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Souvenirs: Warum wir manchmal nicht widerstehen können
Ob Städtetrip, Strandurlaub oder Abenteuerreise: Viele von uns bringen mehr mit nach Hause als nur Fotos auf dem Handy. Andenken wie ein handbemalter Keramikteller aus Italien, eine geschnitzte Figur aus Afrika oder die Muschel vom Lieblingsstrand sind oft mehr als bloß Deko. Sie dienen als greifbare Erinnerungsanker. Doch nicht jede Reise und nicht jeder Ausflug weckt denselben Sammeltrieb. Manchmal schlendern wir durch Souvenirläden, ohne auch nur eine Kleinigkeit zu kaufen, ein anderes Mal greifen wir fast automatisch zu. Woran liegt das?
Strandtasse statt Standardbecher
Um das herauszufinden, haben die Marketingforscherinnen Suzanne Shu von der Cornell University und Charlene Chu von der Chapman University Reisende am Ende ihrer Ferien befragt, wie sie sich gerade fühlen. Anschließend konnten die Teilnehmer zwischen einer gewöhnlichen Tasse und einer Souvenirtasse mit dem Bild ihres Urlaubsstrandes wählen. Das Ergebnis: Je größer die Wehmut über das nahende Ende der Reise, desto eher entschieden sich die Befragten für das Erinnerungsstück mit Strandmotiv.
Für die Wissenschaftlerinnen ist das ein klarer Hinweis darauf, dass nicht nur schöne, sondern gerade auch melancholische Gefühle unsere Sammellust anregen. Wenn wir spüren, dass ein bedeutsamer Abschnitt zu Ende geht, wächst der Wunsch nach einem greifbaren Stück davon. „Manchmal sammeln wir Dinge nicht nur, um uns daran zu erinnern, sondern um den Schmerz zu lindern, wenn etwas zu Ende geht“, erklärt Shu. „Dieses emotionsgetriebene Muster erklärt zum Teil, warum Souvenirläden an Touristenorten oder Sportstadien zur Schließzeit oder am Ende der Saison ein reges Geschäft machen.“ Souvenirs erfüllen demnach nicht nur die Funktion einer Erinnerung. Sie können auch ein kleines Trostpflaster sein, wenn eine schöne Zeit unwiederbringlich vorbei ist.
Auch im Studium: Sammelfieber kurz vor Schluss
Ähnlich ausgeprägt zeigte sich dieser Effekt in einer weiteren Untersuchung der beiden Forscherinnen – diesmal nicht bei Urlaubern, sondern bei College-Studenten. Wenn sie vor dem Abschluss standen, behielten sie nach einem großen Footballspiel deutlich häufiger Eintrittskarten oder kauften Fanartikel als die Erstsemester, die noch viele Saisons vor sich hatten. In einem Rollenspiel gaben Teilnehmer, die sich ein einmaliges Ereignis vorstellten – etwa die letzte Saison gemeinsam mit der Familie – beim letzten Spiel deutlich mehr Geld für Souvenirs aus als jene, die nur an routinemäßige Spiele dachten.
Sogar bei unscheinbaren Gegenständen wie einem Gepäckanhänger machte die emotionale Bindung einen Unterschied: Absolventen, die an einen für sie bedeutungsvollen Ort auf dem Campus dachten, wählten häufiger die Version mit Foto statt eines schlichten Etiketts. Und wer kurz vor dem Abschluss stand und regelmäßig daran erinnert wurde, postete auf Instagram auffallend viele Bilder von Campus-Motiven – offenbar ebenfalls eine Form des Erinnerungs-Sammelns.
Letzte Chance am Ausgang
Für Souvenirverkäufer ist diese Erkenntnis Gold wert. Wer seine Ware am Ende einer besonderen Erfahrung anbietet – am letzten Urlaubstag, beim Saisonfinale oder am Ausgang eines Freizeitparks – erwischt die Kundschaft im emotional sensibelsten Moment. Das Gefühl, jetzt noch „ein Stück davon mitnehmen zu müssen“, kann den Umsatz deutlich steigern.
Und für uns als Reisende erklärt es vielleicht, warum wir manchmal völlig rational denken und dem Souvenirstand den Rücken kehren – und ein anderes Mal mit einem halben Koffer voller Andenken nach Hause kommen. „Wenn etwas Sinnvolles zu Ende geht, dann verspüren wir den emotionalsten Drang, etwas zu behalten, an dem wir festhalten können“, fasst Shu zusammen. „Dieser kleine Gegenstand – ein Foto, eine Tasse, ein Souvenir – wird zu einer Brücke zwischen einer glücklichen Vergangenheit und dem gegenwärtigen Moment.“