Lexikon
Parlamẹnt
[
mittellateinisch parlamentum, „Aussprache“ (zwischen König und Vasallen)
]die Volksvertretung als Staatsorgan; als vom Volk frei gewähltes Parlament Wesensmerkmal jeder Demokratie. Wahl, Aufgaben und Befugnisse des Parlaments sind in der Verfassung u. a. Gesetzen geregelt. In der parlamentarischen Demokratie ist grundsätzlich dem Parlament Gesetzgebung und Haushaltsrecht (Budgetrecht) überlassen (Legislative); die Exekutive obliegt Regierung und Verwaltung, die wiederum vom Parlament kontrolliert werden. Das Parlament wirkt bei Bildung und Entlassung der Regierung mit; manche Parlamente wirken auch bei der Wahl der obersten Richter und des Staatsoberhaupts mit (z. B. in Deutschland und der Schweiz).
Parlamentarische Kammern und Organe
Die Parlamente bestehen aus einer oder zwei Kammern, so Großbritannien: Oberhaus und Unterhaus, Vereinigte Staaten: Kongress mit Repräsentantenhaus und Senat, Frankreich: Nationalversammlung und Senat, Schweiz: Nationalrat und Ständerat, Österreich: Nationalrat und Bundesrat. In Bundesstaaten ist die zweite Kammer meist die Vertretung der Gliedstaaten; im Übrigen dient das Zweikammersystem dem Ausgleich unterschiedlicher Interessen. Wegen der Verschiedenheit des Wahl- oder Berufungsverfahrens (in Großbritannien im Oberhaus noch heute überwiegend Erblichkeitsgrundsatz für den Adel) fungierten die Kammern früher als Repräsentationen verschiedener Volksschichten; die neuere Entwicklung kennt daher (Beispiel: britisches Parlament) einen Vorrang der Volkskammer gegenüber der konservativen Zweiten Kammer.
Deutschland hat als gesetzgebendes Organ den Bundestag, daneben besteht der Bundesrat als föderalistisches Organ. Besondere Vorschriften gelten dem Schutz des Parlaments: vor Beleidigung, zur Sicherung seiner Arbeitsfähigkeit (keine Hinderung der Teilnahme an Sitzungen und Abstimmungen, gegen die Beeinflussung der Stimmabgabe, gegen unbefugtes Eindringen in das Parlamentsgebäude). Zur Sicherung der freien Entscheidung des Parlaments ist meist (so in Deutschland für Bund und Länder) die Bannmeile errichtet, d. h. eine Grenze um das Parlament gezogen, innerhalb derer keine Demonstrationen u. Ä. abgehalten werden dürfen; in einigen Verfassungen wird vor allem der Schutz gegen militärische Eingriffe in die Parlamentsarbeit gewährleistet, z. B. in Südamerika. Zusammen mit der Immunität und Indemnität bilden diese Bestimmungen den Schutz des Parlaments vor allem gegen Eingriffe der Exekutive; parlamentarisches System, Rätesystem.
Entwicklung des Parlamentarismus
In England und Frankreich ist das Parlament aus der curia regis (Rat der Kronvasallen) entstanden. Die Entwicklung in England verlief über die Ausgestaltung der Adelskammer (House of Lords, Oberhaus) und die Vertretung der Bürgerlichen (House of Commons) zur Bildung eines Zweikammersystems im 14. Jahrhundert. Damals war dem Parlament bereits das Steuerbewilligungsrecht zuerkannt. In der absolutistischen Zeit blieb das Parlament trotz heftiger Kämpfe und Nichteinberufung letztlich Sieger.
In Frankreich wurden die parlements, vor allem das in Paris, zu einer Art Staatsgerichtshof, dem die Registrierung der vom König erlassenen Gesetze oblag. Daraus ergaben sich Prüfungs- und Kontrollrechte sowie Zurückweisungen königlicher Rechtsetzungen und damit Auseinandersetzungen. In der Französischen Revolution wurden diese Parlamente aufgehoben, nachdem sich bereits ständische Versammlungen durchgesetzt hatten, die sich 1789 zur Nationalversammlung proklamierten. Daraus entwickelte sich im 19. Jahrhundert das französische Zweikammersystem.
In Deutschland entwickelten sich in der Zeit der Ständestaatlichkeit die Ständeversammlungen der deutschen Einzelstaaten, die im 19. Jahrhundert zu echten Parlamenten wurden, vielfach zu einem Zweikammersystem. Das erste gesamtdeutsche Parlament war die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49; ihr folgten die Reichstage des Norddeutschen Bunds und des Deutschen Reichs und in der Bundesrepublik Deutschland der Bundestag.
Frankfurter Nationalversammlung
Frankfurter Nationalversammlung
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