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Neuer Anlauf im Klimaschutz
Es könnte dringlicher und deutlicher nicht sein: Überall auf der Welt belegen zunehmende Wetterextreme wie Hitzewellen, Dürren, Stürme oder Überschwemmungen, dass sich das Klima unseres Planeten wandelt. Denn mit dem schleichenden Anstieg der globalen Mitteltemperaturen verändern sich auch großräumige Luftströmungen, Regenmuster und damit auch die Wetterlagen. Als Folge kommt es zu ungewöhnlich warmen, trockenen Sommern wie in diesem Jahr, aber auch zu sintflutartigen Regenfällen wie beim Monsun in Asien und schweren Hurrikans.
Die Vorgeschichte
Um die Folgen dieser Klimaveränderungen zu begrenzen, muss die anhaltende globale Erwärmung begrenzt werden, darüber sind sich Forscher und Politiker einig. Momentan liegen die weltweiten Mitteltemperaturen rund ein Grad höher als noch vor der industriellen Revolution – und schon jetzt sind dadurch erste Folgen spürbar. Nach den Berechnungen des Weltklimarats IPCC müsste der weitere Anstieg der Temperaturen daher auf zwei Grad, besser noch auf 1,5 Grad über den präindustriellen Werten begrenzt werden, um noch schlimmere Konsequenzen zu vermeiden.
Dieses Wissen bildet die Grundlage des Klimaabkommens von Paris: Im Dezember 2015 einigten sich Regierungsvertreter aus aller Welt darauf, die globale Erwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen und 1,5 Grad als Obergrenze anzustreben. Diese Einigung galt als eine große Wende im internationalen Klimaschutz – endlich schienen die Weichen gestellt, um die Treibhausgas-Emissionen zu senken und damit den Klimawandel aufzuhalten. Den Weg dahin sollten nationale Verpflichtungserklärungen (NDC) ebnen, in denen die Mitgliedsstaaten ihre jeweiligen Klimaziele bis 2030 definierten.
Der aktuelle Status des Klimas
Soweit die Theorie. In der Praxis jedoch sieht es leider anders aus. Seit 2015 ist der Treibhausgas-Ausstoß der Menschheit nahezu ungebremst weiter angestiegen. Vor wenigen Tagen erst berichtete die World Meteorological Organisation (WMO) über neue Rekorde bei den Treibhausgaswerten: Der CO2-Gehalt der Atmosphäre ist im Jahr 2017 auf 405,5 ppm angestiegen – das ist eine erneute Steigerung gegenüber den beiden Vorjahren und ein neuer Rekord. "Eine vergleichbare Konzentration von CO2 hat die Erde zuletzt vor drei bis fünf Millionen Jahren erlebt", sagte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas. "Damals war es zwei bis drei Grad wärmer als heute und die Meeresspiegel lagen um zehn bis 20 Meter höher."
Ein weiterer Statusbericht der WMO dokumentiert, dass auch das Jahr 2018 wieder zu den wärmsten der Geschichte gehören wird: Es ist das viertwärmste Jahr seit Beginn der Klimaaufzeichnungen. Damit haben nun 20 der letzten 22 Jahre neue Wärmerekorde gebrochen, die letzten vier Jahre waren die wärmsten in Folge. "Wir sind nicht auf Kurs, um die Klimaschutzziele zu erreichen und die Erwärmung aufzuhalten", konstatiert Taalas. "Wenn der aktuelle Trend anhält, werden wir bis zum Ende des Jahrhunderts Temperaturzunahmen von drei bis fünf Grad sehen."
Worum geht es beim Klimagipfel?
All dies bildet nun den Hintergrund für die aktuellen Verhandlung auf dem Weltklimagipfel in Kattowitz. Noch bis zum 14. Dezember werden Vertreter der 197 Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention (UNFCC) darüber beraten, wie dem Klimawandel doch noch Einhalt geboten werden kann. Hauptziel der Konferenz ist es, das Regelbuch zum Pariser Klimaabkommen zu verabschieden.
"Wie bei jedem Vertrag ist das Kleingedruckte von entscheidender Bedeutung. Hier entscheidet sich, ob das Abkommen hält, was wir uns seit Paris davon versprechen oder ob es zu einem zahnlosen Papiertiger wird", kommentiert Wolfgang Obergassel vom Wuppertal Institut. In dem Regelbuch ist unter anderem festgelegt, wie die regelmäßigen Fortschrittsberichte der Staaten aussehen und wer wem wieviel "in die Karten" schauen darf. Ein Entwurf für dieses Regelbuch war bereits auf der Vorkonferenz in Bonn ausgearbeitet worden.
"Wir müssen unsere Bemühungen verdreifachen!"
Gleichzeitig aber wird es beim Klimagipfel auch darum gehen, die schon von den Ländern eingereichten Klimaschutzziele weiter aufzustocken. Denn bisher reichen die darin niedergelegten Minderungsziele nicht aus, um die Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Der aktuelle "Emissions Gap"- Bericht der UN-Umweltorganisation UNEP untermauert dies. "Unsere Daten zur Emissionslücke zeigen, dass die ursprünglich in den NDC niedergelegten Bemühungen verdreifacht werden müssen, um das Zwei-Grad-Szenario zu schaffen und verfünffacht für die Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad", so die UNEP.
Hinzu kommt, dass selbst die bisher eingereichten Selbstverpflichtungen von vielen Ländern nicht erreicht werden. Dem UNEP-Bericht nach ist von den G20-Staaten nur eine Minderheit auf einem Klimaschutzkurs, mit dem sie ihre in Paris eingereichten NDCs für 2030 erfüllen werden. "Die Staaten müssen schnell handeln, um ihre aktuellen Verpflichtungen zu erfüllen", heißt es im UNEP-Bericht. "Bis 2020 benötigen wir dann neue ehrgeizigere NDCs, um das gemeinsam vereinbarte Ziel zu erreichen." Ob die Klimakonferenz von Kattowitz dafür neue Anstöße liefert, bleibt abzuwarten.