Lexikon
türkische Literatur
Vom 13. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts stand die türkische Literatur als Bildungskunst der Oberschichten unter islamischem, besonders persischem Einfluss. Die Blütezeit dieser älteren türkischen Literatur lag im 16. Jahrhundert. Mit dem Einströmen westlicher Bildung stand das 19. Jahrhundert unter französischem Einfluss. Roman, Theater und Essay wurden in die türkische Literatur durch die Schriftsteller der Tanzimat-Zeit (Mitte des 19. Jahrhunderts) eingeführt. Die um die 1891 gegründete Zeitschrift Servet-i-fünun („Schatz der Wissenschaften“) gescharten Schriftsteller suchten neuen Inhalt und neue Form. Ihre Parole war „l'art pour l'art“. 1908 begannen die Schriftsteller der Gruppe Fedjri-Ati („Morgenröte der Zukunft“), sich der nationalen Literatur mit der Losung „halka doǧru“ („hin zum Volk“) zuzuwenden.
Die Hauptvertreter einer neuen sprachpuristischen Dichtergeneration sind Ömer Seyfettin, Mehmet Emin Yurdakul u. a. Ahmet Haşim führte den Symbolismus in die türkische Literatur ein. Seiner Generation gehören zwei weitere Dichter ersten Ranges an: Yahya Kemal Beyatli, der seine Inspiration aus der parnassischen Schule schöpfte, und Ziya Gökalp, der Erste unter den türkischen Soziologen und den Theoretikern des Nationalismus; er benutzte die Dichtkunst mehr für didaktische Zwecke. In der Dichtung haben sich die Lyriker Orhan Veli Kanik, Oktay Rifat, Fazil Hüsnü Daǧlarca, ferner Attila Ilhan, Behçet Necatigil, Nefzat Üstün u. a. An der Spitze der Romanschriftsteller in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts steht der Erzähler Yakup Kadri Karaosmanoglu, ihm zur Seite stehen Sabahattin Ali und Resat Nuri Güntekin, dessen einfacher, gefälliger Stil ihn zum populärsten und bekanntesten türkischen Romancier gemacht hat (Roman: „Der Zaunkönig“). Als sprachmächtiger revolutionärer Lyriker und Dramatiker, zu Lebzeiten als Marxist in der Türkei verfemt, gilt Nazim Hikmet. Sait Faik Abasiyanik und Orhan Kemal wurden mit ihren Kurzgeschichten bekannt. Seit den 1950er Jahren haben vor allem Yaşar Kemal, Kemal Tahir und Fakir Baykurt mit ihren realistischen Romanen über das dörfliche Leben in Anatolien und den Konflikt zwischen Stadt und Land große Beachtung gefunden. Aziz Nesin wurde mit seinen zeitkritischen und satirischen Romanen und Erzählungen populär. Zu den wichtigen Vertreterinnen der Frauenliteratur zählen u. a. Leyla Erbil, und Sevgi Soysal. Als bedeutendster türkischer Gegenwartsautor gilt Orhan Pamuk, der 2006 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Breite Leserschichten erreichen heute in der Türkei Adalet Agaoglu oder Murathan Mungan.
Seit den 1960er Jahren entwickelte sich in Deutschland eine deutsch-türkische Literatur, die zunächst als sog. Migrationsliteratur die Erfahrung der türkischen Einwanderer widerspiegelte (u. a. Aras Ören und Güney Dal). Deutschsprachige Autorinnen und Autoren türkischer Herkunft wie Emine Sevgi Özdamar oder Feridun Zaimoglu sind heute feste Größen der deutschen Gegenwartsliteratur.
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