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Alfred Nobel: 150 Jahre Dynamit

Das Dynamit feiert Jubiläum: Am siebten Mai 1867 hat Alfred Nobel ein Patent auf sein sogenanntes "Sicherheitspulver" eingereicht. Indem er das hochexplosive Nitroglycerin mit Kieselgur mischt, macht er es transportsicher und ebnet den Weg für ehrgeizige Großbauprojekte wie den Gotthardtunnel durch die Alpen. Doch der Preis seiner Entdeckung ist hoch, denn schwere Explosionen in Nobels Fabriken werfen ihn mehrmals zurück. Am Ende seines Lebens widmet er sein Vermögen der Wissenschaft - und ehrt bis heute bedeutende Forscher mit dem hochdotierten Nobelpreis.
CLU, 08.05.2017

Mit dem Dynamit gab es erstmals einen Sprengstoff, der sich problemlos portionieren und transportieren ließ.

thinkstock.com, fergregory

Fast sein ganzes Leben lang beschäftigte sich der Chemiker mit Sprengstoffen und deren Weiterentwicklung. Ohne drei wichtige Wegweiser wäre es aber vielleicht nie zu Nobels legendärem Erfolg gekommen. Doch welche Rolle haben sein Vater, ein Italiener und der Zufall wirklich im Leben des Schweden gespielt?

Als Sohn einer wohlhabenden Familie erhielt der junge Alfred Nobel Privatunterricht sowohl in den naturwissenschaftlichen Fächern als auch in Literatur und in verschiedenen Sprachen.

Gemeinfrei

Zwischen Chemie und Literatur

Schon in jungen Jahren zeigt der 1833 in Stockholm geborene Alfred Bernhard Nobel eine Vorliebe für Chemie und Technik. Doch auch für die Literatur kann er sich begeistern. Nach Ansicht von Nobels Vater, selbst leidenschaftlicher Ingenieur der Waffen- und Sprengmitteltechnik, scheint diese kulturelle Ader für seinen Sprössling aber wohl keine Option mit Zukunft zu sein.

Um dem Sohn derartige Flausen gleich wieder aus dem Kopf zu schlagen, organisiert er schon früh Privatunterricht mit Schwerpunkt auf dem Gebiet der Chemie. Zudem schickt er seinen Jungen mit 17 Jahren auf eine zweijährige Studienreise, auf der Alfred Nobel verschiedene Labore in Deutschland, Frankreich und den USA besucht. So stellt Nobels Vater letztlich die Weichen für dessen wissenschaftliche Karriere.

Sprengkraft in Tropfen

Während Nobel selbst noch in der Ausbildung ist, findet ein weiteres wichtiges Schlüsselereignis auf dem Weg zur Erfindung des Dynamits statt: Der Italiener Ascanio Sobrero entdeckt den ersten Flüssigsprengstoff der Geschichte. In den Laboren des Pariser Chemikers Théophile-Jules Pelouze bringt er Glycerin mit einer Mischung aus Schwefel- und Salpetersäure zusammen und stellt so die hochexplosive Flüssigkeit Nitroglycerin her.

Die metastabile Substanz kann schon bei leichtem Druck oder kleinsten Erschütterungen explodieren. Dabei zersetzt sie sich in Sekundenbruchteilen zu Kohlendioxid, Stickstoff, Stickstoffmonoxid und Wasserdampf. Die entstandenen Gase nehmen ein viel größeres Volumen ein als der Flüssigsprengstoff vorher, sodass sie sich in Form einer Schockwelle ausbreiten - und mit dieser Sprengkraft großen Schaden anrichten können.

Das zerstörerische Potential erlebt der Entdecker am eigenen Leib: Mehrfach fliegt ihm bei Experimenten der Versuchsaufbau in die Luft. Sobreros Gesicht ist von den schweren Verletzungen dieser Unfälle entstellt. Gezeichnet durch diese schmerzhaften Lehren, warnt der Forscher eindringlich vor den verheerenden Gefahren des Nitroglycerins, als er seinen Fund im Februar 1847 der Fachwelt präsentiert. In seinen Augen ist der Sprengstoff schlicht nicht handhabbar. Er hält einen praktischen kommerziellen Nutzen für ausgeschlossen.

