Lexikon

Vers

[f-; der; lateinisch versus, Umwendung (des Pflugs), Furche, später Zeile]
ein Teil der gebundenen Rede, der durch seinen metrischen Rhythmus als gliedernde Einheit gekennzeichnet ist.
Versrhythmus: Der in jeder Rede enthaltene Rhythmus wird besonders entfaltet, wenn die rhythmustragenden Silben in annähernd gleichen Abständen auftreten und durch die ständige Wiederholung ihren rhythmischen Wert gegenseitig steigern. Die weniger tragenden Silben vor oder nach einer tragenden lehnen sich eng an diese an; es bilden sich rhythmische Gruppen (Takt, Metrum).
Verslänge: Ein Stück gebundener Rede ist noch kein Vers; Verse entstehen erst, wenn sich gebundene Rede in deutlich empfundene, mehrere Takte oder Metren umfassende Einheiten aufgliedert, die in erster Linie durch den Sinn und die sinnmäßig entstehenden Pausen gegeben sind (so bei den freien Rhythmen), aber durch geregelte Wiederholung als selbständige Ordnungsprinzipien bestätigt werden. In einer Versdichtung wird von vornherein für den einzelnen Vers ein typisches Maß erwartet und auch empfunden. Daher kann gelegentlich die Versgrenze von der sinnmäßig gegebenen Grenze abweichen, ohne dass die metrische Ordnung dadurch zerstört würde (Zeilensprung oder Enjambement). Außerdem kann ein Versende noch durch einen Endreim besonders gekennzeichnet sein. Im antiken Vers wird die lange Silbe, im abendländischen Vers die betonte Silbe als rhythmustragend empfunden. Die Metrik der Antike heißt daher quantitierend, die des Abendlandes akzentuierend.
Der antike Vers unterscheidet demnach Länge (longum; Zeichen: ) und Kürze (breve: ), wobei eine Länge etwa doppelt so lang wie eine Kürze zu sprechen ist. Die wichtigsten metrischen Einheiten (Versfüße oder Metren) sind: Jambus ( ), Trochäus ( ), Spondeus (  ), Daktylus (  ) und Anapäst (  ). Aus diesen Einheiten werden feststehende Versformen gebildet, z. B. der Hexameter (aus 6 Daktylen), der jambische Trimeter (aus 3 Doppeljamben) oder der Pentameter (aus zweimal 21/2 Daktylen). Auch ein festes Versschema lässt gewisse Variationen zu. So können u. U. Längen in je 2 Kürzen aufgelöst oder je 2 Kürzen zu einer Länge zusammengezogen werden. An bestimmten Stellen, besonders am Versende, kann sowohl eine lange als auch eine kurze Silbe stehen. Der antike Vers ist reimlos.
Die metrischen Elemente des germanischen Verses sind die betonte Silbe (Hebung; Zeichen: ), die schwach betonte (Nebenhebung: ) und die unbetonte (Senkung: x). Neben den Silben von normaler Länge (, , x) können auch besonders kurze oder besonders lange auftreten. Eine Hebung und die ihr bis zur nächsten Hebung folgenden Senkungen werden als Takt zusammengefasst. Man unterscheidet die wichtigsten Taktgeschlechter 2/4-Takt (x), 3/4-Takt (xx) und 4/4-Takt (xx). Silben vor der ersten Hebung eines Verses werden als Auftakt bezeichnet. Die germanischen Versformen gehen auf eine achthebige (4 Haupt- und 4 Nebenhebungen) Langzeile zurück, die aus zwei je vierhebigen Kurzzeilen bestand. Die älteste Form war der Stabreimvers, in dem drei der vier Haupthebungen durch den Stabreim verbunden waren. Seit 870 n. Chr. wurde der Stabreim durch die aus der mittellateinischen Kirchendichtung stammenden Schmuckmittel des Endreims und der Assonanz verdrängt. Das Hochmittelalter bildete den vierhebigen Kurzvers mit regelmäßiger Folge von Hebung und Senkung aus ([x] x x x ), der im Epos zum Reimpaar verbunden wurde. In der Lyrik setzte sich auch der fünfhebige Elfsilber aus dem Provençalischen durch.
Im Spätmittelalter und zu Beginn der Neuzeit wurden die Verse des Reimpaars mit zahlreichen zusätzlichen Senkungen angefüllt (Knittelvers). Der aus Frankreich übernommene Alexandriner (seit dem 17. Jahrhundert) wurde im Drama mit den Werken G. E. Lessings durch den Blankvers verdrängt, in der Lyrik durch zahlreiche Nachbildungen antiker Versmaße und durch die freien Rhythmen ersetzt (besonders bei F. G. Klopstock). In der Romantik wurden Versformen aus den romanischen und den orientalischen Literaturen eingeführt. Von dieser Vielfalt an überlieferten Formen werden in der modernen Dichtung besonders die freien Rhythmen und der regelmäßige 2/4-taktige Vers gepflegt.
In Versdichtungen können die einzelnen Verse fortlaufend (stichisch) aufeinander folgen (z. B. im Hexameter-Epos) oder zu Abschnitten zusammengefasst sein. Haben die Abschnitte eines Werkes die gleiche metrische Struktur, so bezeichnet man sie als Strophen. Der einzelne Vers kann durch Diärese oder Zäsur einen Einschnitt erhalten.
Als Vers bezeichnet man gelegentlich auch einen kurzen Prosaabschnitt (besonders den Bibelvers). Fälschlich wird Vers oft für Strophe gebraucht, z. B. beim Kirchenlied.
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