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Tee – mild und magisch

Etwas Warmes braucht der Mensch, Kännchen Tee gefällig? Liebhaber des vornehmlich asiatischen Getränks können in Deutschland unter Tausenden von Sorten auswählen und auch mal 400 Euro pro 100 Gramm auf den Tisch blättern. Was ist das Besondere am Tee? Und wie genießen ihn die Menschen hier und dort? Eine kleine Einführung in die Welt eines zauberhaften Tranks.
von wissen.de-Autor Jens Ossa

Blatt gegen Bohne

Wer in Frankreich einen Kaffee ausschlägt und stattdessen Tee verlangt, erntet einen scheelen Blick oder wird bestenfalls gefragt, ob er krank sei. Nun, ganz so schlimm ist es hierzulande nicht. Dafür aber haftet Teetrinkern in manchen Augen noch das verstaubte Image vom Räucherstäbchenrauch umnebelten Ökohippie im Norwegerpulli an. Gegen Kaffee scheint sich Tee auf dem westeuropäischen Festland – mit wenigen Ausnahmen – nicht recht durchsetzen zu wollen. Dabei hat das Blatt aus Asien einiges zu bieten, möglicherweise mehr als die Bohne aus Afrika und Südamerika. In Fülle an Aromen und Sortenreichtum liegt es schon mal vorn. „Während Kaffee ein Getränk für viele ist, sprechen unterschiedliche Formen von Tee unterschiedliche Lebensgefühle, Charaktere und Mentalitäten an“, sagt Esin Rager vom Teeversand Samova in Hamburg. Das zeige sich auch an den zahlreichen kulturellen und religiösen Zeremonien, in die der rituelle Gebrauch von Tee eingebunden sei. Darunter die uns bekannteste ist wohl die japanische Teezeremonie, die durch ihren meditativen Ablauf den Teilnehmer zur inneren Einkehr bewegen soll.

Tee: Getränk für Genießer
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Dass Tee eher dem besinnlichen Moment dient als nur, um mal eben die Müdigkeit zu vertreiben, liegt an seiner besonderen Wirkungsweise. Im Gegensatz zum Kaffee greift hier das enthaltene Koffein – landläufig auch als Thein bezeichnet – sehr verzögert und klingt auch langsamer wieder ab. „Tee ist ein entschleunigendes Getränk“, erklärt Rager. „Er regt sanfter an und belastet den Kreislauf nicht so sehr.“ Das mag erklären, warum nach dem Genuss von Tee das Loch ausbleibt, in das man häufig fällt, wenn die Tasse Kaffee aufgehört hat zu wirken.

Zudem enthält Tee als zweiten wichtigen Wirkstoff Tannin – Gerbsäure. Die beruhigt, löst sich jedoch erst nach der dritten bis vierten Minute. Daher auch die Faustregel, Tee solle bis zu drei Minuten ziehen, um anzuregen, und länger, um zu beruhigen. Allerdings verschwindet dadurch nicht das Koffein. Wer hierauf anfällig reagiert, den beruhigt auch kein Tee, der zehn Minuten gezogen hat.

 

Wer trinkt wie?

Streiten sich in Großbritannien die Gelehrten darüber, ob der Tee auf die Milch oder die Milch in den Tee kommt, ist man sich in Ostfriesland über die Reihenfolge einig: Kluntjes (Kandis) in die Tasse, Tee aufgießen, dass es knackt, Sahne draufheben und – bloß nicht umrühren. Der Genuss besteht schließlich in dem Übergang vom Sahnigen übers Bittere ins Süße.

Sowohl Briten als auch Ostfriesen brühen ihren Tee lose auf. Das heißt, die Blätter bleiben in der Kanne, und der Aufguss wird mit der Zeit stärker. Anders in Russland, der Türkei und Zentralasien. Hier kommt der Samowar zum Einsatz – ein Kocher, zwei Kammern: eine für Heißwasser und eine weitere fürs Teekonzentrat. Mit dem Samowar lässt sich das Getränk auf die gewünschte Stärke mischen.

Grüner Tee
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Während die Menschen in den traditionellen Teenationen Europas und Zentralasiens Schwarztee trinken – meist kräftig und gut gesüßt –, regiert in Fernost der nicht fermentierte grüne Tee. Japaner und Chinesen reichen ihn zu jeder Gelegenheit, aufgrund seines hohen Vitamingehaltes gilt er dort auch als Allheilmittel. Eine vor allem in China verbreitete dritte Form heißt Oolong. Nur halbfermentiert, handelt es sich um ein Mittelding zwischen grünem und schwarzem Tee.

 

„Ruhig schlafen“

Ob grün oder schwarz, Kenner schwören auf reinen Tee, nicht aromatisiert und lose. Und eher als im Supermarkt kaufen sie den im gut sortierten Fachgeschäft. Unverschnittene Schwarzteesorten sind zum Beispiel Lingia, Orange Valley oder Pussimbing, allesamt aus dem Darjeeling, einem Anbaugebiet am Südrand des Himalayas. Der Zusatz „First Flush“ bezeichnet die erste Ernte, sie bringt einen Tee von dünnem, aber feinem Aroma hervor. Die zweite hingegen, „Second Flush", steht für ein dunkleres und damit kräftigeres Erzeugnis. Wer es ganz besonders frisch mag, bestellt sich so genannten Flugtee, extra eingeflogen aus dem Anbaugebiet. Doch Vorsicht: Während der Kunde sich hier auf den hohen Preis verlassen kann, ist es mit dem Aroma laut „Spiegel Online“ ein Glücksspiel.

Unter den grünen Tees ist die gängigste Sorte der japanische Sencha, zu Deutsch schlicht „Kochtee“. Hier unterscheidet sich Kocha, die alte Ernte, von Shincha, der neuen und kostbareren, sie zeichnet sich durch ein süßliches Aroma aus.

Teeplantage im Morgenlicht
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Aber Aroma hin, Aroma her, toller Geschmack nützt nichts, wenn man sich die Gesundheit mit Pestiziden ruiniert. Ein Problem, das alle Teesorten betrifft, besonders im Billigsegment. Was allerdings nicht heißen muss, dass alle günstigen Tees belastet sind. Nur so viel: Wer Tee zum Niedrigpreis kauft – marktüblich sind zehn bis 20 Euro à 100 Gramm –, kann weder Topqualität noch Garantie erwarten. Denn die verlangt ihren Preis. Der Hamburger Teeversand Samova etwa schickt seinen frisch importierten Tee für zwei Wochen in Quarantäne und lässt ihn von einem unabhängigen Institut prüfen. „Wir verwenden den Rohstoff erst, wenn die grünes Licht geben“, verspricht Inhaberin Rager. „Ein teures Vergnügen, aber dafür kann ich ruhig schlafen.“

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