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Der Alt-Bundespräsident und seine Familie
Der 90. Geburtstag Richard Freiherr von Weizsäckers ist Anlass, nicht nur die Biographie des sechsten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland zu beleuchten, sondern auch die seines Vaters Ernst und seines Bruders Carl Friedrich. Alle drei Männer nahmen in der jüngeren deutschen Geschichte bedeutende Positionen in Politik und Wissenschaft ein. Und waren dennoch grundverschieden.
Der Bundespräsident: Richard Freiherr von Weizsäcker
Weizsäcker wurde am 15. April 1920 in Stuttgart als Sohn Ernst von Weizsäckers geboren. Richard ist der Bruder des Friedensforschers Carl Friedrich von Weizsäcker. Richard ist Wirtschaftsjurist und Rechtsanwalt; er studierte von 1937 bis 1938 Jura in Oxford und Grenoble; 1938 bis 1945 absolvierte er den Militär- und Kriegsdienst, unter anderem als Offizier des Potsdamer Infanterieregiments 9 in Russland. Danach unterbrach er sein Jurastudium in Göttingen und unterstützte seinen Vater von 1947 bis 1949 als Hilfsverteidiger bei dessen Anklage im Nürnberger Wilhelmstraßenprozess.
Richard war während und nach dem Studium im Bankwesen sowie in Industrieunternehmen führend tätig (zunächst bei Mannesmann in Düsseldorf, von 1958 bis 1962 als persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses Waldthausen und Co. in Essen und in Düsseldorf). 1954 trat er in die CDU ein und war von 1964 bis 1970 und von 1979 bis 1981 Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages, von 1969 bis 1984 war Weizsäcker Mitglied der Synode und des Rates der EKD sowie des Zentral- und Exekutivausschusses des Weltkirchenrates.
Als Mitglied des Bundestags (1969 bis 1981; 1979 bis 1981 Vizepräsident des Deutschen Bundestags) und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU nahm er bei den Debatten um die Verabschiedung der Ostverträge der Regierung Brandt eine vermittelnde Stellung zwischen Regierung und Opposition ein. Im Mai 1974 kandidierte Weizsäcker für das Amt des Bundespräsidenten, unterlag jedoch Walter Scheel (FDP). Von 1981 bis 1984 war Weizsäcker Regierender Bürgermeister von Berlin (West). Im Mai 1984 (erneut im Mai 1989) wählte ihn die Bundesversammlung zum Bundespräsidenten; bis 1994 im Amt, vermochte er – in einem vor allem ethischen Verständnis von politischer Kultur – seinem Amt konsensstiftend neue Geltung zu verschaffen und das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland (unter anderem durch die Rede vor dem Deutschen Bundestag am 8. 5. 1985) zu erhöhen.