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Den Fokus aufs Hören: Kinderhörspiele 2.0
Kindliche Sinne entdecken jeden Tag etwas Neues. Doch all die täglichen Eindrücke zu verarbeiten, ist nicht einfach – gerade in unserer technikorientierten Welt. Die modernen Umweltreize machen es schwierig, sich auf einen einzelnen Sinn zu konzentrieren. Dabei ist genau das wichtig: Zum Beispiel ist das Gehör der erste Sinn, der schon im Mutterleib funktionsfähig ist. Hören ist die Basis für den kindlichen Spracherwerb sowie die Lese- und Ausdrucksfähigkeit und fördert zusätzlich Fantasie, Kreativität und Konzentration.
Bunte Figuren statt CDs oder Kassetten
Doch wie schafft man es, dass sich Kinder nur aufs Hören konzentrieren? Eine seit Jahrhunderten bewährte Methode ist das Vorlesen oder Geschichtenerzählen – doch oft haben Eltern heute nicht die Zeit dafür. Patric Faßbender und Marcus Stahl, zwei Väter mit je zwei Kindern, suchten deshalb nach einer Alternative zu herumfliegenden CDs oder digitalen Displays im Zimmer. Sie entdeckten eine Marktlücke in der Kinderwelt. „Das hat überrascht“, sagt Faßbender selber.
Als gelernter Grafikdesigner erstellte er erste Skizzen seiner neuen Idee. Stahl als Ingenieur unterstützte ihn bei technischen Hürden und bei der Vermarktung. 2016 verließen die Düsseldorfer mit etwa Mitte vierzig ihre gelernten Berufe und gründeten stattdessen die Firma Boxine GmbH.
Aus den Ideen entstand nach drei Jahren Arbeit ein innovatives, aber simples Tonabspielgerät: Das Ergebnis nennt sich Toniebox, ein bunter, für Kinder konzipierten Würfel, der mit sehr einfacher Bedienung Kinderhörbücher abspielt. Möglich wird das durch spezielle Hörfiguren - den Tonies. Stellt das Kind eine Figur auf die Box, beginnt diese über den Würfel ihre Geschichte zu erzählen. Das Besondere: Statt durch Tasten oder einen Bildschirm abgelenkt zu werden, liegt der Fokus der Kinder nur auf den Lauten, die aus der Box erklingen. Als Ergänzung zum Zuhören kann mit den Figuren auch gespielt werden.
Die Hauptzielgruppe bilden Kinder von zwei bis acht Jahren. Mit den derzeit über 200 verschiedenen Tonie-Figuren können vor allem Kinderlieder, Hörspiele und Hörbücher abgespielt werden. Darunter sind deutschsprachige Kinderbuchklassiker wie „Das Sams“, „Conni“, „Benjamin Blümchen“, „Der Räuber Hotzenplotz“ oder „Der kleine Prinz“ oder auch Hörausgaben der Reihe „Was ist was“ . Einige sogenannte „Kreativ-Tonies“ können mit beliebigen Inhalten von 90 Minuten Länge bespielt werden. Übers Smartphone können so zum Beispiel die Großeltern eine Geschichte aufnehmen, in den Server hochladen und auf die Spielfiguren herunterladen.
Die Freude am Einfachen
Aber warum kann diese Innovation so begeistern? „An die Entwicklung von Produkten für Kinder wird oft sehr elternhaft herangegangen“, sagt Faßbender. Denn die meisten Geräte haben Play- und Vorspulknöpfe genau wie die der Erwachsenen. Die Tonie-Erfinder versuchten hingegen, wie Kinder zu denken.
Heraus kamen innovative Ideen: Wenn man die Box zur Seite kippt, spult die Geschichte vor, haut man darauf, ertönt das nächste Kapitel. Das Gerät arbeitet ohne direkten Tonträger. Audioinhalte wie Musik oder Hörspiele werden stattdessen aus dem Internet von Servern des Herstellers geladen und symbolisch über die speziellen Spielfiguren, die Tonies, aktiviert.
Versteckte Technik
So simpel das Spielzeug auch zu bedienen ist: Natürlich steckt in dem Produkt auch viel Technik. für die Kommunikation mit der Box enthalten die Figuren spezielle Chips. Die Box hat zusätzlich robuste Bewegungssensoren. Außerdem wird zum Herunterladen der Hörspiele das WLAN benötigt, um sich mit der Tonie-Cloud, dem Internetserver des Herstellers, zu verbinden. Der Akku der Box hält etwa sieben Stunden und muss danach aufgeladen werden.
Darüber hinaus gibt es allerdings auch Bedenken bezüglich des Datenschutzes: Um das Gerät nutzen zu können, muss man sich mit seiner E-Mail-Adresse anmelden und einen Account für die Tonie-Cloud anlegen. Außerdem muss die Toniebox an jedem neuen WLAN erneut registrieren werden, was eine Überwachung durch den Hersteller ermöglichen könnte.
In Kritik steht auch, dass die aus Hartgummi bestehenden Figuren in Tunesien hergestellt und die Tonieboxen selbst in China produziert werden. Auch die hohen Anschaffungskosten der Box von knapp hundert Euro sowie der jeweiligen Figuren, die etwa 15 Euro kosten, hindern einige Eltern am Kauf.