Lexikon
Sozialịsmus
im Gegensatz zum Individualismus des Liberalismus und Kapitalismus im 19. Jahrhundert entstandene Ideen und Bestrebungen, die auf eine solidarische Gesellschaft zielen, in der die Grundwerte der Freiheit, der Gleichheit und der persönlichen und gesellschaftlichen Emanzipation verwirklicht sind und in denen genossenschaftliche, gesellschaftliche oder staatliche Eigentumsverhältnisse vorherrschen. Der Begriff Sozialismus umfasst zwei Dimensionen: Er beschreibt sowohl die sozialen Bewegungen, die für diese Ziele eintreten, als auch deren unterschiedliche Doktrinen, Strategien und Taktiken zur Erreichung dieser Ziele.
Historische Entwicklung
Frühsozialistische Ideen entstanden während und nach der Französischen Revolution u. a. durch F. N. Babeuf. Der von Platon beeinflusste utopische Sozialismus, der durch moralische Forderungen und Wunschbilder einer besseren Zukunft genährt wurde, wirkte noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts bei den Saint-Simonisten, bei W. Weitling, im Genossenschaftssozialismus von C. Fourier, P. J. Proudhon und R. Owen nach. Mit den Versuchen von L. Blanc zur Errichtung von Nationalwerkstätten in der Februarevolution von 1848 in Frankreich trat der Sozialismus zum ersten Mal als staatliches Programm in Erscheinung.
In kritischer Absetzung vom Frühsozialismus begründeten K. Marx u. F. Engels den sog. wissenschaftlichen Sozialismus, der zur theoretischen Grundlage der Arbeiterbewegung wurde und die Entstehung der sozialistischen Parteien in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts beflügelte. Die Begriffe Sozialismus und Kommunismus wurden in dieser Phase oft gleichbedeutend verwendet.
Es entwickelten sich national und kulturell sehr unterschiedliche Varianten des Sozialismus In Deutschland entstand eine umfassende Arbeiterbewegung, die sowohl eine starke gewerkschaftliche Interessenvertretung ausbildete als auch eine gegen den autoritären Staat kämpfende Partei, die SPD, hervorbrachte. In Großbritannien entwickelten sich zahlreiche, auf bestimmte Berufsgruppen spezialisierte Einzelgewerkschaften, die sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Labour Party einen eigenen politischen Arm schufen. In Frankreich und anderen romanischen Ländern wie Italien oder Spanien bildeten sich auf betrieblicher oder Unternehmensebene kampfstarke Arbeitervereinigungen, die Syndikate, während die parteipolitische Organisierung nicht sehr erfolgreich verlief. In den USA entstanden ebenfalls Gewerkschaften, aber die sozialistische Idee konnte sich dort kaum durchsetzen. Stattdessen verstanden sich US-amerikanische Arbeiterorganisationen als rein ökonomische Interessenvertretungen der jeweiligen Betriebsbelegschaften, die sog. „business unions“.
Den marxistischen Lehren trat schon im 19. Jahrhundert eine Sozialreformbewegung entgegen, die soziale Reformen (staatliche Lohnregelung, Normalarbeitstag, Arbeiter- und Invalidenschutz u. a.) verlangte und Bismarcks Sozialgesetzgebung beeinflusste: der Kathedersozialismus, die auf H. George zurückgehende Bodenreformbewegung A. Damaschkes sowie die christlich-soziale Bewegung A. Stoeckers und die nationalsozialen Bestrebungen F. Naumanns.
Mit der Entwicklung zur Massenbewegung nahmen die gesellschaftstheoretischen und politisch-strategischen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Fraktionen der sozialistisch orientierten Arbeiterbewegungen innerhalb der Länder, aber auch zwischen den Ländern zu. Schon vor dem 1. Weltkrieg zeichnete sich eine Spaltung der sozialistischen Bewegung in einen radikalen und einen reformistischen Flügel (Revisionismusdebatte) ab. Im Anschluss an die russische Oktoberrevolution 1917 zerfiel der internationale Sozialismus endgültig in eine sozialdemokratische und eine marxistisch-leninistische bzw. kommunistische Richtung. Der Marxismus-Leninismus betrachtete dabei den Sozialismus als Übergangsphase zur kommunistischen Gesellschaft ohne staatliche Zwangsordnung.
Bei den sozialdemokratischen Kräften setzte sich v. a. angesichts des Ost-West-Gegensatzes nach dem 2. Weltkrieg endgültig die Auffassung durch, dass sozialistische Ziele auch durch schrittweise Reformen innerhalb des demokratischen Verfassungsstaates zu erreichen seien (demokratischer Sozialismus). In vielen europäischen Ländern wurden reformsozialistische bzw. sozialdemokratische Parteien zu staatstragenden Kräften (so die SPD in der Bundesrepublik Deutschland). Das sozialistische Programm in seiner marxistischen Gestalt scheiterte mit dem Zusammenbruch der Herrschaftssysteme des sog. real existierenden Sozialismus seit 1989. Aber auch die reformorientierten sozialistischen Kräfte mussten ihr Selbstverständnis vielfachen Wandlungen unterziehen. So rückten in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr ökologische Fragestellungen (Ökosozialismus) in das Zentrum der Diskussion. Die Globalisierung verschärfte gleichzeitig die Problematik der Auseinandersetzung um staatliche Wirtschaftssteuerung und wohlfahrtsstaatliche Umverteilung und rührte damit an den Kern sozialistischen Ideengutes. Sozialdemokratie.

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