Lexikon
deutsche Kunst
Architektur
Die
ottonische Kirchenbaukunst
übernahm von der karolingischen Architektur zahlreiche Elemente, darunter das Westwerk, überwand Vielteiligkeit und Polyzentrismus zugunsten einer einheitlichen Weiträumigkeit; Teileinheiten wurden der Gesamtanlage untergeordnet. Während sich die gleichzeitige französische Kirchenbaukunst besonders auf die Gestaltung des Ostchors konzentrierte, bildete die ottonische in ihrer reinsten Ausprägung, der Michaeliskirche in Hildesheim, zwei gleichwertige Raumpole aus.Tonnengewölbe im Querschiff, in Seitenschiffen und im Chor leiten zum Baustil der frühen
Romanik
über.Deutlich unterschieden von der geschlossenen, ungegliederten Wandfläche ottonischer Kirchen, zeigen die romanischen Bauten eine vertikale Wandgliederung durch Dienste. Häufig bevorzugte die deutsche Romanik die Einturmlösung, im Gegensatz zu normannisch-französischen Zweiturmfassaden. Für die rheinländische Kirchenarchitektur der Spätromanik, die in ihren letzten Jahrzehnten aus dem französischen Kunstraum eindringende gotische Baugedanken übernahm, ist ein deutlicher Höhenzug typisch (Doppelkirche zu Schwarzrheindorf, Dreikonchenanlagen St. Aposteln und Groß-St. Martin zu Köln). Nicht nur in den westlichen, auch in den norddeutschen Kirchenbauten setzte sich die Einwölbung durch (Dom zu Braunschweig).
Die Bauideen der französischen
Gotik
, bei der mit dem Einheitsraum des Kathedralbaus alle Teile streng und im Gesamtzug der Raumbewegung verschmolzen sind (Steigerung der Raumhöhe, Entmassung der Wände, Verkürzung des Querschiffs, weitere Ausbildung des Chors), wurden in Deutschland ohne durchgreifende Konsequenz willkürlich umgeformt. Erstmalig erschienen diese Elemente in Marburg und Trier, aber schon die Bevorzugung von Hallenraum (Elisabethkirche in Marburg) und Zentralraum (Liebfrauenkirche in Trier) zeigte Selbständigkeit gegenüber der Raumform der französischen Gotik. Nach dem Vorbild von Amiens wurde der Kölner Domchor gebaut, während das Straßburger Münster Motive aus Chartre (Querschiff), St.-Denis (Langhaus) und Notre-Dame in Paris (Querhausfassaden) vereinte. Von Straßburg übernahm Magdeburg die französische Dreiportalfassade. Zu größerer nationaler Selbständigkeit gelangte die Gotik im System der Eintürmigkeit bei den Münsterkirchen von Ulm und Freiburg im Breisgau. Eigentlich schöpferisch wurde die deutsche gotische Baukunst erst in ihrer Spätphase, etwa seit dem 14. Jahrhundert. Norddeutschland und die Provinzen des deutschen Ritterordens bevorzugten die Backsteingotik. Der Typus der Hallenkirche verbreitete sich zuerst in Westfalen (Dom zu Minden; Wiesenkirche zu Soest); schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts erschien er in Franken (Frauenkirche in Nürnberg) und Schwaben (Kreuzkirche in Schwäbisch Gmünd). Durch die schwäbische Baumeisterfamilie Parler wurde die Hallenkirche in Böhmen (Veitsdom zu Prag; Annaberg) heimisch. Viele Burgen (Marienburg), Rathäuser (Lübeck, Braunschweig, Breslau, Münster), Bürger- und Kaufhäuser (Freiburg im Breisgau) zeugen von der Bedeutung des gotischen Profanbaus.In der deutschen Kunst wird der Übergang zur
Renaissance
im Wesentlichen in der Plastik, der Malerei und der Grafik sichtbar; die Vorliebe für komplizierte und reiche Formen verstellte der deutschen Baukunst zunächst den Zugang zur neuen Struktur- und Raumlehre der Italiener. Bevor sich die Hochrenaissance in Deutschland durchgesetzt hatte, wurde der Einfluss von A. Palladios Klassizismus spürbar (Augsburger Rathaus von E. Holl, seit 1610). Die Michaelskirche in München (von F. Sustris, 1582–1597) ist stark abhängig von der Jesuitenkirche Il Gesù in Rom. Die deutsche Baukunst des 16. Jahrhunderts aber konzentrierte sich auf Schlösser, Rat- und Bürgerhäuser.Mit J. B. Fischer von Erlach, der die vorherrschenden ausländischen Einflüsse erstmalig (1690) überwand, kam die deutsche und österreichische Barockarchitektur zur Geltung, gleichermaßen von kirchlichen und weltlichen Auftraggebern gefördert.
Die exemplarischen Kunstlandschaften des 18. Jahrhunderts lagen in Süddeutschland, wo sich französische und italienische Stilformen des
Barocks und Rokokos
durchdrangen. D. Zimmermann (Wies) u. M. D. Pöppelmann (Dresdner Zwinger) vertraten den Baustil des Spätbarocks (etwa 1730–1770).Im schroffen Gegensatz zum spätbarocken Formenrausch brachte der
Klassizismus
(etwa 1770–1830), angeregt durch die Schriften Winckelmanns, eine entscheidende Wandlung im Verhältnis von Gesellschaft und Kunstwerk. Von nun an traten Kunsttheorien in den Vordergrund, die aus der klassischen Bildung erwuchsen und zum Eklektizismus führten. Die Baukunst suchte, antiken Formen und Ordnungsprinzipien folgend, strenge Gesetzmäßigkeit (K. F. Schinkel: Hauptwache, Altes Museum und Schauspielhaus in Berlin; L. von Klenze: Glyptothek und Propyläen in München).Das 19. Jahrhundert versuchte vergangene Stilepochen wiederzubeleben. Beeinflusst von Goethes Schrift über das Straßburger Münster, griff Schinkel auf die Gotik zurück; daneben begründete G. Semper (Opernhaus und Gemäldegalerie in Dresden) eine von der Renaissance beeinflusste Architektur, die die Entwicklung zum Neubarock einleitete.
Die Darmstädter Ausstellung auf der Mathildenhöhe (1901) verhalf dem Jugendstil zum Durchbruch, die Werkbundausstellung in Köln (1914) dem expressiven Formwillen und der funktionell-sachlichen Schönheit des „Neuen Bauens“, wie sie am konsequentesten von P. Behrens, W. Gropius, E. Mendelsohn, L. Mies van der Rohe, H. Poelzig und den Brüdern Taut vertreten wurden. Als Keimstätte avantgardistischer Baugedanken erlangte das Bauhaus Weltgeltung, bis die nationalsozialistische Kulturpolitik alle schöpferischen Kräfte in der Architektur zum Erliegen brachte. Nach 1945 fand die deutsche Baukunst nur langsam den Anschluss an die internationale Architekturentwicklung. Als Hauptvertreter der deutschen Gegenwartsarchitektur sind u. a. E. Eiermann (Neubau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin); G. Böhm (Rathaus und Kinderdorf in Bensberg; Kirche in Neviges), H. Scharoun (Philharmonie in Berlin, 1963) u. R. Schwarz (Kirchen in Aachen und Düren) sowie die Städteplaner E. May u. H. B. Reichow zu nennen. Die Architektur der sog. Postmoderne wird vertreten durch A. von Branca, O. M. Ungers u. a.
- Einleitung
- Architektur
- Plastik
- Malerei
- Kunsthandwerk
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