ersetzt.

Gettyimages, Yongyuan Dai

Welches ist das Kanji des Jahres 2021?

Das Schriftzeichen des Jahres soll die vergangenen Monate in Japan bestmöglich repräsentieren beziehungsweise zusammenfassen. Die meisten würden deshalb bestimmt vermuten, dass das Kanji des Jahres 2021 etwas mit der Corona-Pandemie zu tun hat. Die Japaner sehen das vergangene Jahr allerdings etwas positiver: Sie haben das Kanji 金 („kin“) gewählt, das mit „Gold“ übersetzt werden kann.

Das liegt laut der Kanji-Stiftung wohl vor allem an den sehr erfolgreichen Olympischen Spielen, die dieses Jahr in Tokio stattgefunden haben. Die japanischen Athleten konnten bei den aus 2020 nach hinten verlegten Spielen insgesamt 27 Goldmedaillen holen – so viele wie noch nie.

Zusätzlich dazu gab es 2021 noch weitere große Erfolge japanischer Sportler. Beispielsweise wurde der Baseballspieler Shohei Otani zum wertvollsten Spieler der Saison, also dem Jahres-MVP, der amerikanischen Baseballliga MLB ernannt. Einen besonderen Meilenstein hat auch Soja Fujii gesetzt: Er ist der jüngste Spieler der japanischen Schach-Variante „Shoji“, der alle vier großen Titel in einem Jahr holen konnte. Mit gerade einmal 18 Jahren war er 2021 außerdem der jüngste Shoji-Spieler, dem der höchste Meistertitel, der 9. Dan, verliehen wurde.

Stilvoller Rahmen: Das Kanji des Jahres wird in einer Zeremonie vom Oberpriester des berühmten Kiyomizu-dera in Kyoto verkündet und großformatig getuscht.

GettyImages, Sean Pavone

Was gab es bisher für Kanji des Jahres?

Das Kanji „kin“ wurde übrigens schon zum vierten Mal zum Schriftzeichen des Jahres gewählt. Neben 2021 sahen die Japaner auch die olympischen Jahre 2000, 2012 und 2016 am besten durch „Gold“ repräsentiert. Seit Beginn der Wahlen 1995 ist „kin“ allerdings das einzige Kanji, das öfter vorkam.

Das Schriftzeichen des Jahres 2020 hatte im Gegensatz zum diesjährigen tatsächlich etwas mit der Corona-Pandemie zu tun. Die Japaner wählten das Kanji „mitsu“, das mit „eng“ oder „dicht“ übersetzt werden kann. Es kam einerseits sehr oft in den Anweisungen der japanischen Behörden vor, in denen empfohlen wurde, enge Räume und Menschenansammlungen zu meiden. Andererseits steht es laut der Stiftung aber auch für Menschen, die etwa durch das Arbeiten im Homeoffice wieder näher zusammengekommen sind.

Das Kanji wird übrigens nicht von einer Jury gekürt, sondern demokratisch gewählt. Jedes Jahr werden über 200.000 Stimmen für das Kanji des Jahres abgegeben. Das Schriftzeichen, das am häufigsten vorgeschlagen wurde, gewinnt dann den Titel. Im Jahr 2021 stimmten insgesamt 10.422 Japaner für „kin“. Die Wahl war allerdings äußerst knapp: Auf Rang zwei landete „wa“, das „Ring“ bedeutet, mit 10.304 Stimmen.

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