Lexikon

Partei

[
lateinisch pars, „Teil, Richtung“
]
allgemein ein Zusammenschluss von Menschen gleicher oder ähnlicher politischer, sozialer, wirtschaftlicher und weltanschaulicher Willensrichtung, um sich im staatlichen Leben Einfluss zu verschaffen. In diesem Sinn gab es Parteien als mehr oder minder lose Gruppenbildungen schon in den Stadtstaaten des Altertums und im republikanischen Rom sowie in den politischen und religiösen Bewegungen des 16. und 17. Jahrhunderts.
Die Entwicklung der modernen Parteien als fest gefügte Körperschaften war im Allgemeinen ein Vorgang des 18. und 19. Jahrhunderts, der stark vom Beispiel des englischen politischen Lebens beeinflusst war, wo sich zuerst Tories und Whigs im 18. Jahrhundert als relativ feste Parteien herausbildeten, die geschlossen zu bestimmten politischen Fragen Stellung nahmen und sich in der Staatsführung ablösten (Zweiparteiensystem). Schärfer umrissene Parteiengruppen bildeten sich in den amerikanischen Unabhängigkeitskämpfen und in der Französischen Revolution, dann in den deutschen Verfassungsbewegungen des „Vormärz“. In der Frankfurter Nationalversammlung begannen sie, sich in Deutschland klarer abzuzeichnen (liberale, demokratische und konservative Partei, Großdeutsche und Kleindeutsche). Auch äußerlich trat der Unterschied allmählich durch das Aufkommen einer besonderen Sitzordnung im Reichstag hervor: Die konservativen Parteien nahmen ihren Platz auf der (vom Präsidium aus gesehen) rechten Seite des Plenums ein (Rechte), die liberalen, demokratischen und sozialistischen Parteien saßen links (Linke), die katholisch-politischen Parteien in der Mitte (Zentrum). Im Unterschied zu England entwickelte sich in den kontinentalen Staaten das Mehrparteiensystem bis zur Parteizersplitterung..
Ziel einer Partei oder einer Gruppe verwandter Parteien ist es, die Mehrheit im Parlament zu erhalten (Koalitionsparteien, Mehrheitspartei) und damit den politisch beherrschenden Einfluss zu gewinnen; ihre Gegner im Parlament sind dann die im Wahlkampf unterlegenen Oppositionsparteien. Das Wechselspiel der Parteien ist eine der Grundvoraussetzungen des modernen Verfassungslebens, besonders des parlamentarischen Systems. Wo eine Partei allein den wahren Volkswillen zu verkörpern vorgibt (als Mehrheit oder Minderheit) oder sich als Elite betrachtet, kommt es zum Einparteiensystem (z. B. in der Diktatur).
Gemäß Art. 21 GG muss die innere Ordnung aller Parteien der Bundesrepublik Deutschland demokratischen Grundsätzen entsprechen.
Als bestimmender Faktor erscheint in den demokratischen Parteien die Gesamtheit der Parteimitglieder, die durch ihre Delegierten den Parteikongress bilden und die Organe der Partei (Vorstand, Ausschüsse, Funktionäre) bestimmen oder kontrollieren, während umgekehrt in den diktatorischen Einparteiensystemen alle Macht in den Händen der Parteiorgane liegt. Anderen Parteien wird jede echte Betätigung unmöglich gemacht, wenn sie nicht überhaupt verboten werden. Die Parteien sind bestrebt, durch Beeinflussung der öffentlichen Meinung, durch Gewinnung neuer Anhänger (Propaganda) und durch Verfechtung ihrer Ziele in den Parlamenten u. a. öffentlichen Körperschaften ihre Zwecke zu erreichen; die nötigen Mittel werden durch Beiträge und Spenden der Mitglieder und sympathisierender Kreise aufgebracht, manchmal auch erzwungen. Dazu gibt es in der Bundesrepublik Deutschland auch staatliche Zuschüsse zu den Wahlkampfkosten der Parteien. Die einheitliche und möglichst wirkungsvolle Leistung der Partei zu sichern, ist vor allem eine Frage der Parteidisziplin, was eine Frage der inneren Geschlossenheit ist, die nicht selten auch durch äußerliche Mittel (Fraktionszwang) gesichert wird. Abweichungen von der Parteilinie können zum Ausschluss aus der Partei führen.
Obgleich die Parteien zu den grundlegenden und bestimmenden Elementen des Verfassungslebens gehören, haben sie doch in den meisten Staaten keine verfassungsrechtliche Anerkennung, da die Abgeordneten verfassungsrechtlich als Vertreter des Volks und nicht einer bestimmten Partei gelten. Erst im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und in gewisser Weise auch in Großbritannien sind sie verfassungsmäßig formell anerkannt.
Eine Parteientypologie orientiert sich an den Kriterien Organisation, politische Ziele, Mitgliederstruktur und politische Funktion. Organisationsbestimmte Parteitypen sind z. B. Honoratioren-, Kader- und Massenparteien. Für Weltanschauungs-, Interessen- und Programmparteien sind die politischen Zielsetzungen typologisch entscheidend, während das bei Volks- und Klassenparteien die Mitgliederstruktur ist. Von ihrer funktionalen Rolle in bestimmten politischen Systemen her differenziert man Staatsparteien und demokratische Parteien. In der Realität finden sich oft Mischtypen der Parteien. Das gilt insbesondere für demokratische Systeme.
In Deutschland wurden die Parteien 1933 außer der NSDAP verboten, nachdem einige davon sich unter Zwang selbst aufgelöst hatten. Sie lebten teilweise nach 1945 unter Kontrolle (Lizenz) der Besatzungsmächte wieder auf, erlangten aber nur in der Bundesrepublik Deutschland ihre ursprüngliche Bedeutung, während die in der DDR zugelassenen Parteien bis 1989 neben der SED nur ein Schattendasein führten. Nach dem deutschen Grundgesetz sind Parteien verboten, die nach ihrem Wesen, ihrer Organisation und Zielsetzung oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand Deutschlands zu gefährden suchen, ferner Parteien, die nationalsozialistische und (oder) antisemitische Ziele verfolgen. Sie verfallen der Auflösung, wenn das Bundesverfassungsgericht ihre Verfassungswidrigkeit festgestellt hat.
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