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Gesellschaftstheorien: Nachdenken über Gemeinschaft

Strebt der Mensch von Natur aus nach Macht und Besitz?

Zumindest stellte Thomas Hobbes (1588–1679) diese Theorie auf. »Homo homini lupus est.« (Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.), beschrieb der englische Philosoph den Naturzustand der Menschheit.

Hobbes war der Erste, der nicht mehr Gott bzw. die göttliche Ordnung in das Zentrum der Gesellschaftstheorien stellte. Nur ein mit umfassenden Machtbefugnissen ausgestatteter, absolutistischer Staat, so Hobbes, könne diesen Krieg aller gegen alle verhindern und innerhalb der Gesellschaft ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleisten.

Wie unterscheidet man Gesellschaften?

Mit welchem »Etikett« man eine Gesellschaft versieht, hängt davon ab, unter welchen Gesichtspunkten man sie betrachtet. Beispiele sind die vorherrschende Erwerbsform (z. B. Agrargesellschaft), das politische System (kapitalistische Gesellschaft) oder der Stand der technischen Entwicklung (Industriegesellschaft). Indirekt spiegelt sich in der jeweiligen Charakterisierung auch ein bestimmtes Menschenbild bzw. eine bestimmte Gesellschafts- oder Wirtschaftstheorie wider.

Wozu dienen Gesellschaftstheorien?

Die im 17. und 18. Jahrhundert entworfenen Gesellschaftstheorien dienten u. a. als Begründung bzw. Rechtfertigung für bestimmte Staatsformen wie Absolutismus, konstitutionelle Monarchie oder Demokratie. In den Mittelpunkt der Soziologie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts rückte neben Theorien wie dem Marxismus die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit bestimmten, das Zusammenleben prägenden Teilaspekten. Gefragt wurde nun beispielsweise nach der Bedeutung von Werten und Normen, nach der Entstehung von Institutionen und nach den verschiedenen Formen zwischenmenschlichen Verhaltens (soziales Handeln).

Was hat Kommunikation mit Gesellschaft zu tun?

Laut den Theorien des Soziologen Niklas Luhmann (1927–1998) ist die Gesellschaft ein System, das aus verschiedenen Teilsystemen (z. B. Wirtschaft, Politik, Kultur) besteht, die durch Kommunikation miteinander verbunden sind und einander beeinflussen.

Luhmanns sog. strukturell-funktionale Theorie bzw. die darauf aufbauende Systemtheorie zählen zu den einflussreichsten und bedeutsamsten umfassenden Gesellschaftstheorien der Moderne. Danach ist Funktionalität, das heißt Zweckmäßigkeit, das oberste Handlungsprinzip aller Teilsysteme. Zweckmäßig sind Handlungen immer dann, wenn sie dazu dienen, das System aufrechtzuerhalten oder an veränderte Umweltbedingungen anzupassen.

Wird unsere Gesellschaft immer komplexer?

Ja, denn auch die Lebensumwelt des Menschen wurde vor allem in den letzten 200 Jahren aufgrund des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts immer vielschichtiger.

Auf die zunehmende Komplexität reagierte das System Gesellschaft durch eine zunehmende Differenzierung: Neue Teilsysteme entstanden, bestehende Teilsysteme wurden ausgebaut. Ein typisches Beispiel für diese Entwicklung ist die Differenzierung im Bereich der Kommunikationstechnik als »Reaktion« auf die industrielle Revolution des 18. und 19. Jahrhunderts und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen.

Ist eine bessere Welt utopisch?

In gewisser Weise schon, denn seit Jahrtausenden bringen Menschen ihre Sehnsucht nach einer besseren Welt und ihre Visionen künftiger Gesellschaften in utopischen Beschreibungen zum Ausdruck. Eine der ältesten Utopien formulierte der antike griechische Philosoph Platon (427–347 v. Chr.), als er den Inselstaat Atlantis beschrieb. Die dortige Gesellschaft soll ein Musterbeispiel an militärischer Kraft, Wohlstand und Gerechtigkeit gewesen sein, bis ein allmählich um sich greifender sittlicher Verfall zum Untergang führte. Der englische Staatsmann Thomas Morus (1478–1535) verfasste 1516 seine Schrift »Utopia«, die zur Namensgeberin einer ganzen Literaturgattung wurde. In Morus' Idealgesellschaft gibt es kein Privateigentum und kein Geld. 100 Jahre später beschrieb der italienische Philosoph Tommaso Campanella (1568–1639) in seinem Werk »Der Sonnenstaat« eine totalitäre Gesellschaft, in der alle Lebensbereiche (sogar Partnerwahl und Fortpflanzung) von Wissenschaft und Vernunft regiert werden.

Was ist eigentlich ...

eine Spaßgesellschaft? Eine Gesellschaft, bei der Konsum und Lebensfreude im Vordergrund stehen.

eine Risikogesellschaft? Eine Gesellschaft, in der den Gefahren, die mit der zunehmenden Individualisierung, Technisierung und Globalisierung verbunden sind, große Bedeutung zukommt.

eine offene Gesellschaft? Eine Gesellschaft, die ihren Mitgliedern unabhängig von Herkunft oder Geschlecht die gleichen Chancen zum sozialen Aufstieg ermöglicht.

eine postindustrielle Gesellschaft? Eine Gesellschaft, in der der Prozess der Industrialisierung so gut wie abgeschlossen ist und in der andere Lebens- und Wirtschaftsbereiche an Bedeutung gewinnen.

Materialien, künstliche Intelligenz, KI
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Intelligente Materie soll nicht nur auf Umwelteinflüsse reagieren und sich daran anpassen können. Sie soll zudem lernfähig sein und ein Gedächtnis besitzen.

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