Lexikon
Jazz
[dʒæz; der; englisch]
eine Ende des 19. Jahrhunderts im Süden der USA entstandene eigenständige und zunächst von den dort beheimateten Afroamerikanern geprägte Musik; sie ist das Produkt einer Mischung von afrikanischen und europäischen Musikstilen. Der Begriff Jazz ist seit etwa 1917 eingeführt, die Wortherkunft jedoch ungeklärt. Für die meisten Jazzstile sind folgende Merkmale charakteristisch:
1. die Improvisation, d. h. die spontane Erfindung einer Melodie (als Solo- oder Kollektiv-Improvisation) oder das Variieren einer vorgegebenen Melodie (Thema).
2. die Verwendung von Blue Notes, also das Schwanken zwischen kleinem und großem Intervall, so dass nicht notierbare Intonationen entstehen können (Hot Intonation).
3. der Swing, eine dem J. eigene rhythmisch-dynamische pulsierende Bewegungsform, die durch die Verschmelzung von betonten und unbetonten Schlägen sowie des Offbeat entsteht.
4. ein einzigartiges Verhältnis zu Tonbildung und Phrasierung.
5. die Persönlichkeit des interpretierenden Jazz-Musikers, die wichtiger ist als das vom Komponisten vorgegebene Material. Im Jazz werden Rhythmusgruppe (Schlagzeug, Klavier, Kontrabass, Gitarre, Tuba) und Melodiegruppe (Trompete, Posaune, Klarinette, Saxophon, Vibraphon, dazu auch Violine, Harfe und Querflöte) unterschieden.
Geschichte
Quellen des Jazz waren verschiedene Arten afroamerikanischer Musik wie Blues, Gospel und Spiritual sowie die weiße Marschmusik (Marching Band, Cakewalk). Als erste eigenständige Form des Jazz gilt der Ragtime. Aus diesen Richtungen entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts als bedeutendster Stil des frühen Jazz der New-Orleans-Stil, dessen wichtigste Vertreter S. Bechet und K. Ory waren. In Nachahmung dieses Stils durch weiße Musiker entstand der Dixieland-Jazz. Der Schwerpunkt der Jazz-Entwicklung verlagerte sich in den 1920er Jahren nach Chicago, wo die besten Bands des New-Orleans-Stils spielten (u. a. J. „King“ Olivers „Creole Jazz Band“ mit dem jungen L. Armstrong) und sich die Verschmelzung des Jazz mit dem Blues vollzog (B. Smith). Junge weiße Musiker schufen unter diesem Einfluss den Chicago-Stil, in dem die Gruppenimprovisation zugunsten von Soli zurücktrat. Der Chicago-Stil führte direkt in den Swing, der von Bigbands wie denen von F. Henderson, B. Moten oder D. Ellington ausgebildet wurde. Ab Mitte der 1930er Jahre wurde er durch C. Basie, B. Carter u. a. verfeinert; der bedeutendste Vertreter des Swing war B. Goodman, der mit seinem Orchester verschiedene Strömungen (New-Orleans Tradition, Kansas City Jazz und europäische Musizierpraxis) verschmolz.
Dixieland Jazz Band
Dixieland Jazz Band
© Corbis/Bettmann
Basie, William „Count“
William „Count“ Basie
© Corbis/Bettmann
Die zunehmende Kommerzialisierung des Swing führte in den frühen 1940er Jahren zu einer Gegenreaktion junger, meist schwarzer Musiker (D. Gillespie, T. Monk, C. Parker, L. Young, K. Clarke), zum Bebop, der durch rasche, hektische Tempi, Melodiephrasierungen sowie durch Rückkehr zu Improvisation und kleiner Besetzung gekennzeichnet ist. Gleichzeitig gab es den Progressive Jazz, eine Weiterentwicklung des Swing in Richtung zeitgenössischer Konzertmusik. Der Bebop fand in den 1950er Jahren seine Fortsetzung im Hardbop (u. a. A. Blakey). Ebenfalls als Reaktion auf die Vermarktung mancher Jazzarten (Dixieland-Revival) entstand in den 1950er Jahren der Cool Jazz, eine an europäischer Kunstmusik ausgerichtete, verhaltene Stilrichtung. Hauptvertreter: M. Davis, L. Konitz, S. Getz, J. Lewis, L. Tristano.
Ein radikaler Bruch mit allen bisherigen Traditionen wurde um 1960 vom Free Jazz vollzogen. Weder Form noch harmonische Abläufe sind festgelegt, der Rhythmus wird völlig frei gestaltet. Maßgeblich an der Entwicklung beteiligt waren M. Davis, C. Mingus, C. Taylor, J. Coltrane, O. Coleman.
Der europäische Jazz begann sich in den 1970er Jahren endgültig von den amerikanischen Vorbildern zu emanzipieren; zu den Wegbereitern in der Bundesrepublik gehörten A. von Schlippenbach, A. Mangelsdorff, P. Brötzmann, K. Edelhagen, K. Doldinger u. a.; in der DDR W. Dobschinsky, E.-L. Petrowsky, G. Sommer. Seit den 1980er Jahren ist immer mehr die Überlagerung verschiedener Stile zu beobachten; der Jazz geriet in eine bis zur Gegenwart anhaltende eklektizistische Phase mit Rückgriffen auf Swing, Bebop, Hardbop, Rhythm & Blues; dazu kommen Neoklassizismus, Weltmusik, Fusion und Jazzrock, No Wave, Acid Jazz, Minimal Music, Hip-Hop, Heavy Metal und New Wave, um dem Jazz neue Impulse zu geben.
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