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Ökokleidung - ein sauberes Geschäft?

Schwermetalle, Weichmacher, giftige Farbstoffe: Immer wieder erreichen uns Meldungen über gesundheitsschädliche Substanzen in Kleidung. Gesünder und umweltschonend präsentieren sich die Hersteller von Ökokleidung. Aber die Siegel halten nicht immer, was sie versprechen.
von wissen.de-Redakteur Jens Ossa, Juni 2013

Bequem, bunt und ungesund

Kind im Kaufhaus
shutterstock.com/Losevsky Pavel
Neu gekaufte Klamotten gehören in die Waschmaschine, bevor sie auf die Haut kommen. Das weiß inzwischen wohl jeder. Doch nicht jeder kennt den wahren Grund. Ein Ausflug durch entsprechende Foren verrät: Viele meinen, das gehöre sich so, schließlich wisse man nie, wer das Zeug vorher anprobiert habe.

Tatsächlich aber liegen die Gefahren tiefer im Gewebe. Es beginnt damit, dass die meisten Werke ihre Produkte einer sogenannten Appretur unterziehen. Das heißt, sie mischen dem Material Mittel bei, um ihm Glätte, Glanz und Festigkeit zu verleihen. Da sind Stoffe, die für kräftigere Farben sorgen oder das Kleidungsstück knitterfrei machen – wer bügelt schon gern?

Doch was bequem und fürs Auge schön, muss für den Organismus noch lange nicht gut sein. So enthalten die Farbstoffe häufig Amine, und die sind einem Untersuchungsbericht der Umweltorganisation Greenpeace zufolge krebserregend. Ebenso Formaldehydharze, die etlichen Erzeugnissen aus Baumwolle oder Viskose das Prädikat "knitterfrei" geben. Einige der Präparate, besonders Farbstoffe, bergen ein Risiko für Allergiker.

Im Fokus der Umweltschutzorganisation stehen auch industrielle Reinigungsstoffe – Nonylphenolethoxylate (NPE) –, wie sie von Werk aus in die Kleidung kommen. Außerdem sogenannte Phthalate als Weichmacher in T-Shirt-Aufdrucken aus Kunststoff. Diese könnten die Fruchtbarkeit beeinträchtigen, heißt es. Von vielen der teils zu Hunderten in Kleidung vorkommenden Substanzen – sie machen bis zu einem Fünftel des Gesamtgewichts aus – ist die Wirkung nicht bekannt. Über Langzeitschäden weiß man praktisch noch gar nichts.

 

Schadstoffe im Wasser

141 Kleidungsstücke aus 29 Ländern ließ Greenpeace 2012 untersuchen. Das Ergebnis: Alle enthielten Rückstände der in der EU mittlerweile verbotenen NPE. Diese sind für Menschen an sich zwar nicht gefährlich, wohl aber für Fische. Und hier liegt das nächste Problem. Chemikalien aus Kleidungsartikeln gelangen nicht nur in unseren Organismus, sondern auch ins Wasser.

"Modemarken missbrauchen weltweit Flüsse als private Abwasserkanäle", sagt Christiane Huxdorff, Chemie-Expertin bei Greenpeace. Von der Produktion bis zur Entsorgung schadeten gefährliche Textilchemikalien Umwelt und Gesundheit. Und es bleibt nicht bei der Herstellung: Wenn die Industrie ihre Artikel in fernen Billiglohnländern mit Schadstoffen vollpumpt, gelangen diese bei uns durch die Waschmaschine ins Abwasser.

Darüber hinaus ist Mode zur schnelllebigen Massenware geworden, zur Fast Fashion, die aus viel Kunstfaser besteht, ein paarmal getragen und weggeworfen wird. 2011 haben deutsche Verbraucher laut Greenpeace rund sechs Milliarden Kleidungsartikel gekauft, in der gleichen Zeit landete eine Million Tonnen der Textilien auf dem Müll.

Seit 2011 fordert die Umweltorganisation mit einer Kampagne namens Detox die Branche auf, Schadstoffe durch umweltfreundliche Alternativen zu ersetzen. Tatsächlich kündigten im selben Jahr sieben Marktführer eine giftfreie Produktion an, darunter drei große Hersteller von Sporttextilien. Es folgten Erzeuger von Outdoor-Kleidung, die in der Regel ebenfalls zu nicht abbaubaren Chemikalien (Fluorverbindungen) greifen, um ihre Produkte wetterfest zu machen.

 

Faire Preise, erträgliche Arbeitsbedingungen

Die Antwort auf giftige Mode heißt Ökokleidung oder – um ihr ein geschliffeneres Image zu verpassen – Eco Fashion. Aber wie soll die aussehen? Zurück zu Jute-Röcken und Strickpullis, alles in natürlichen Brauntönen gehalten?

Die Materialien sind im Wesentlichen Baumwolle, Leinen, Hanf und Seide, so wie sie auch die herkömmliche Textilbranche zum Teil verarbeitet. Nur erfolgt der Anbau der Faser unter ökologischen Bedingungen. Und die Produktion kommt ohne schädliche Zusatzstoffe aus. In Schnitt und Design steht Naturmode den Massenprodukten in nichts nach.

Beim Färben der Textilien fordert die Detox-Kampagne von den Herstellern, auf schädliche Farbstoffe zu verzichten. Doch welche bleiben dann? "Solche, die ein GOTS-Zertifikat besitzen", erklärt Manfred Santen von Greenpeace. "Das steht für Global Organic Textile Standard. Hier kann man sich relativ sicher sein, dass keine krebserregenden oder andere schädliche Substanzen enthalten sind. Hersteller von Naturkleidung benutzen die zertifizierten Stoffe auf jeden Fall."

Ein bedeutender Aspekt, mit dem die Branche wirbt, ist das Fairtrade-Siegel: Man biete den Erzeugern, häufig kleinen Farmern in Schwellen- oder Dritte-Welt-Ländern, faire Preise für ihre Rohstoffe an und sorge für erträgliche Arbeitsbedingungen.

 

Wo Bio keine Alternative ist

Doch Ökokleidung hin oder her, die Produktion eines mit am meisten verwendeten Rohstoffs ist selten wirklich umweltfreundlich. Die Rede ist von Baumwolle. Anbau und Produktion verschlingen laut einem dpa-Bericht mehr als doppelt so viel Wasser wie alle deutschen Haushalte pro Jahr. Umgekehrt gehen für die Baumwolle, die deutsche Verbraucher in einem Jahr in allen möglichen Formen kaufen, 6,4 Milliarden Kubikmeter Wasser drauf. Die Angaben beruhen auf Berechnungen des statistischen Bundesamtes in Wiesbaden.

Bio-Baumwolle sei keine echte Alternative, sagt Saphir Robert von der Verbraucher Initiative Berlin e.V. "Hier wird zwar verstärkt auf einen geringeren Einsatz von Pestiziden geachtet. Die Frage ist aber, ob die Felder einfach überschwemmt oder gezielt bewässert werden." Ersteres scheint im Hinblick auf die Zahlen die Regel zu sein. Das zeigt: Nicht wirklich alles ist Öko, wo auch Öko draufsteht.

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