Lexikon
Kinder- und Jugendliteratur
für Kinder und Jugendliche bestimmte und geeignete Werke der Literatur, für Kinder geschrieben oder aus der volkstümlichen Dichtung (z. B. Märchen) oder Erwachsenenliteratur übernommen und bearbeitet. Hierzu gehören Märchen, Legende, Schwank, Volks-, Helden- und Göttersage, Jugenderzählung und -roman, Kinderreim, -vers und -gedicht, Volks- und Kinderlied, erzählendes Gedicht, Lyrik; Kasperle- und Marionettenspiel, Hör- und Fernsehspiel, Kinder- und Jugendtheater; Jugendzeitschriften; ferner Sachbücher mit Themen aus allen Wissensgebieten in meist unterhaltender Form, insbesondere Reise- und Forschungsbücher, Entdeckungsgeschichte, Tierbücher, Biografien, naturwissenschaftlich-belehrende und technisch-utopische Bücher, Arbeits- und Bastelbücher, Aufklärungsschriften. Unterschieden wird nach dem Leserkreis (Mädchen- und Jungenbuch), nach der äußeren Form (z. B. Bilderbuch, illustriertes Buch, Taschenbuch), nach den Motiven (z. B. Abenteuerbuch, fantastische Erzählung, Problembuch).
Geschichte
Vor dem Spätmittelalter gab es, abgesehen von Wiegenliedern, Kinderreimen u. Ä., keine Kinder- und Jugendliteratur im eigentlichen Sinne. Auszüge aus der Bibel, ABC-Bücher, Fibeln und in protestantischen Ländern das Gesangbuch blieben die wichtigste Lektüre der Kinder und Jugendlichen.
Für die Entwicklung der kindergerechten Erzählliteratur wurden in Frankreich La Fontaines Fabeln 1668–1694 maßgebend. Von weit größerem Einfluss auf die Entwicklung des Jugendbuches wurden Werke englischer Schriftsteller wie D. Defoes Robinson Crusoe 1719, J. Swifts „Gullivers Reisen“ 1726 u. a. Es gab auch eine Fülle von volkstümlichen Schriften, die von Jugendlichen gelesen wurden, in Deutschland z. B. „Volksbücher“ (Eulenspiegel; Die vier Haimonskinder u. a.).
In Deutschland veröffentlichte C. F. Weiße 1765 „Kinderlieder“; kurz darauf brachte Musäus seine „Volksmärchen der Deutschen“ 1782–1786 und J. H. Campe Kinder- und Jugendschriften heraus, worunter seine Übersetzung des „Robinson Crusoe“ 1779 besonders erfolgreich wurde. Epoche machend wurden die Romantiker mit ihrer Neuentdeckung deutschen Lied- und Erzählguts (A. von Arnim und C. Brentano: „Des Knaben Wunderhorn“ 1806) und den Sammlungen von deutschen Sagen und Märchen (J. Grimm und W. Grimm: „Kinder- und Hausmärchen“ 1812–1822, L. Bechstein). Berühmt waren auch die Märchen des Dänen H. C. Andersen. Es folgte im 19. Jahrhundert eine Fülle von Abenteuer-, Reise- und Indianergeschichten in deutscher Sprache (F. Gerstäcker, K. May), in Englisch (J. F. Cooper, M. Twain, R. L. B. Stevenson) oder in Französisch (J. Verne). Die mit Reimen betexteten pädagogischen Bildergeschichten W. Buschs („Max und Moritz“) oder H. Hoffmanns („Der Struwwelpeter“) gelten dagegen als Vorläufer der späteren Comic-Kultur.
Stevenson, Robert Louis Balfour
Robert Louis Balfour Stevenson
© wissenmedia
In zunehmendem Maße traten auch Schriftstellerinnen mit Jugendbüchern hervor (O. Wildermuth, J. Spyri, im 20. Jahrhundert skandinavische Schriftstellerinnen wie S. Lagerlöf, M. Hamsun, A. Lindgren). Ein Meisterwerk fantastischen Erzählens ist L. Carrolls „Alice im Wunderland“ (1865), das eine ganze Reihe von Kinder- und Jugenbüchern mit fantastischer Motivik nach sich zog. Ein Nebeneinander von fantastischen und realistischen Zügen zeigen im 20. Jahrhundert die Werke von J. M. Barrie („Peter Pan“)und P. L. Travers („Mary Poppins“). Mit Tiergeschichten fanden K. Graham, H. Lofting, R. Kipling und W. Bonsels großen Anklang. Eine eher alltagsbezogene Thematik überwiegt dagegen im Jugendbuchwerk E. Kästners, während in den 1950er und 1960er Jahren O. Preußler mit märchennahen Geschichten große Erfolge erzielte und in den 1970er Jahren M. Ende mit „Momo“ und „Die unendliche Geschichte“ auch international Beachtung fand. Darüber hinaus verarbeitete die Kinder- und Jugendliteratur zunehmend zuvor tabuisierte Themen wie Sexualität, Drogen oder Behinderung (L. Ossowski, P. Härtling, G. Pausewang); auch der Nationalsozialismus wurde kindgerecht thematisiert (C. Kerr). Die Jugendliteratur der DDR setzte weitgehend ideologisch-pädagogische wie auch gesellschaftskritische Akzente (F. Fühmann).
Aktuelle und kontrovers diskutierte Themen wie Rechtsradikalismus oder Flüchtlingsschicksale, aber auch die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen, wie z.B. ihre Erfahrungen in der DDR, sind heutzutage in der Kinder- und Jugendliteratur zu finden. Auch verwischen zunehmend die Unterschiede zwischen anspruchsvoller Literatur für ältere Jugendliche und literarischen Werken, die sich an eine junge erwachsene Leserschaft richten. Beispiele hierfür sind neben den fantastischen Romanen, die in der Nachfolge J. R. R. Tolkiens stehen (z. B. J. K. Rowlings Harry-Potter-Bücher), die Geschichten von W. und H. Hohlbein oder die häufig von Jugendlichen gelesenen Thriller von S. King.
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