Lexikon
Eurọpa
Neuzeit
Von Italien gingen indirekt die Impulse zur Veränderung des neuzeitlichen Europa aus: Durch Einflüsse aus Byzanz und aus der arabischen Welt war es im 14. und 15. Jahrhundert zu einer kulturellen Blüte gelangt. Mit dem Zug Karls VIII. von Frankreich nach Neapel wurde 1494 der Kampf um Italien eröffnet, an dem sich das Reich, Frankreich und Spanien beteiligten. In seinem Verlauf entstand das europäische Staatensystem, und die Kultur der Renaissance fand in ganz Europa Verbreitung. Unter Kaiser Karl V. (1519–1556) schien sich die mittelalterliche kaiserliche Universalmonarchie zu wiederholen. Die einsetzende Reformation beraubte Karl V. aber der Möglichkeit, seine Ländermassen einheitlich einsetzen zu können. 1556 resignierte er, nachdem er die habsburgischen Länder zwischen seinem Bruder Ferdinand (Österreich, Böhmen und Ungarn) und seinem Sohn Philipp II. (Spanien mit den Kolonien, die Niederlande und Neapel-Sizilien, Burgund und Mailand) geteilt hatte. Frankreich wurde nun von Spanien im Osten und Westen umklammert. Es war dies der Anfang der bis zum Pyrenäen-Frieden (1659) andauernden und von Philipp II. geprägten spanischen Vorherrschaft.
Die Reformation Luthers und die dadurch ausgelösten Bewegungen der Gegenreformation und des Calvinismus belebten die seit dem Hochmittelalter bedrohten christlichen Kräfte. Unter der geistigen Oberhoheit des Papstes blieben nur Spanien und Italien; in Frankreich, Deutschland, Böhmen und Polen konnte das Vordringen der neuen Lehre erst durch die Gegenreformation aufgehalten werden; England und die skandinavischen Länder trennten sich von Rom. Der Protestantismus wurde zur wichtigsten gestaltenden Kraft des modernen Europas. Nach dem Tod Heinrichs II. (1559) verfiel Frankreich für nahezu 40 Jahre in Religionskämpfe, bis im Edikt von Nantes (1598) eine Form des Zusammenlebens von Katholiken und Protestanten gefunden wurde. In Deutschland kam es im Augsburger Religionsfrieden 1555 zu einer Regelung, die ein Nebeneinander beider Konfessionen ermöglichte. Jedoch das weitere Vordringen des Protestantismus und das Einsetzen der Gegenreformation löste den Dreißigjährigen Krieg aus, der von Anfang an mehr als ein innerdeutscher Religionskrieg war. Es ging um die auf der Verbindung der beiden habsburgischen Linien beruhenden spanischen Vorherrschaft, um den Aufstieg Frankreichs und im Reich um kaiserliche Vorherrschaft oder ständische Libertät. Obwohl die kaiserliche Herrschaft völlig zerfiel, ergab sich nach der Preisgabe der habsburgischen Familienallianz die Möglichkeit, das Reich, wenn auch in einem sehr losen Verband, weiterhin zusammenzuhalten.
Der Westfälische Friede unterwarf das Reich einer perfekten Rechtsordnung, und diese wurde zur europäischen Friedensordnung. Das Kaisertum gewann in der Verteidigung des Abendlands gegen die Türken (Belagerung Wiens 1683) neuen Glanz. Doch nach dem Pyrenäen-Frieden (1659) und der vollen Regierungsübernahme Ludwigs XIV. (1661) stieg Frankreich zur beherrschenden Macht im Europa des Absolutismus auf. Im Spanischen Erbfolgekrieg drohte es jedoch einer Koalition Englands, Hollands und des Kaisers zu erliegen. Nach dem Frieden von Utrecht (1713) setzte sich in dem von Kriegen ausgebluteten Europa das von England beherrschte System des europäischen Gleichgewichts durch. Den bourbonischen Mächten Frankreich und Spanien stand das zur Großmacht erstarkte Österreich gegenüber. An die Stelle des im 3. Nordischen Krieg (1700–1721) geschwächten Schweden trat das Russland Peters des Großen. Die fortdauernde habsburgisch-bourbonische Rivalität fand 1756 in der durch Heiraten besiegelten bourbonisch-habsburgischen Allianz ein Ende. Im Siebenjährigen Krieg gewann das mit Preußen gegen diese Allianz verbündete England das französische Kolonialreich in Indien und Nordamerika. Das europäische Gleichgewicht war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch die habsburgisch-bourbonische Verbindung ebenso gesichert wie seit 1763 durch das Gleichgewicht der beiden deutschen Großmächte Österreich und Preußen. Das Einverständnis der drei östlichen Großmächte Russland, Österreich und Preußen führte 1772 zwar zur ersten Teilung Polens, garantierte aber durch die Verbindung mit den bourbonischen Mächten 30 Jahre den Frieden. Inzwischen war der Ordnung des Ancien régime in der europäischen Aufklärung der entscheidende Gegner erwachsen. Mit ihren Ideen von Toleranz, Humanität und einer vernunftgemäßen Ordnung stellte sie das Regime des Absolutismus in Frage. Die von Frankreich unterstützte amerikanische Revolution (1776 Unabhängigkeitserklärung) brachte die Ideen der Volkssouveränität und Menschenrechte zum Durchbruch.
