Lexikon

Natrvölker

ein im 18. Jahrhundert geprägter Begriff (erstmals bei J. G. Herder) für jene Völker und Stämme, mit denen sich die wissenschaftliche Völkerkunde (Ethnologie) befasst. Er trat an die Stelle von diskriminierenden Bezeichnungen wie „Barbaren“, „Heiden“ oder „Wilde“ und blieb bis in unsere Zeit gebräuchlich. Man charakterisierte Naturvölker als Völker, die einer vermeintlich ursprünglichen, dem Naturzustand nahe stehenden Entwicklungsstufe zuzurechnen sind, über ein geringes Maß an Naturbeherrschung und einfache politische und wirtschaftliche Organisationsformen sowie eine gering entwickelte technologische Ausrüstung verfügen. Der Begriff wurde häufig im Gegensatz zu den Begriffen „Kulturvölker“ und „Hochkulturen“ verwendet. Die ethnologische Forschung hat aber erbracht, dass die Lebensform vieler Völker, die als Naturvölker bezeichnet werden, als Ergebnis einer langen kulturellen Entwicklung zu betrachten ist, diese Völker ausgezeichnete Kenntnisse über Naturzusammenhänge besitzen und ihre sozialen und religiösen Strukturen oft eine hohe Komplexität erkennen lassen. Der Begriff „Naturvölker“ wird daher in der modernen Völkerkunde vermieden. Als neutraler wird die Umschreibung des Begriffs als Völker, die heute in Rand- oder Rückzugsgebieten leben und einen engen Bezug zu ihrer natürlichen Umwelt haben, angesehen. Die Zahl dieser Völker geht ständig zurück, teils durch Aussterben, teils durch Aufgehen in anderen Volksgruppen oder durch Angleichung ihrer Kultur. Man schätzt ihre Zahl auf unter 6% der Erdbevölkerung.

Kunst

Die Kunst der Naturvölker ist deutlich funktionsgebunden (Götter-, Geister-, Ahnenfiguren, Kultgerät; Figuren mit Abschreckungs- und Schutzwirkung gegen Zauber; Dekoration von Gebrauchsgegenständen, gelegentlich mit magisch wirksamen Motiven u. Ä.). Die Herstellungsverfahren sind rein handwerklich. Die bearbeiteten Materialien sind außerordentlich vielfältig.
Man hat die Kunst der Naturvölker durch bestimmte Begriffe zu charakterisieren versucht, etwa als symbolistisch: z. B. unproportioniert großer Kopf als Sitz von besonders viel Mana (Maori, Neuseeland), Betonung der Genitialien als Symbol der Fruchtbarkeit, herausgestreckte Zunge als Symbol der Abschreckung (Gorgo-Motiv, Ozeanien); oder als repräsentierend: Wenn nur einzelne wichtige Merkmale eines Objekts dargestellt sind, ist dieses eindeutig bestimmt. Sollen Individuen dargestellt werden, so werden diese nicht durch Porträtähnlichkeiten, sondern durch die Beigabe charakterisierender Attribute kenntlich gemacht.
Im Zuge der Emanzipation der Dritten Welt von der europäischen Bevormundung ist es häufig zu Wiederbelebungen traditioneller Formen gekommen. Wenn sie einerseits Einflüsse aus dem abendländischen Kulturkreis aufnahm, so hat doch die Kunst der Naturvölker andererseits nachhaltig auf die europäische Kunst des 20. Jahrhunderts gewirkt (P. Gauguin, P. Picasso, Expressionisten).
Der Tonga-Vulkan am 15. Januar 2022 um 5.40 Uhr Weltzeit, etwa 100 Minuten nach dem Beginn des Ausbruchs (Erde: rechts unten, Vergrößerung links). Das Foto stammt vom japanischen Satelliten Himawari-8.
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