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Doping im Freizeitsport: Bagatelle oder ernstes Problem?
Doping im Leistungsport macht immer wieder Schlagzeilen. Eher im Stillen spielt sich dagegen das Dopen im Freizeitbereich ab. Schon vor einigen Jahren ergaben Umfragen, dass vor allem junge, sportlich aktive Männer, aber auch Frauen durchaus bereit sind, ihrer Ausdauer und ihrem Muskelaufbau auch mit Tabletten, Pülverchen und anderen Mitteln nachzuhelfen.
Schleichender Übergang
Gerade in Fitness-Studios kann sich dabei eine richtige Kultur des "Optimierens" entwickeln. Laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI) nehmen in Deutschland gut zehn Prozent der Männer, die in Fitness-Studios gehen, frei verkäufliche Mittel zum Muskelaufbau an, weitere drei Prozent nutzen Abnehm-Präparate. Bei Frauen sind diese Zahlen etwa halb so hoch. Das allein ist noch nicht problematisch. Aber der Übergang von legalen Aufbaupräparaten zu Hormonen, Stimulanzien und anderen illegalen Dopingmitteln ist oft schleichend.
"Man beginnt mit einer Kreatin-Kur zur Steigerung der Muskelkraft und stößt damit womöglich eine Dynamik an. Zunächst etabliert sich Stück für Stück eine Kurenlogik, und dann prägt sich oftmals eine Dopingmentalität aus", warnt Sportexperte Mischa Kläber von der TU Darmstadt. "Die Dopingsituation im Freizeit- und Breitensport hat sich in den letzten Jahren stark zugespitzt." In der RKI-Studie gaben immerhin gut sieben Prozent der Freizeitsportler in Deutschland zu, sich mit verschreibungspflichtigen Mitteln zu dopen.
"Keine Bagatelle"
Das Problem dabei: "Die Einnahme wird häufig bagatellisiert“, erklärt Eberhard Nieschlag vom Universitätsklinikum Münster. "Im Leistungssport wird Doping vor allem als Verstoß gegen die Fairness geahndet. Freizeitsportler haben also vermeintlich wenig zu befürchten." Doch das ist ein fataler Irrtum. Denn Freizeitdoper müssen zwar selten befürchten, ausgeschlossen oder schwer bestraft zu werden, aber die gesundheitlichen Folgen des Dopens treffen auch sie.
"Die meisten Menschen, die solche leistungssteigernden Mittel einnehmen, sind sich der gesundheitlichen Risiken nicht bewusst", sagt der Mediziner Matthias Weber von der Universität Mainz. Denn von der schädlichen Wirkung spürt man oft nichts, bis es zu spät ist. Hinzu kommt, dass die Kombination verschiedener Präparate die Folgen oft noch verschlimmern.
Was sind die Folgen des Dopens?
Wie schädlich das Doping auch im Freizeitsport sein kann, zeigen immer wieder Todesfälle von Sportlern, die nach der langjährigen und hochdosierten Einnahme von Anabolika jung an Herzversagen gestorben sind. Todesursache war meistens eine Erkrankung des Herzmuskels, eine Herzrhythmusstörung oder ein Herzinfarkt. "Die Pathologen finden bei der Autopsie oft eine ausgedehnte Verkalkung der Blutgefäße", berichtet Nieschlag. "In den Herzkranzgefäßen kann dies einen Herzinfarkt auslösen."
Anabolika verschlechtern außerdem die Fließeigenschaften des Blutes, weil unter ihrem Einfluss mehr roten Blutkörperchen gebildet werden. "Der gewünschte Effekt ist eine Verbesserung der Sauerstoffversorgung im Gewebe", erklärt der Hormonexperte. Denn die roten Blutkörperchen sind die Sauerstofftransporteure in unserem Blut. Aber das Ganze hat einen Haken: Gibt es mehr von ihnen, wird das Blut dickflüssiger – und es kann schneller zu Blutgerinnseln und verstopften Adern kommen. "Im Gehirn hat das einen Schlaganfall, in den Lungen eine Lungenembolie und in den Beinen eine Thrombose zur Folge", so Nieschlag.
Und noch etwas wissen viele Sportler nicht - oder wollen es nicht wahrhaben: Die Psyche verändert sich ebenfalls. "Anabolika-Anwender sind häufig leicht erregbar und aggressiv. Sie neigen zur Selbstüberschätzung oder entwickeln sogar psychotische Symptome“, berichtet Nieschlag. Die Kehrseite dieser Hochgefühle bekommt man zu spüren, wenn man die Anabolika absetzt: Über Jahre können einem dann starke Depressionen zu schaffen machen.