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Warum gehen wir dubiosen Persönlichkeitstests auf den Leim?

Horoskope und Persönlichkeitstests im Internet scheinen uns manchmal verblüffend gut zu charakterisieren, obwohl sie eigentlich nichts über uns wissen. Doch woran liegt das? Ein Experiment zeigt, welcher psychologische Effekt für unsere Leichtgläubigkeit verantwortlich ist – und was ein Zirkusdirektor damit zu tun hat.
JFL, 20.12.2021

Selbst bei seriösen Persönlichkeitstests sind vereinfachte Selbstbeschreibungen ein Manko. Weil die Beschreibungen so allgemein gehalten sind, kann sich darin jeder wiederfinden.

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Von außen betrachtet sah das Experiment erstmal seriös aus. Für eine Folge des YouTube-Formats „Die Frage“ von Funk sollten sich sechs junge Menschen melden, die gerne an einem Persönlichkeitstest teilnehmen wollen. Das Setting war ebenso glaubhaft: Die Moderatorin und eine Persönlichkeits-Coachin begrüßten die Gäste, sie sollten sich setzen und einen Fragebogen ausfüllen.

Anschließend sollten die Testpersonen noch ein Bild eines für sie perfekten Tages malen. Außerdem hatten alle einen persönlichen Gegenstand mitgebracht – einige brachten ihren Ehering mit, andere ihr Lieblingsbuch oder ihr Schutzengel-Kuscheltier. All diese Dinge gaben sie der vermeintlichen Persönlichkeits-Analystin, die sich dann eine Stunde zurückzog, um von jedem ein Profil zu erstellen.

Überraschend zutreffende Persönlichkeitsanalysen

Das Ergebnis überraschte die meisten positiv. Sie erkannten sich in ihrem Profil wieder und fühlten sich gut getroffen. Es fielen Aussagen wie „Das würde ich absolut so unterschreiben“ oder „Ich habe das Gefühl, dass das hundert Prozent passt.“ Doch kurze Zeit später kam die Auflösung: Die vermeintliche Coachin war eigentlich eine Schauspielerin und alle Teilnehmer hatten denselben Text als Persönlichkeitsprofil bekommen.

Dass die Teilnehmer die Texte trotzdem als auf sie persönlich zugeschnitten einschätzten, überrascht Christoph Bördlein nicht. Er ist Psychologe an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt und begleitete das Experiment. Die Teilnehmer sind laut Bördlein dem sogenannten Barnum-Effekt zum Opfer gefallen. Dieser wurde nach dem amerikanischen Zirkusdirektor Phineas Barnum benannt, dessen Motto es war, „für jeden eine Kleinigkeit dabei“ zu haben.

Nur allgemeine Aussagen

Ähnlich verhielt es sich auch mit den vermeintlich individuellen Persönlichkeitsanalysen. Aussagen wie „Du hast eine Neigung zur Selbstkritik“ oder „In manchen Situationen fällt es dir deutlich leichter zu reden als in anderen“ treffen quasi auf jeden zu. Hinzu kommt, dass Menschen bei solchen Texten dazu neigen, die positiven Treffer stärker zu gewichten als die Aussagen, die nicht so sehr zutreffen.

Auch das Setting spielt laut Bördlein eine wichtige Rolle. Die Coachin und die Fragebögen vermitteln Seriosität, der mitgebrachte persönliche Gegenstand lässt die Teilnehmer zusätzlich glauben, dass das Persönlichkeitsprofil auf sie gemünzt ist. Die Aufforderung, ein Bild zu malen, sei nochmal ein weiterer Schritt dorthin, erklärt der Psychologe. Dadurch, dass es vielen Menschen peinlich ist, spontan so ein Bild zu malen, erwarten sie, dass sich das Ergebnis lohnt.

Sogenannte Barnum-Aussagen betonen vor allem Aspekte, die allen Menschen gemeinsam sind, oder Eigenschaften, die alle Menschen gerne besitzen würden. Der Barnum-Effekt gilt oft als Ursache für den Erfolg von Horoskopen.

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Barnum-Effekt kann ausgenutzt werden

Die vermeintliche Leichtgläubigkeit der Versuchsteilnehmer ist laut Bördlein allerdings keine Charakterschwäche. Sie haben sogar größtenteils ernsthaft versucht, zu prüfen, wie gut das Persönlichkeitsprofil auf sie zutrifft. Durch das Setting und die Formulierungen des Profils wurden sie aber psychologisch ausgetrickst.

Den Barnum-Effekt konnte man beispielsweise vor kurzem auch auf Instagram beobachten. Über die neue „Du bist dran“-Funktion wurden Nutzer dazu aufgerufen, ihren Namen im „Urban Dictionary“ zu suchen und das Ergebnis zu teilen. Die Einträge waren durchweg positiv formuliert, allerdings auch sehr allgemein gehalten. Obwohl vielen Nutzern bestimmt aufgefallen ist, wie unkonkret die Formulierungen waren, fühlten sie sich geschmeichelt und teilweise auch in ihrer Persönlichkeit bestätigt.

Bei Instagram-Komplimenten oder im Rahmen des Funk-Experiments ist der Barnum-Effekt erstmal harmlos. Bördlein, der nebenbei noch Mitglied in der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften ist, warnt aber vor Horoskopen und Persönlichkeitscoaches, die sich den Effekt zunutze machen, um damit Geld zu verdienen. Die sechs Versuchsteilnehmer gaben jedenfalls an, Analysen dieser Art in Zukunft skeptischer zu betrachten.

Quelle: Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt

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