In der Französischen Revolution wurden mit der Forderung nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit die Grundlagen der Alten Welt zerstört. Nach der Beseitigung des Königtums setzte sich die Idee des demokratischen Nationalstaats durch. In den napoleonischen Kriegen ging auch die alte politische Ordnung in Deutschland, Italien und Spanien zugrunde. Der Versuch Napoleons, den Kontinent unter seiner Vorherrschaft zu einen, scheiterte an Großbritannien und Russland und an dem in Spanien und Deutschland erwachenden Nationalismus.
Die auf dem Wiener Kongress 1814/15 von den vereinigten Mächten Großbritannien, Frankreich, Österreich, Preußen und Russland angestrebte Restauration der Ordnung Europas wurde in der antirevolutionären „Heiligen Allianz“ gesichert. Sie war bedroht von dem in Südamerika und auf dem Balkan einsetzenden Freiheitskampf unterdrückter Völker. Die Antipoden waren Russland, das besonders unter Nikolaus I. (1825–1855) ein Hort der Reaktion und Staatsallmacht wurde, und Großbritannien, das als ein Land verfassungsmäßiger Einrichtungen Liberalismus und Nationalismus förderte. In den Revolutionsjahren 1830 und 1848 erlebte das antirevolutionäre System heftige Erschütterungen.
Durch die von Großbritannien ausgehende Industrialisierung entstand die soziale Frage, für die das alte System keine Lösung bieten konnte. Von diesen inneren Spannungen war besonders das Kaisertum Napoleons III. (1852–1870) gekennzeichnet, der jedoch durch eine weit ausgreifende Außenpolitik und ein pseudodemokratisches System Aufstände vermeiden konnte. Napoleon machte sich zum Beschützer des italienischen Nationalismus. In den deutschen Einigungskriegen 1866 und 1870/71 erzwang Bismarck das Ausscheiden Österreichs und die Gründung des Deutschen Reiches; fast gleichzeitig vollendete sich mit der Einnahme Roms (1870) auch in Italien der Nationalstaat. In den folgenden Jahren wurde Deutschland durch eine maßvolle Politik zum Garanten einer auf den Großmächten Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Russland, Österreich und Italien beruhenden Gleichgewichtspolitik. Erst das Ausgreifen Deutschlands in die Welt seit 1890 schuf neue Unruhe. Eine weitere Bedrohung des Weltfriedens war der Sieg der Nationalstaatsidee in den Vielvölkerstaaten Türkei und Österreich.
Die fast völlige Aufteilung der Erde unter die europäischen Großmächte führte zu neuen Rivalitäten. Von innen war diese imperialistische Weltaufteilung durch eine soziale Revolution bedroht, die in der Ausbeutung der Arbeiterschaft, in der steigenden Industrialisierung und in der Bevölkerungsvermehrung ihre Ursache hatte. Neben Großbritannien und den USA stieg Deutschland zur führenden Industrienation auf. Sein starkes Heer und der Ausbau seiner Flotte wurden von den europäischen Mächten als Bedrohung des Gleichgewichts angesehen. Gegen den 1882 gegründeten Dreibund Deutschland, Österreich und Italien bildete sich 1892 die französisch-russische Allianz, die 1904 durch einen englisch-französischen und 1907 durch einen englisch-russischen Bündnisvertrag ergänzt wurde. Im Ersten Weltkrieg unterlagen Deutschland, Österreich und die Türkei dieser 1917 durch den Beitritt der USA verstärkten Allianz.
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