Lexikon

Zünfte

korporative Verbände der städtischen Handwerker und Kleinhändler (Krämer). Neben Zunft sind regional verschiedene, aber bedeutungsgleiche Bezeichnungen anzutreffen, u. a. Gilde, Amt, Handwerk, Innung, Meisterschaft, Bruderschaft, Gaffel, Zeche.
Es gab gewerblich homogene Zünfte, aber auch solche, in denen für politische Zwecke verwandte oder sogar disparate Gewerbe zusammengefasst waren. Im Unterschied zu modernen Fachverbänden besaßen die Zünfte umfassende gemeinschaftsbildende Zielsetzungen, die sehr verschiedenartigen Lebensbedürfnissen dienten.
Die Zünfte waren stets mehr als nur Gewerbeverbände zur Wahrung und Regulierung der wirtschaftlichen Rechte und Interessen ihrer Mitglieder. Der Gewerbeverband war organisatorisch erweitert durch die Zunftbruderschaft und die Zunftstube. Die Bruderschaft sorgte für die Präsenz der Zunft im kirchlich-liturgischen Raum, sicherte vor allem ein würdiges Begräbnis und die Fürbitte in Totenmessen (Jahrtage) und war für sozial-karitative Leistungen zuständig, indem sie bei krankheits- und altersbedingter Arbeitsunfähigkeit aus der Zunftkasse (Büchse) Darlehen oder Zuwendungen gewährte. Die Zunftstube war u. a. Ort festlicher und ritueller Mahlzeiten mit Umtrunk. Als Gewerbeverband besaß die Zunft den Zunftzwang, der das Recht zur Ausübung eines bestimmten Gewerbes und den Zugang mit den Produkten zum Markt an die Mitgliedschaft in der entsprechenden Zunft band. Das Bannmeilenrecht untersagte die Ausübung bestimmter Gewerbe im Umkreis von einer oder mehreren Meilen außerhalb der Stadt. Nichtzünftige Gewerbetreibende wurden als Bönhasen, Pfuscher oder Stümpler verfolgt. Zunftordnungen und städtische Satzungen regelten den Zunfteintritt, die berufliche Ausbildung, die Arbeitszeit, das Arbeitsverhältnis der Gesellen und Lehrlinge, deren Zahl sowie die Zahl der Werkstätten und technischen Produktionsmittel nach eher kleinbetrieblichen Maßstäben.
Wirtschaftlich-soziale Norm des Zünftlers war unter den Bedingungen chronischer Knappheit das Nahrungsprinzip, das auf die Sicherung eines auskömmlichen, standesgemäßen Lebensunterhaltes des Meisters und seiner Familie abzielte, nicht auf maximalen Gewinn und Expansion. Erschienen die konjunkturbedingten örtlichen Erwerbschancen eines Gewerbes und damit der Nahrungsspielraum nicht mehr als zureichend, so erschwerte die Zunft den Zugang und drängte wegen Über(be)setzung auf einen „Numerus clausus“ (Zunftschließung) oder gar auf eine allmähliche Reduktion der Meister. Streitigkeiten gab es unter den Zünften wegen der Abgrenzung ihrer Betätigungsfelder. Gegen Missbrauch ihrer Monopolstellung und gegen kartellartige Absprachen der Zünfte auch mit fremden Anbietern schritten die Stadtobrigkeiten mit Preistaxen und Marktverordnungen ein. Andererseits erhielten die Zünfte vielfach die Befugnis der Qualitätsprüfung (Warenschau) oder wurden an ihr beteiligt. Wo die Zünfte maßgebliches Gliederungsprinzip der Stadtverfassung waren, bildeten sie Einheiten für den Wachtdienst, die Brandbekämpfung und den Kriegsdienst. Seit dem 13./14.Jahrhundert erstritten die Zünfte eine Beteiligung am Stadtregiment (Zunftverfassung). Zunftordnungen (Briefe, Rollen, Schragen) und städtische Normen regelten die Verfassung der Zünfte, die interne Disziplin und gewerbliche Fragen. Wieweit die Zünfte ihre Angelegenheiten satzungsrechtlich autonom gestalten und eine interne Gerichtsbarkeit ausüben konnten, hing von ihrer Position gegenüber Rat und Stadtherrn ab. Vollmitglieder der Zünfte waren die Meister. Als nur passive und minderberechtigte Zunftangehörige strebten die Gesellen vielfach nach eigenen Vereinigungen. Leitungsgremien waren die Versammlung der Meister, Zunftvorstände und Zunftmeister oder Älterleute. Die Zünfte besaßen eine Kasse, ein Siegel, ein Wappen oder eine Fahne, die zusammen mit den Zunftdokumenten und Wertgegenständen (Zunftsilber) in der Zunftlade aufbewahrt wurden. Die Zünfte sicherten dem Handarbeiter eine kollektive Ehre, die in der Ehre der Zunft, der kunstgerechten Arbeit, in einem reichen rituellen Brauchtum, aber auch in einer rigiden Ausgrenzung von unfrei und unehelich Geborenen sowie von Angehörigen, „unehrlicher Berufe“ zum Ausdruck gebracht wurde.
Zünfte sind seit dem 12. Jahrhundert nachweisbar, Neugründungen erfolgten auch noch nach 1500. Ihre Ursprünge liegen weitgehend im Dunkeln. Entstehungstheorien führen sie auf eine herrschaftliche Organisation ursprünglich unfreier, hofrechtlich gebundener Handwerker zum Zweck der Marktkontrolle oder auf freie Vereinigungen zurück. In der Neuzeit gerieten die Zünfte wegen ihres übersteigerten Ehrbegriffs, wegen angemaßter Unehrlichsprechung anderer und Selbstjustiz, lächerliche Gebräuche und Zeremonien, schikanöser Zulassungsbeschränkungen, teurer und nutzloser Meisterstücke, schlechter Ausbildungsverhältnisse, wegen ihrer Monopolstellung und starrer Produktionsformen unter die Kritik von Aufklärung und Liberalismus. Gegen Missbräuche wandte sich insbesondere die Reichshandwerksordnung von 1731. In Frankreich wurden die Zünfte 1791 zugunsten der Gewerbefreiheit aufgehoben, im Reich während des 19. Jahrhunderts (1869 im Norddeutschen Bund). Auf fachliche Aufgaben beschränkte Nachfolgeorganisationen sind die Innungen und Handwerkskammern.
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