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Tee – mild und magisch
Blatt gegen Bohne
Wer in Frankreich einen Kaffee ausschlägt und stattdessen Tee verlangt, erntet einen scheelen Blick oder wird bestenfalls gefragt, ob er krank sei. Nun, ganz so schlimm ist es hierzulande nicht. Dafür aber haftet Teetrinkern in manchen Augen noch das verstaubte Image vom Räucherstäbchenrauch umnebelten Ökohippie im Norwegerpulli an. Gegen Kaffee scheint sich Tee auf dem westeuropäischen Festland – mit wenigen Ausnahmen – nicht recht durchsetzen zu wollen. Dabei hat das Blatt aus Asien einiges zu bieten, möglicherweise mehr als die Bohne aus Afrika und Südamerika. In Fülle an Aromen und Sortenreichtum liegt es schon mal vorn. „Während Kaffee ein Getränk für viele ist, sprechen unterschiedliche Formen von Tee unterschiedliche Lebensgefühle, Charaktere und Mentalitäten an“, sagt Esin Rager vom Teeversand Samova in Hamburg. Das zeige sich auch an den zahlreichen kulturellen und religiösen Zeremonien, in die der rituelle Gebrauch von Tee eingebunden sei. Darunter die uns bekannteste ist wohl die japanische Teezeremonie, die durch ihren meditativen Ablauf den Teilnehmer zur inneren Einkehr bewegen soll.
Zudem enthält Tee als zweiten wichtigen Wirkstoff Tannin – Gerbsäure. Die beruhigt, löst sich jedoch erst nach der dritten bis vierten Minute. Daher auch die Faustregel, Tee solle bis zu drei Minuten ziehen, um anzuregen, und länger, um zu beruhigen. Allerdings verschwindet dadurch nicht das Koffein. Wer hierauf anfällig reagiert, den beruhigt auch kein Tee, der zehn Minuten gezogen hat.
Wer trinkt wie?
Streiten sich in Großbritannien die Gelehrten darüber, ob der Tee auf die Milch oder die Milch in den Tee kommt, ist man sich in Ostfriesland über die Reihenfolge einig: Kluntjes (Kandis) in die Tasse, Tee aufgießen, dass es knackt, Sahne draufheben und – bloß nicht umrühren. Der Genuss besteht schließlich in dem Übergang vom Sahnigen übers Bittere ins Süße.
Sowohl Briten als auch Ostfriesen brühen ihren Tee lose auf. Das heißt, die Blätter bleiben in der Kanne, und der Aufguss wird mit der Zeit stärker. Anders in Russland, der Türkei und Zentralasien. Hier kommt der Samowar zum Einsatz – ein Kocher, zwei Kammern: eine für Heißwasser und eine weitere fürs Teekonzentrat. Mit dem Samowar lässt sich das Getränk auf die gewünschte Stärke mischen.
„Ruhig schlafen“
Ob grün oder schwarz, Kenner schwören auf reinen Tee, nicht aromatisiert und lose. Und eher als im Supermarkt kaufen sie den im gut sortierten Fachgeschäft. Unverschnittene Schwarzteesorten sind zum Beispiel Lingia, Orange Valley oder Pussimbing, allesamt aus dem Darjeeling, einem Anbaugebiet am Südrand des Himalayas. Der Zusatz „First Flush“ bezeichnet die erste Ernte, sie bringt einen Tee von dünnem, aber feinem Aroma hervor. Die zweite hingegen, „Second Flush", steht für ein dunkleres und damit kräftigeres Erzeugnis. Wer es ganz besonders frisch mag, bestellt sich so genannten Flugtee, extra eingeflogen aus dem Anbaugebiet. Doch Vorsicht: Während der Kunde sich hier auf den hohen Preis verlassen kann, ist es mit dem Aroma laut „Spiegel Online“ ein Glücksspiel.
Unter den grünen Tees ist die gängigste Sorte der japanische Sencha, zu Deutsch schlicht „Kochtee“. Hier unterscheidet sich Kocha, die alte Ernte, von Shincha, der neuen und kostbareren, sie zeichnet sich durch ein süßliches Aroma aus.