Lexikon

Mstik

[
die; griechisch
]
eine Grundform religiösen Lebens, die durch Versenkung die Trennung zwischen menschlichem Ich und göttlichem Sein im Erlebnis der Vereinigung (Unio mystica) bzw. der geistigen Schau aufzuheben sucht und zumeist als höchste Stufe der Frömmigkeit gilt. Mystik tritt in den verschiedensten Formen auf: 1. richtet sie sich auf verschiedene Gegenstände: auf den transzendenten Gott (katholische Mystik), auf das sächlich verstandene Göttliche, z. B. das unpersönliche All-Eine (im Pantheismus, im Brahmanismus, im Daoismus) oder auf das Nirvana, Verlöschen als Erlösungsziel (Buddhismus); 2. versteht sie sich als „Entwerdung“ des Menschen auf Gott hin oder als Erfüllung des Menschen von Gott her; 3. unterscheidet sie sich in ihren Auswirkungen im Leben als quietistische Mystik, das ist untätig ruhende Versenkung (Shankara, Miguel de Molinos) und als tätig handelnde Mystik (Meister Eckhart); 4. kennt sie verschiedene Wege zur Vereinigung: Rauschmittel, ekstatischer Tanz (griechische Mysterien), ethische Anstrengung (Askese) oder Konzentration geistiger Art (tibetanische Mystik).
Größten Einfluss auf die christliche Mystik hatten die vom Neuplatonismus abhängigen Schriften des Dionysius Areopagita. Eine besondere Blüte erlebte die Mystik im Hochmittelalter durch Bernhard von Clairvaux („Brautmystik“), die Mystik der Mönchs- und Nonnenorden (franziskanische Kreuzesmystik) und besonders die spekulative Mystik des Meisters Eckhart und, von ihm abhängig, H. Seuses und J. Taulers.
Mystik war auch der Philosophie nicht fremd (Platons Verhältnis zu den Mysterien; Mystik bei Plotin, Proklos und den anderen Neuplatonikern; Nikolaus von Kues, Erasmus von Rotterdam; Mystik des Rationalismus: P. Poiret, N. de Malebranche, B. Spinoza; Mystik des deutschen Idealismus usw.), insofern diese das Übergegenständliche, Transzendente, das Überbegriffliche (Irrationale) und Absolute zu erfassen und sich anzueignen sucht. Erfolgt diese Aneignung im denkenden Erkennen durch intellektuelle Anschauung, so spricht man von Erkenntnismystik.
Mystik findet sich ebenso in der deutschen Literatur. Schon vor 1200 zeigen sich Spuren (z. B. bei Hildegard von Bingen); Mitte des 13. Jahrhunderts fand die deutsche Frauenmystik in Mechthild von Magdeburg ihre erste große Sprecherin. Die Dominikanermystik des 14. Jahrhunderts (Eckhart, Tauler, Seuse) knüpfte literarisch vielfach an die Formen der höfischen Dichtung an (besonders Seuse). Mystische Strömungen waren am Ende des Mittelalters weit verbreitet (Gottesfreunde, Brüder vom gemeinsamen Leben, die niederländische Devotio moderna). Über die Mystik der Barockzeit (V. Weigel, J. Böhme) wirkten Kräfte der Mystik bis in den Pietismus.
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