Eine schicksalhafte Begegnung

Die Bemühungen von Sobrero, seine Erfindung möglichst wenig publik zu machen, sollten sich jedoch bald als vergebens erweisen. Denn während Nobels Studienreise macht dieser 1850 auch im Pariser Labor von Théophile-Jules Pelouze halt. Dort trifft er auf Sobrero und erfährt vermutlich zum ersten Mal von dessen Nitroglycerin: Eine Begegnung mit weitreichenden Folgen.

Als Nobel 1852 in die Fabrik seines Vaters in St. Petersburg zurückreist, spielt das Nitroglycerin zunächst jedoch keine Rolle. Er hat alle Hände voll im Familienunternehmen zu tun, das durch den Krimkrieg große Gewinne mit der Produktion von Waffen einfährt. Mit dem Ende des Krieges bleiben aber plötzlich die Aufträge aus und die Nobels geraten in finanzielle Schwierigkeiten.

Das Zähmen einer Bestie

Eine Lösung muss her - und sie heißt Nitroglycerin. Nobels Chemielehrer erinnert den jungen Unternehmer an das unausgeschöpfte Potenzial des Flüssigsprengstoffes. So kehrt Alfred Nobel 1859 schließlich in seine Geburtsstadt Stockholm zurück, um anzupacken, was Sobrero aus Respekt vor der Zerstörungskraft nicht wagte: Allen Warnungen zum Trotz will Nobel die kommerzielle Nutzung von Nitroglycerin ermöglichen - und der Familie so aus der wirtschaftlichen Krise helfen.

Die Arbeit mit Nitroglycerin ist wie erwartet kein leichtes Unterfangen. Aber 1861 gelingt es Nobel schließlich mit Hilfe seines Vaters, das "Sprengöl" in großtechnischem Maßstab herzustellen. Der Einsatz als Sprengstoff wird aber neben dem riskanten Transport noch durch die Tatsache erschwert, dass Nitroglycerin sich nicht einfach über eine Zündschnur zur Detonation bringen lässt, wie das sonst verwendete Schwarzpulver.

Doch nur zwei Jahre später findet Nobel für dieses Problem eine Lösung: Er lässt sich einen raffinierten Zündmechanismus patentieren, der die kontrollierte Sprengung des Nitroglycerins aus sicherer Entfernung ermöglicht. Dazu hat der Erfinder ein spezielles "Zündhütchen" entwickelt. Über eine Lunte lässt sich darin eingebrachtes Knallquecksilber sprengen und bringt durch die entstehende Druckwelle dann das darunterliegende Nitroglycerin zur Detonation. Stoßempfindlich bleibt der Sprengstoff aber weiterhin.

Nach dem Unfall, bei dem sein Bruder umgekommen war, verlegte Nobel die Nitroglycerinfabrik an den Vinterviken im Westen Stockholms. Dort, im Stadtteil Aspudden, kann man heute risikolos die erhaltenen Produktionsstätten besichtigen.
Ein verheerender Zwischenfall

Die Gefährlichkeit des Nitroglycerins wird Nobel nur wenige Jahre später schmerzlich in Erinnerung gerufen: An einem Septembermorgen im Jahr 1864 schreckt ein lauter Knall die Anwohner im Süden Stockholms auf. Auf dem Anwesen der Nobels ist ein Laborgebäude, in dem 125 Kilogramm der zerstörerischen Substanz gelagert waren, in die Luft geflogen. Die Explosion kostet fünf Menschen das Leben, darunter auch Nobels zehn Jahre jüngerer Bruder Oskar-Emil.

Doch weder der familiäre Verlust, noch das offizielle Verbot der Behörden, Nitroglycerin weiterhin auf bebautem Gebiet herzustellen oder zu lagern, bringen den wagemutigen Chemiker von seinem Vorhaben ab. Er umgeht die gerichtliche Verfügung einfach, indem er seine Forschung auf einen Schleppkahn verlagert, den er im Mälarsee vor der Stadt verankert. Hier brütet er weiter über seiner größten Herausforderung: den Transport und die Handhabung des Nitroglycerins endlich sicher zu machen.

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